Publiziert am: 17.05.2019

Frischer Wind mit frischem Fisch

ROYAL FISH – Frische Meeresfrüchte, sechs Mal pro Woche zu einem erschwinglichen Preis geliefert, sind das Credo von Lois Vitry-Trapman und Lorenzo Wiskerke. Das KMU aus der Westschweiz macht sich auf den Weg, die deutschsprachige Schweiz zu erobern.

Ein neuer Player mischt den Schweizer Fischmarkt von der Romandie her auf. Sechs Mal pro Woche füllt Royal Fish seine Laderäume mit frischen Meeresprodukten aus den Niederlanden und neun anderen Ländern. «Der französischsprachige Markt ist gross, die Kaufkraft der Einwohner ist überdurchschnittlich hoch – und die Fachleute der Lebensmittelverarbeitung haben sich schnell in unsere Produkte verliebt», sagt Lois Vitry-Trapman in einem ersten Telefonat.

Als leidenschaftliche Köchin, die oft Gourmetfreunde nach Hause einlädt, setzte sie 2012 mit ihrem Mann Lorenzo Wiskerke die Segel. «Damals nahm Lorenzo um 16.30 Uhr den Truck und fuhr nach Basel», sagt sie. «Einen Monat nach dem Start hatten wir unsere ersten Eintritte in einige der grösseren Restaurants.» Lorenzo bestätigt: «Ich habe morgens geliefert und nachmittags die Bestel­lungen aufgenommen. Zu Beginn arbeitete ich 18 Stunden am Tag und habe in dieser Zeit zehn Kilo abgenommen.»

Romands essen mehr Fisch

Royal Fish ist im neuen Logistik­hafen von Aclens (VD) verankert, in unmittelbarer Nähe der Strasse und der Autobahn. Lorenzo Wiskerke holt uns am Bahnhof Pentallaz ab. «Mehrere Studien zeigen, wie wichtig frischer Fisch und Meeresfrüchte in diesem Teil des Landes sind», erklärt er beim Aufstieg nach Cossonay. «Wussten Sie, dass 30 Prozent der lokalen Bevölkerung in der Westschweiz 70 Prozent der in der Schweiz verkauften Produkte, der Gesamtproduktion und der importierten Produkte verbrauchen? Das ist viel mehr als in der deutschsprachigen Schweiz.» Noch – denn die beiden Fischbegeisterten werden bald den Röstigraben Richtung Osten überschreiten: «Schon seit 2012 werden wir von einer Reihe von Hotels und Restaurants in Zürich angesprochen», erklärt Lorenzo Wiskerke. «Jetzt sind wir bereit, in diese Region zu expandieren.»

Mögen die Fischfreunde in der Deutschschweiz den beiden Newcomern einen guten Empfang bereiten. In der Westschweiz hat Royal Fish das Interesse der Käufer längst geweckt, und der flexible Importeur hat bereits entsprechende Markt­anteile erobert. «Es stimmt, dass wir bei einigen Produkten 40 bis 50 Prozent niedrigere Preise als unsere Mitbewerber hatten. Unseren Steinbutt etwa verkaufen wir für 28 und nicht für 64 Franken!»

Klein, aber fein

Mit einem jährlichen Umsatzwachstum von 30 bis 50 Prozent sind Neider nicht weit. Vor allem weil es Royal Fish gelungen ist, ihnen Marktanteile abzunehmen. Im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung ist das Unternehmen bei Eldora (ehemals DSR) gelistet. Und am anderen Ende des Spektrums sind Lois und Lorenzo eine Partnerschaft mit Swiss Deluxe Hotels eingegangen, zu der rund vierzig hochklassige Etablissements gehören. Im Jahr 2014 hat das KMU sogar den niederländischen Consulate Young Enterprise Award (DCYEA) gewonnen.

Was ist die Strategie dieses kleinen, aber feinen Unternehmens? Vier Lastwagen und vier Fahrer, eine Vorbereiterin, eine Handvoll Mitarbeiter – insgesamt sieben Vollzeitkräfte. Ein kleiner Fisch, könnte man meinen. Aber in bloss sechs Jahren hat sich das Paar – durch Umgehung des traditionellen Zwischenhandels, aber auch durch den Einsatz ihrer vielseitigen Kontakte in der niederländischen Fischereibranche – etabliert. Gleichzeitig sind sie den Verbrauchern, ob Profi oder Amateur, direkt nähergekommen – von der Quelle auf den Teller. Die Kundschaft ist vielfältig: ein gutes Viertel ihres Umsatzes macht die Firma mit Hotels, ein Fünftel in öffentlichen Einrichtungen (Altersheime, Schulen, Krankenhäuser), 40 Prozent in traditionellen Restaurants – und sogar eine Privatbank gehört heute zum Kundenstamm.

«MÖGEN DIE FISCHFREUNDE IN DER DEUTSCHSCHWEIZ DEN NEWCOMERN EINEN GUTEN EMPFANGBEREITEN.»

«Ich bin», sagt Lorenzo, «in der Küstenregion, in der Region Zeeland im Süden der Niederlande aufgewachsen. Die Region um Middelburg, Domburg und Vlissingen stürzt sich wie die Finger einer Hand ins Meer. Unsere Freunde führen dort Fischerei- und andere Unternehmen in diesem Bereich. Ich bin noch immer mit ihnen in Kontakt – was heute natürlich sehr praktisch ist.»

Eng getaktete Route

Auch Lorenzos Frau erinnert sich an die Anfänge von Royal Fish. «Da wir stets viele Gäste empfingen und leidenschaftlich gerne kochen, setzte sich Lorenzo ans Steuer und fuhr in die Niederlande, um seine Familie zu besuchen und einige schöne Fische mitzubringen», sagt Lois. «Sieben Stunden hin, und sieben Stunden für den Rückweg. Doch auf dem Tisch sehen die Gäste den Unterschied. Nach und nach entstand im Gespräch mit unseren Freunden aus der Welt der Gastronomie die Idee, etwas Eigenes zu erschaffen. Es hat sich einfach so ergeben.»

Royal Fish bezieht seine frischen Produkte aus rund zehn Ländern; hauptsächlich aus Belgien, den Niederlanden, Schottland, Irland und Frankreich. Die Kunden erhalten die am Vortag bestellten Produkte bereits am nächsten Tag. In jüngster Zeit hat die Firma auch einen qualitativ hochwertigen Tiefkühlbereich entwickelt, den die Restaurants sehr schätzen.

«Bestellungen von Hotels, Restaurants, Gemeinschaftsverpflegung und Privatpersonen kommen in Aclens idealerweise bis etwa 17 Uhr an», sagt Lorenzo. «In diesem Moment sind die Meeresfrüchte noch im Wasser!» Lorenzo empfängt, kauft und verkauft den ganzen Tag über. Er verbringt einen Grossteil des Tages am Telefon. Gegen 20 Uhr sammelte er die Bestellungen – und los geht’s!

Die Reiseroute ist zeitlich eng getaktet: «Der LKW und seine beiden Fahrer verlassen die Niederlande, machen einen Abstecher über Boulogne und fahren dann in die Schweiz», erklärt er. «Die Produkte werden in Basel um sieben Uhr verzollt und kommen 120 Minuten später in Aclens an, wo sie geprüft und in die Westschweiz verschickt werden. Die Fahrzeuge des Unternehmens übernehmen dann die Feinverteilung in Richtung Genf, Neuenburg, Montreux und Wallis.»

Ein passioniertes Paar

Lorenzo ist ein leidenschaftlicher Verkäufer. Er wuchs in einer 1928 gegründeten Familie auf, einem Schwergewicht auf dem niederländischen Markt für Konsumzwiebeln (4000 Tonnen pro Jahr). Er lernte das Verkaufen von der Pike auf, als sein Vater anfing, ihn in alle vier Ecken der Welt zu schicken. Lorenzo hat einen Abschluss/Bachelor in Business Administration und einen MBA der Business School of Lausanne. Er arbeitete bei Mercedes ebenso wie bei einem Mailänder Frucht- und Gemüsehandelsunternehmen. Bei Royal Fish ist Lorenzo für Einkauf, Verkauf, Verwaltung, Qualitätskontrolle und Kundenaquisition zuständig. Seine Frau Lois, Alumni der renommierten École hôtelière de Lausanne (EHL), verfügt über ein riesiges Netzwerk von Kontakten im Hotel- und Gaststättengewerbe. Geboren in Afrika, träumte sie davon, eines Tages dorthin zurückzukehren, um Hotels zu bauen – daher die Hotelausbildung. Lois lebte auch in den Vereinigten Staaten. In Aclens kümmert sie sich um die Bereiche Kundengewinnung, Personal, Buchhaltung, Finanzen und Management im Allgemeinen.

«Unser Erfolg dürfte sich bestätigen, denn wir werden in fünf bis zehn Jahren einen Generationenwechsel bei den Köchen erleben. Unsere grosse Stärke ist es, uns von reinen Brokern und Onlinesites zu unterscheiden – weil wir über Produktkompetenz und direkte Verbindungen in die Welt der Fischerei und die entsprechenden Kenntnisse verfügen.»

Lorenzo seinerseits weist darauf hin, dass Royal Fish zwar alle Türen weit offen zu stehen scheinen, aber dennoch Vorsicht geboten ist: «Wir erhalten Anfragen aus der ganzen Welt, die Menschen in Hongkong wollen unsere Produkte. Es ist schon ziemlich erstaunlich, was mit uns passiert. Aber wir werden erst dann international werden, wenn wir dazu bereit sind. Und heute sind wir erst einmal auf die Deutschschweiz vorbereitet.»

François Othenin-Girard

www.royalfish.ch

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