Publiziert am: 04.11.2022

Goldene Zeiten des Zuger Kirschs

KIRsCHBRENNEREIEN – In Zug existieren heute noch drei gewerbliche sowie mehrere bäuerliche Brennereien. Eine neue Website erzählt die 200-jährige Geschichte des hiesigen Kirschgewerbes. Am Samstag, 12. November,

findet in sämtlichen Brennereien unter dem Motto «die Schweiz brennt» ein Tag der offenen Türe statt.

Das Kirschbrennen in der Stadt Zug wird 1626 erstmals urkundlich erwähnt. Genauer gesagt wurde damals das Brennen von «kriesywasser» verboten, weil Obst als wichtiges Nahrungsmittel galt und nicht zum Berauschen eingesetzt werden sollte. Die Behörden betrachteten gebrannte Wasser als gesundheitsschädlich, stellten aber resigniert fest, dass das Branntweintrinken in der Bevölkerung so verwurzelt sei, dass es nicht mehr ausgerottet werden könne. Sogar in der Kirche wurde während des Gottesdienstes Kirsch getrunken.

Der Zuger Kirsch wird weltbekannt

1798 gründeten die Bossards die erste Kirschbrennerei in der Zuger Altstadt, gewannen internationale Preise und exportierten den Kirsch in die Nachbarländer. Danach folgten weitere Destillerien mit klingenden Zuger Namen wie Keiser, Weiss, Wyss, Speck, Landtwing, Theiler, Etter oder Nussbaumer. Ab 1850 kam es zu einem eigentlichen Gründungsboom, nicht nur im Kanton Zug, sondern auch in den Gemeinden und Bezirken rund um die Rigi.

1870 schlossen sich 116 Bauern und Brenner zur «Kirschwasser-Gesellschaft in Zug» zusammen, um die Qualität des Kirschs zu steigern, Fälschungen zu vermeiden und ihn weltweit zu vermarkten. Die neuen Verkehrsverbindungen machten es möglich, dass das Chriesiwasser fortan auf allen Kontinenten angeboten wurde. Das Kirschtrinken gehörte zum guten Ton. Sogar auf Kuba wurde Zuger Kirsch ausgeschenkt. Die gesamte Zuger Elite sass im Verwaltungsrat der mächtigen Gesellschaft und zeichnete Aktien. Die Brennereianlagen im Neustadt-Quartier stammten von Siemens in Stuttgart, zum Kontrollexperten ernannte man Christoph Mühlberg, den späteren Lehrer von Albert Einstein.

Goldene Zeiten derKirschbrennerei

Das Kirschbrennen rentierte und machte manchen Zuger reich. Der erfolgreiche Destillateur und Obsthändler Bossard kaufte 1843 den herrschaftlichen Zurlaubenhof, Kirschdestillateur Wyss 1864 die Untere Münz. Chriesibauer und Brenner Weiss liess Ende des 19. Jahrhunderts im Erlenbach beim alten Zuger Bahnhof eine Villa bauen und installierte einen prächtigen Springbrunnen mit schwimmenden Goldbarschen. Kirschbrenner Joseph Schmidt in der Vorstadt, der Vorgänger von Josef Landtwing, gehörte Ende des 19. Jahrhunderts zu den grössten Zuger Steuerzahlern. Und die Kirschdestillation der Familie Etter war ab 1870 so erfolgreich, dass sie ihre Kapazitäten laufend vergrösserte und innerhalb der Stadt mehrmals umzog.

1932 existierten im Kanton Zug 577 Brennereien, 42 grosse und 535 kleine, was gemessen an der Bevölkerungszahl schweizweiten Rekord bedeutete. Alleine in der Stadt waren in den letzten 200 Jahren 15 Brennereien tätig, die aufs Kirschwasserbrennen spezialisiert waren. Mit der Liberalisierung im Sprituosenmarkt und den gleichzeitig steigenden Alkoholsteuern verschwanden die Betriebe aus dem Stadtbild. Als gewerbliche Brennereien existieren heute noch die Distillerie Etter & Söhne im Choller, die Destillerie Weiss in Cham, die sich ebenfalls zu den Stadtzuger Brennereien zählt, und die 2005 gegründete Schnapsmacherei von Thomas und Cordula Heiner im Zurlaubenhof. Daneben gibt es noch einige bäuerliche Brennbetriebe, die aus den Brennkirschen von Hochstammbäumen Zuger Kirschwasser herstellen, der vor allem auch für die Kirschtorte oder für Kirschstängeli verwendet wird.

Parallel dazu hatte auch der kantonale Kirschbaumbestand, der 1951 mit 44 500 Hochstammbäumen einen Rekord verzeichnete, stetig abgenommen. 2001 zählte man hierzulande noch 16 500 Chriesibäume. Dank der Initiative der IG Zuger Chriesi konnte dieser Trend in den letzten 15 Jahren verlangsamt und der Bestand rund um die Stadt Zug um 1000 Bäume aufgestockt werden. Und in der Bevölkerung hat eine eindrückliche Rückbesinnung auf die lebendige Zuger Kirschenkultur stattgefunden.

Das Kirschdepot in der Altstadt

Als einziges Baudenkmal, das noch an die goldenen Zeiten der Stadtzuger Kirschbrennerei erinnert, hat die ehemalige Brennerei mit Kirsch-depot an der Aegeristrasse 40 überlebt. Hier, im Holzbau an der Stadtmauer, wurde während fast 100 Jahren Kirschwasser gebrannt und in grossen Korbflaschen und Fässern gelagert. Zuerst war es Caspar Keiser, der an diesem Ort ab 1883 Kirsch destillierte, 1911 vermietete er das Lokal an die tonangebende «Kirschwasser-Gesellschaft in Zug und Oberägeri», die es vor allem als Depot nutzte, und ab 1918 stellte die Familie Nussbaumer während Jahrzehnten Kirsch und andere Spezialitäten her. Im Innern sind noch die Zuleitung zum einstigen Brennhafen, ein grosser Maischetank sowie ein Lift zum Transport der schweren Korbflaschen ins Dachgeschoss sichtbar. Und innen an der grossen Holztür ist ein Brandzeichen der Kirschwasser-Gesellschaft sichtbar. Aussen erinnert der Kamin, der sich oberhalb der Brennerei befindet, sowie einige an der Fassade aufgehängte Chriesileitern an die goldene Zeit, als das Zuger Kirschwasser weltweiten Ruhm erlangte.pd/CR

www.zuger-rigi-kirsch.ch

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Tag der offenen türe

Die Schweiz brennt

Einmal im Jahr öffnen die besten Schweizer Brennereien ihre Tore und zeigen dem Publikum ihr Handwerk. Der nationale Brennertag «die Schweiz brennt» hat sich in den vergangenen Jahren zu einem erfolgreichen Anlass etabliert. Mittlerweile machen am Tag der offenen Türe am Samstag, 12. November, 50 Brennereien mit.

www.die-schweizer-brenner.ch

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