Publiziert am: 04.07.2014

Gegen vorauseilenden Gehorsam

REGULIERUNG – Mittels Postulaten wollen Ständerat Jean-René Fournier und Nationalrat Peter Schilliger ­erreichen, dass die Schweiz EU-Recht nicht unnötig verschärft.

Die Ausgangslage ist bekannt: Die Schweiz ist vielfach gezwungen, EU-Recht zu übernehmen, damit die entsprechenden Produkte überhaupt noch in die EU-Staaten exportiert werden können. Doch die Übernahme des vielfach ausufernden EU-Rechts ist für die Wirtschaft und die betroffenen Unternehmen in der Regel mit zusätzlichen Regulierungskosten verbunden: Neue Etikettierungsvorschriften, vermehrte Kontrollen und endlose Dokumentationen – die Liste liesse sich verlängern (vgl. Kasten). Dabei wird von der Schweiz das EU-Recht vielfach möglichst rasch, perfektionistisch und mit grösster Akribie übernommen. Das stösst vielen Unternehmern hierzulande zunehmend sauer auf. Nun bekommen sie Unterstützung aus dem Parlament. sgv-Vizepräsident Jean-René Fournier und Gewerbekammermitglied Peter Schilliger verlangen mittels gleichlautenden Postulaten, dass bei der Übernahme von EU-Recht «kein Swiss Finish» zur Anwendung gelangt und dass «kein vorauseilender Gehorsam» geübt werden solle. «Damit benachteiligen wir uns im Wettbewerb gegenüber jenen EU-Staaten, die sich mehr Zeit lassen oder gewisse Normen nur unvollständig oder gar nicht umsetzen», hält der Walliser Fournier fest. Und der Luzerner Schilliger ergänzt: «Die typisch schweizerische Eigenart, das EU-Recht nicht nur zu übernehmen, sondern es sogar noch zu verschärfen – also der sogenannte Swiss Finish – und mit sachfremden Bestimmungen anzureichern, schadet unseren KMU.»

So spät wie möglich umsetzen

Falls nicht unsererseits ein Interesse an einer raschen Übernahme des EU-Rechts bestehe, solle die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied das EU-Recht erst zum spätest möglichen Zeitpunkt effektiv umsetzen, fordern die beiden Gewerbevertreter vom Bundesrat. «Dies gilt sowohl für direkt anwendbares Recht als auch für EU-Recht, das vorher noch in die schweizerische Gesetzgebung umgesetzt werden muss.» EU-Recht solle nur dann schneller in der Schweiz zur Anwendung gelangen, zusätzlich verschärft oder mit weiteren, sachfremden Bestimmungen angereichert werden, wenn dies von einer Mehrheit der interessierten und betroffenen Kreise ausdrücklich gewünscht werde, denn: «Ein schlanker Staat und eine nicht zu enge Regulierungsdichte sind immer noch einer der wichtigsten Standortfaktoren der Schweiz, die unseren Wohlstand begründen.» Dazu gelte es Sorge zu tragen. En

Verordnungen

Keine Verschärfung

Ständerat Jean-René Fournier will, dass bundesrätliche Ausführungsverordnungen zu wichtigen Erlassen durch die eidgenössischen Räte genehmigt werden können. «Die Verwaltung erliegt immer mehr der Versuchung, mithilfe von Ausführungsverordnungen das zu erreichen, was ihr vom Gesetzgeber verwehrt wurde», schreibt Fournier in der Begründung seiner parlamentarischen Initiative. Als Beispiele nannte er gegenüber der Gewerbezeitung die Verordnung zum Raumplanungsgesetz und jene betreffend Restwassermengen.

Swiss finish

Vier Beispiele überbordender Regulierung

Umsetzung Gafi: Bei der Regulierung der Geldwäscherei wollte der Bundesrat nicht die mildesten Mittel nehmen, sondern die schärfsten miteinander kombinieren (Bargeldvebot ab 100 000 Franken und Kriminalisierung der Steuerhinterziehung).

Abkommen mit der EU in Sachen Kartellgesetz: Die Schweiz kann Daten ausliefern und gibt so die Daten der Unternehmen den Europäern bekannt, ohne Garantien dafür zu haben. Die Europäer umgekehrt tun dies nicht.

Lebensmittelgesetz: Der Vorschlag des Nationalrats, die Herkunft aller Rohstoffe deklarieren zu müssen, geht weiter als es die EU verlangt – zum Glück konnte dies in letzter Minute verhindert werden.

Tabakproduktegesetz: Verschiedene vom Bundesrat in die Vernehmlassung gegebene Bestimmungen sind strenger als jene in der EU, so z.B. sieht die EU für das neue Recht eine Übergangsbestimmung von zwei Jahren vor; die Schweiz will nur ein Jahr gewähren.

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