Publiziert am: 15.05.2020

«Gemeinsam schaffen wir das»

HILFE ZUR SELBSTHILFE – Gemeinsam durch die Corona-Krise: In allen Teilen der Deutschschweiz helfen KMU anderen KMU, die schwierige Zeit zu überleben. Kantonale Gewerbe­ver­bände koordinieren die Aktivitäten der lokalen Akteure.

Für den Ausstieg aus der Covid-19-Krise braucht die Schweizer Wirtschaft ein klares ordnungspolitisches Konzept, um die Folgen der anstehenden Rezession abzufedern. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv fordert in seiner «Agenda for Action», dass die Rahmenbedingungen für den Wettbewerb gestärkt werden und die Politik vermehrt wieder auf unternehmerische Freiheit setzen müsse (www.sgv-usam.ch/A4A). Dies unter anderem, indem die Digitalisierung auf Bundesebene gestärkt wird.

Die Kantone machen’s vor

Wie dies im Kleinen gehen kann und welche unternehmerische Kreativität dabei zum Ausdruck kommt, zeigen Beispiele von unternehmerischer Selbsthilfe quer durchs Land.

Viele Unternehmen, Selbstständige, Restaurants und Ladenbesitzer stehen vor der Frage: «Wie weiter?» Die Idee, die nun schweizweit auf www.gemeinsam-schaffen-wir-das.ch propagiert wird, lautet so: «Bevor ihr nächstes Mal etwas bei internationalen Grosshändlern kauft oder wenn ihr ein passendes Geschenk sucht, schaut, was es hier bei euch um die Ecke gibt. Entdeckt Neues und unterstützt Anbieter aus eurer Region, die aktuell betroffen sind.» Von Accessoires bis zu Wohnutensilien finden Interessierte hier alles, was in unzähligen Städten in der Deutschschweiz inklusive Oberwallis von lokalen Händlern angeboten wird. Konzipiert von den Zürcher Firmen Walk The Walk und 42talents und seit dem 20. März online, finden sich auf der Site schon mehr als 800 Angebote. Hilfe zur Selbsthilfe – rasch, unkompliziert und digital. In vielen Kantonen laufen ähnliche, oft von den kantonalen Gewerbeverbänden initiierte Aktionen. In Zürich bündelt der KMU-Gewerbeverband die Initiativen lokaler Gewerbevereine. Berner KMU stellen fest: «Die KMU gehören zu uns, ­ohne sie funktioniert unser Land auf Dauer nicht, ohne sie gibt es keine stabile Wirtschaft. Auch wenn wir immer noch genügend Karotten, Milchprodukte, Teigwaren, Fleisch und Putzmittel kaufen können, merken wir, was es bedeutet, wenn die KMU-Wirtschaft stillsteht: Arbeitslose, keine Lehrstellen, Existenzangst und Milliardenschulden des Staates.» Unter dem Titel «Lokal ichoufe – mit Härz für ds Gwärb» können Unterstützer mittels einer Onlinepetition ein Zeichen der Solidarität für KMU setzen; schon haben rund 700 Personen unterzeichnet.

Von der Nord- und Ostschweiz …

Im Norden der Schweiz heisst die Aktion der Wirtschaftskammer Baselland «S Baselbiet schaffts #mi­tenandfürenand». Auch hier bündelt der kantonale Verband die unzähligen Aktionen aus den Bezirken und Gemeinden. kmu-beiderbasel.help unterstützt die regionalen, betroffenen Unternehmen aus beiden Halbkantonen, während www.basel­zaemme.ch Spenden zugunsten der Basler KMU sammelt und bereits gegen 700 000 Franken ausbezahlt hat. «Was für ein Aufsteller! Vielen herzlichen Dank, Sie retten mich durch den April, sodass ich meine wichtigsten Zahlungen machen kann», so die begeisterte Reaktion eines Geschäftsinhabers aus den ersten Zeiten der Plattform.

Unter «Bock auf Schaffhausen» sind im Kanton im Rahmen der Solidarität diverse Initiativen entstanden, die mithelfen sollen, das lokale Gewerbe zu unterstützen. Gepusht und auf Facebook und Instagram beworben werden lokale Attraktionen, vom regionalen Naturpark über den Lieferservice bis zum Recyclingprojekt. «Positiv vorwärts gehen – raus aus der Notlage» lautet die Losung im Thurgau. Entsprechende Aktionen und Reaktionen werden vom TGV auf Facebook publiziert. In Appenzell unterstützt der KGV die Hilfe zur Selbsthilfe für lokale Gewerbebetriebe. Die Appenzeller Druckerei hat mit www.appenzellerlandshop.ch ein Angebot geschaffen, bei welchem rasch und unkompliziert Produkte und Dienstleistungen angeboten werden können. Die Druckerei Appenzeller Volksfreund informiert die Leserinnen und Leser von appenzell24.ch und dem Appenzeller Volksfreund mit einer Übersicht, welche Läden, Angebote und Dienstleistungen in welcher Form aktuell erhältlich sind. Die Einträge vom lokalen Gewerbe werden gratis publiziert.

… über die Südostschweiz

Mit der Aktion «Vom Gwerb fürs Gwerb» zeigt der kantonale Gewerbeverband im besonders arg ­gebeutelten Tourismuskanton Graubünden auf, wie wichtig Eigeninitiative ist. «Viele Mitglieder sind an uns gelangt, weil sie ihr Angebot oder ihre Dienstleistung über unsere Kanäle an die rund 6000 Mitgliedbetriebe kommunizieren möchten», schreibt der BGV. Er bietet daher seinen Mitgliedbetrieben die Möglichkeit, ihr Angebot in einem virtuellen «Marktplatz» einzutragen. «Es geht darum, die lokale und regionale Wertschöpfung zu steigern. Es muss gelingen, Arbeitsplätze in allen Regionen des Kantons zu schaffen oder mindestens zu erhalten.»

«Glarner helfen Glarnern»: Unter diesem Motto hat der kantonale Gewerbeverband in enger Zusammenarbeit mit dem Kanton Glarus und Unterstützung der Glarner Handelskammer sowie Detaillisten Kanton Glarus ein Onlineportal aufgeschaltet. «Dieses Portal hilft allen betroffenen Betrieben, Übergangslösungen zu finden und so die Arbeitsplätze der Mitarbeiter und insbesondere der Lernenden langfristig zu erhalten.»

Um die künftigen Lernenden und ihre Zukunft sorgt sich im Mit­telland der Kantonal-Solothurnische Gewerbeverband. Die Lehrstellensituation ist zurzeit für viele Lehrstellensuchende, aber auch für die Ausbildungsbetriebe alles andere als einfach. die Corona-Krise verhindert für viele eine Schnupperlehre. Zahlreiche Schüler/innen sind nach wie vor auf der Suche nach einer Lösung. Auch viele Ausbildungsbetriebe haben noch offene Lehrstellen per 1. August 2020, die es zu besetzen gilt. Mittels einer vir­tuellen Lehrstellenbörse wollen der Kantonal-Solothurnische Gewerbeverband und die Solothurner Handelskammer den Lehrstellensuchenden sowie den Ausbildungsbetrieben helfen, einander zu finden. «Wir vernetzen nach einer Prüfung der Bewerbungsdossiers die Lehrstellensuchenden mit den Lehrbe­trieben.» (vgl.

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… bis in die Zentralschweiz

Im Zentrum der Schweiz schliesslich unterstützt der kantonale Gewerbeverband das Zuger KMU-Helpcenter und promotet mit www.zuger­gewerbe.ch die lokale Wirtschaft. Unter www.mier-sind-obwalde.ch hilft der Gewerbeverband dem lokalen Gewerbe, die schwierige Zeit mit Hilfe der Solidarität der Bevölkerung zu überstehen.

Und In Nidwalden schliesslich heisst es «Bliibid dihei – wir kommen vorbei». Von den Corona-Massnahmen des Bundes betroffene Nidwaldner Unternehmen – Gewerbler, Gastronomen, Hotels, Lieferanten, Dienstleister und viele andere – können auf der Website ihre Dienstleistungen und Angebote bewerben. Selbstverständlich sind die Betriebe auch bei ihren nun alternativen Services (z. B. Hauslieferdienst) gehalten, die Verhaltensmassnahmen des Bundes zu respektieren.

Digitalisieren – bitte subito

All diese – nicht abschliessend aufgeführten – Beispiele zeigen auf, was guter Wille im Zusammenspiel mit Digitalisierung zu erreichen imstande ist. Wichtig nun, dass diese Vorbilder aus den Kantonen die Verantwortlichen beim Bund dazu inspiriert, die Abläufe auch auf nationaler Ebene zu digitalisieren, dadurch zu beschleunigen und zu vergünstigen. Die Schweizer KMU sind dringend darauf angewiesen – und zwar nicht erst seit Corona.En

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