Publiziert am: 04.09.2015

Formaljuristische Spitzfindigkeiten

SERVICE PUBLIC – Schon kurz nach der Abstimmung über das Radio- und Fernsehgesetz hat der Bundesrat seine Versprechungen vergessen. Er weigert sich, die Service-public-Debatte zu führen und unrechtmässig eingeforderte Billag-Gelder zurückzuerstatten.

Die Abstimmungsvorlage vom 14. Juni 2015 über das Radio- und Fernsehgesetz ist zu einem Plebiszit über Qualität und Umfang des Service public der SRG geworden. Nur gerade zwei Deutschschweizer Kantone, Basel-Stadt und Graubünden, haben sich ganz knapp für die Vorlage ausgesprochen. Alle anderen Deutschschweizer Kantone inklusive die Kantone Tessin und Wallis haben die Vorlage verworfen. Insgesamt hat eine klare Mehrheit der Kantone die Vorlage abgelehnt (20 Stände).

«DIE ANTWORT AUF DIE VERFEHLTE MEDIENPOLITIK HEISST: NO BILLAG.»

Unrechtmässig einkassiert

Über Jahre hat die Billag von allen Privathaushalten und den Unternehmen zusätzlich zu den bereits sehr hohen Billag-Gebühren nochmals 2,5 Prozent Mehrwertsteuer einkassiert – zu Unrecht, wie das Bundesgericht Mitte April entschieden hat. Insgesamt wurden seit 2011 jährlich alleine bei den rund 2,8 Millionen Privathaushalten über 30 Millionen Franken unrechtmässig eingezogen. Mit einer Interpellation und einer Motion forderte ich, dass die zu viel einbezahlten Gelder an die Bevölkerung zurückerstattet werden. Doch der Bundesrat will davon nichts wissen. Mit formaljuristischen Spitzfindigkeiten lehnt er meine Vorstösse ab und verweigert die Rückzahlung der unrechtmässig eingeforderten Billag-Gelder.

Wo bleibt Service-public-Debatte?

Auch von der versprochenen Service-public-Debatte will der Bundesrat nun plötzlich nichts mehr wissen. Unter anderem hatte der Schweizerische Gewerbeverband sgv in der Kampagne gegen die RTVG-Revision moniert, dass zuerst eine breite Diskussion über den Service public zu führen sei, bevor das Finanzierungssystem mit der neuen Billag-Mediensteuer festgelegt werden sollte. Hauchdünn, mit einer Differenz von gut 3000 Stimmen, hat der Souverän das neue RTVG angenommen.

In der Folge reichten Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus CVP, FDP und SVP, alle Mitglieder der Aktion Medienfreiheit, diverse Vorstösse ein. Auch hier verweigert der Bundesrat eine Auseinandersetzung mit den drängenden Herausforderungen. Eine Diskussion über das Budget der SRG und die Höhe der Mediensteuer (Po. 15.36.36 von Nathalie Rickli) will der Bundesrat nicht führen. Ebenso wenig will er die Rechtsform antasten und prüfen, ob für die SRG mit einem 1,6-Milliarden-Budget die Aktiengesellschaft nicht eine zeitgemässere Rechtsform sein könnte als die überholte Vereinsstruktur (Po. 15.3419 von Gregor Rutz).

Auch andere Vorstösse hat er abschlägig beantwortet. Mit anderen Worten: Der Bundesrat will absolut nichts ändern. Alles soll so weitergehen wie bisher.

Die Hälfte ist unzufrieden

Wohlverstanden: Hätte der Bundesrat die Vorlage statt als simple Gesetzesrevision korrekterweise als Verfassungsrevision vors Volk gebracht, wäre sie am Ständemehr gescheitert. Das knappe Resultat zeigt, dass rund die Hälfte der Bevölkerung mit dem Service public der SRG nicht zufrieden ist. Das ist keine Basis für die Zukunft. Auf die Untätigkeit und die verfehlte und rückwärtsgewandte Medienpolitik des Bundesrates gibt es jetzt nur eine Antwort: Die No-Billag-Initiative muss zustande kommen und der Druck aufrechterhalten werden.

Sylvia Flückiger,

Nationalrätin SVP/AG

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