Publiziert am: 20.01.2017

Geistesblitz oder Schritt für Schritt

INNOVATION – Es ist schwer, Innovation zu definieren. Noch schwieriger ist es, sie zu messen. Kein Wunder: Innovation ist das Neue und das Unbekannte – und ebenso vielfältig wie wichtig.

Innovation ist wichtig – aber was bedeutet der Begriff eigentlich? Ob in der Ökonomie oder in der Politik, ob in der Schule oder in der Technik, alle sind sich einig: Innovation ist Trumpf. Aber Ökonomen, Politikerinnen, Bildungsleute und Technikerinnen haben alle das gleiche Problem: Zu definieren, was Innovation ist – und damit, sie zu fördern oder mit ihren Auswirkungen umzugehen –, bleibt schwer. Einige Beispiele belegen dies.

Elektrischer Strom – von Menschen 
gemacht

Der britische Lord Henry Cavendish(1731–1810) experimentierte gerne mit Elektrizität. Seine Idee war, menschengemachten Strom zu erzeugen. Als er seine Erfindungen im Oberhaus vorstellte, soll einer gefragt haben, wofür Strom gut sei. Cavendishs Antwort war: «Ich weiss es auch nicht; aber ich bin mir sicher, dass es besteuert wird.»

Michael Faraday (1791–1867) war gelernter Buchbinder und weigerte sich, in den Ritterstand erhoben zu werden. Auch er experimentierte gerne mit der Elektrizität. Basierend auf Cavendishs Entdeckungen entwickelte er die elektromagnetische Spule. Endlich konnte man elektrischen Strom von Menschenhand erzeugen. Faraday fand noch weitere praktische Methoden heraus, Strom und Magnetismus zu steuern – und auch, wie man sich davor schützt, eben im «Faraday’schen Käfig».

Wer war innovativer? Jener, der die Idee hatte oder der, der sie in die Praxis umsetzte? Wohl beide.

Taxis – einst an der Innovationsfront

Im Deutschland des ausgehenden 19. Jahrhunderts betrachteten Kunden Taxis mit Skepsis. Man wusste, eine Reise könnte teuer werden. Man wusste aber nicht, wie teuer. Und dann kam der gelernte Büchsenmacher Gottlieb Daimler mit einer Antwort darauf. Er wollte die Preise messbar, vergleichbar und transparent machen und baute das Taximeter in ein Auto ein.

Im beginnenden 20. Jahrhundert hatte der New Yorker Taxiunternehmer Harry Allen eine Marketing-Idee. Damit die Kundinnen und Kunden seine Autos besser erkennen konnten, liess er sie alle gelb anmalen. Der Erfolg war enorm. Ein wenig später machte sich der Amateurboxer John Hertz darüber Gedanken, wie man die Kosten für Taxifahrten noch weiter senken könnte, um sie attraktiver zu machen. Er kam darauf: Der wichtigste Kostentreiber ist der Fahrer. Seine Antwort lautete messerscharf: Was, wenn man den Fahrer einspart und lediglich das Auto vermietet? Die Autovermietung war geboren.

Welcher von den drei ist nun der innovativste? Jener, der die Technik zum Nutzen der Kunden verwendet? Oder der ein revolutionäres Marketing hat? Oder gar jener, der das Geschäftsmodell umstellt? Wohl alle.

Vielfältig wie das Leben selbst

Eine Lehre, die man aus diesen Beispielen ziehen kann, ist: Innovation ist vielfältig. Sie ist ergebnisoffen und kann verschiedenste Aspekte des Unternehmertums betreffen. Und letztlich kann sie von jedermann und jederfrau kommen.

Zwei Ökonomen haben zwei unterschiedliche Verständnisse von Innovation entwickelt. Joseph Schumpeter setzte auf den Begriff der «schöpferischen Zerstörung». Unternehmen würden Geld in die Hand nehmen und bewusst in Forschung und Entwicklung investieren. Ihr Ziel laute, neue Produkte, Prozesse, Vetriebswege oder ähnliches herauszufinden und so, im Idealfall, ihre Mitbewerber aus dem Markt drängen. Im Klartext: Die Schöpfung neuer Ideen zerstört Mitbewerber.

Israel Kirzner dachte, dieses Szenario bilde die Realität der meisten Firmen nicht ab. Er kam deshalb auf den Begriff der Wachsamkeit («alertness»). Laut Kirzner sind Unternehmen innovativ, weil sie wachsam sind – offen für neue Möglichkeiten. Oft sind sie sogar selber erstaunt, wenn sie eine solche Möglichkeit erkennen. Mehr noch: Viele Unternehmer sind sogar erstaunt darüber, dass man ihre Arbeit überhaupt als Innovation wahrnimmt. Die Idee von Kirzner ist also: Innovation ist ein langsamer, oft unauffälliger Prozess und verläuft Schritt für Schritt.

Vielfalt akzeptieren

Wenn man diese beide Typen von Innovation miteinander vergleicht, wird schnell klar: Es handelt sich um zwei Typen, die miteinander verbunden werden können. Unternehmen geben sowohl Geld für Innovation aus wie sie auch die Chancen ergreifen, die sie erkennen. Und das gilt auch für Mitarbeitende: Natürlich hört man auf die Mitarbeiterin, wenn sie eine gute Idee hat. Und natürlich hat die wachsame Unternehmerin den Wunsch, einen grösseren Marktanteil zu erlangen.

Was bedeutet das alles? Sowohl der Rückgriff auf die Geschichte als auch die Typologie hat eine klare Botschaft. Die Vielfältigkeit und Vielschichtigkeit von Innovation muss akzeptiert werden – unternehmerisch wie politisch. Genau deshalb ist die politische Förderung eines bestimmten Innovationstypus falsch.

Viel zielführender ist es, wenn die Politik auf günstige Rahmenbedingungen setzt. Dazu gehören einfache Gesetze, wenige Regulierungskosten und Bildung, insbesondere Berufsbildung. Es ist dann Sache der Unternehmerinnen und Unternehmer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und ja: sogar von Kundinnen und Kunden, denn Innovation kann von allen kommen –, gute Ideen zu haben und diese zu verwirklichen.

Henrique Schneider, 
Stv. Direktor sgv

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