Publiziert am: 01.07.2022

«Gegenseitiges Vertrauen ist wichtig»

Guy Parmelin – Dem Bundesrat erscheint es entscheidend, dass KMU-Chefs offen mit den anderen Mitarbeitenden über die Integration der Ukraine-Flüchtlinge in das Unternehmen sprechen.

Schweizerische Gewerbezeitung:Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation, was die Beschäftigung von ukrainischen Flüchtlingen in der Schweiz betrifft?

Bundesrat Guy Parmelin: Bis Mitte Juni waren über 54 000 ukrainische Geflüchtete registriert, knapp 31 000 davon waren im erwerbsfähigen Alter. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten rund 1500 eine Arbeitsstelle. Etwa gleich viele sind zur Zeit bei den RAV als Stellensuchende gemeldet. Ich gehe davon aus, dass immer mehr Menschen aus der Ukraine hier arbeiten wollen und auch eine Stelle finden. Der Fachkräftemangel ist bekanntlich gross.

Weshalb ist es wichtig, Personen mit Schutzstatus S – und sei es auch bloss temporär – in den Arbeitsmarkt zu integrieren?

Einerseits ist es für Personen mit Schutzstatus S wichtig, einen geregelten Alltag zu haben und sich beschäftigen zu können. Damit erhalten sie ein Gefühl der Sicherheit und Normalität und können ihre Fluchterfahrungen besser verarbeiten. Andererseits profitieren Arbeitgeber von qualifizierten und motivierten neuen Mitarbeitenden.

Inwiefern können Ukrainerinnen und Ukrainer zur Minderung des Fachkräftemangels beitragen?

Die Zahlen der bei den RAV angemeldeten Ukrainerinnen und Ukrainer zeigt, dass viele gut ausgebildete Personen in die Schweiz geflohen sind. So verfügen über 40% über einen Hochschulabschluss. Darüber hinaus arbeiten viele der erwerbstätigen Geflüchteten in Branchen, die gegenwärtig mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen haben, wie etwa dem Gastgewerbe. Arbeitgeber können so von gut qualifizierten Mitarbeitenden profitieren. Gleichzeitig müssen wir uns aber bewusst sein, dass die Zahl ukrainischer Geflüchteter gemessen an der Gesamtzahl erwerbstätiger Personen in der Schweiz sehr klein ist. Den Fachkräftemangel werden wir damit nicht lösen. Dafür brauchen wir nachhaltigere Lösungen.

Was können KMU-Chefs für die Integration der Flüchtlinge tun?

Bei der Integration erscheint mir wichtig, dass KMU-Chefs offen mit den anderen Mitarbeitenden über die Integration der Ukraine-Flüchtlinge in das Unternehmen sprechen. Die Ukrainerinnen und Ukrainer müssen zudem die Erwartungen an sie kennen und gut in ihre neuen Aufgaben eingearbeitet werden. Schliesslich ist es wichtig, ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis aufzubauen und ein gutes Arbeitsklima zu schaffen. Dadurch können auch allfällige Herausforderungen wie zum Beispiel mangelnde Sprachkenntnisse gemeinsam gemeistert werden.En

Wissenswertes

Wie unterstützt das SECO, wie die RAV die KMU bei der Rekrutierung?

Da geflüchtete Personen in der Regel ebenfalls von den Migrationsbehörden oder der Sozialhilfe betreut werden, arbeiten die RAV bei der Arbeitsintegration mit diesen Stellen eng zusammen. Dabei werden die Massnahmen gut aufeinander abgestimmt und koordiniert. Die RAV verfügen über eine breite Erfahrung bei der Arbeitsintegration von geflüchteten Menschen und können KMU bei der Rekrutierung gezielt unterstützen, beispielsweise mit der Vermittlung passender Kandidatinnen und Kandidaten. Arbeitgeber ihrerseits können selber aktiv und auf der Stellenplattform der öffentlichen Arbeitsvermittlung, www.job-room.ch, geeignete Kandidatinnen und Kandidaten suchen.

Die wichtigsten Fragen, mit denen die KMU bei der Rekrutierung von Personen mit Schutzstatus S konfrontiert sind, werden im Merkblatt «Arbeiten in der Schweiz für Personen mit Schutzstatus S» des Staatssekretariats für Wirtschaft (SEM) beantwortet. Weitere Informationen sind auf der zentralen Informationsseite der Arbeitslosenversicherung unter www.arbeit.swiss oder bei jedem RAV verfügbar.

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