Publiziert am: 02.09.2016

Grosse Themen stehen an

VORSCHAU HERBSTSESSION – BFI-Botschaft, Altersvorsorge 2020, Differenzbereinigung beim NAF, Energiestrategie und MEI: Die Sicht von Parlamentsmitgliedern aus BDP, CVP und FDP.

Am 12. September beginnt in Bern die Herbstsession der eidgenössischen Räte. Drei Parlamentsmitglieder – Ständerat Werner Luginbühl (BDP/BE), Ständerätin Brigitte Häberli-Koller (CVP/TG) und Nationalrätin Regine Sauter (FDP/ZH) – gewichten den dreiwöchigen Sitzungsmarathon aus ihrer eigenen Sicht.

Schweizerische Gewerbezeitung: Welches sind für Sie die drei wichtigsten Geschäfte der kommenden Session?

n Werner Luginbühl: Im Ständerat sind dies erstens die Vorlage zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation (BFI) in den Jahren 2017–2020 und zweitens die Differenzbereinigungen beim Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF). Bekanntlich hat das Schweizer Volk für die Bahn mit der Finanzierung und dem Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI) einen Fonds beschlossen. Um auch Strassenprojekte solid zu finanzieren, soll nun auch für die Nationalstrassen und den Agglomerationsverkehr ein unbefristeter Fonds (NAF) geschaffen werden. Strasse und Schiene werden damit gleich behandelt.

Ein drittes wichtiges Geschäft ist die Differenzbereinigung bei der Energiestrategie 2050.

n Brigitte Häberli-Koller: Aus meiner Sicht sind dies die Botschaft zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2017–2020, die Differenzbereinigung des Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds NAF mit dem Netzbeschluss NEB und das Stabilisierungsprogramm 2017–2019.

n Regine Sauter: Aus Sicht der Wirtschaft stehen in der Herbstsession vor allem die Bereinigung der Energiestrategie 2050, die Diskussion über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative sowie die Altersvorsoge 2020 im Fokus. Alle drei Geschäfte haben massgeblichen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standortes.

Welches Geschäft liegt Ihnen persönlich besonders am Herzen und aus welchem Grund?

n Regine Sauter: Das wichtigste Geschäft der Herbstsession ist ohne Zweifel die Reform der Altersvorsorge. Da ich selber Mitglied der nationalrätlichen Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit bin, liegt mir dieses auch speziell am Herzen. Sowohl AHV als auch Pensionskassen laufen Gefahr, in finanzielle Schieflage zu geraten, wenn wir heute keine Massnahmen treffen. Die Gründe sind offensichtlich: Die Menschen leben viel länger als bei Einführung der AHV, und das Verhältnis von Erwerbstätigen, die die AHV 
finanzieren, zu Rentnern verändert sich. 1948 kamen auf einen Rentner noch rund sechs Erwerbstätige, 2030 werden es noch gut zwei sein. Der zweiten Säule macht zudem die Situation auf dem Finanzmarkt Probleme, es können nur ungenügende Renditen erwirtschaftet werden.

Unser Ziel ist es, das Projekt Altersvorsorge 2020 so umzusetzen, dass die Finanzierbarkeit unserer Sozialwerke gewährleistet ist und das Rentenniveau erhalten werden kann. Ein Ausbau, wie dies der Ständerat mit der Erhöhung der AHV-Renten um 
70 Franken beschlossen hat, liegt nicht drin. Um die langfristige Finanzierbarkeit der AHV sicherzustellen, sehen wir zudem einen Interventionsmechanismus vor, man könnte dem auch eine Notbremse sagen: Fällt der AHV-Fonds unter einen kritischen Wert, müssen Bundesrat und Parlament innerhalb einer bestimmten Frist Sanierungsmassnahmen vorschlagen. Kommt keine Lösung zustande, erfolgt automatisch eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters um zwei Jahre kombiniert mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,4%. Gemäss heutigen Berechnungen wäre dies frühestens 2033 der Fall. Ich bin überzeugt, dass es ehrlicher ist, der Bevölkerung schon heute aufzuzeigen, dass weitere Massnahen nötig sein werden, um die AHV zu sichern, als so zu tun, als sei alles bis in Ewigkeit in Ordnung oder liesse sich problemlos durch Erhöhungen der Lohnabzüge regeln, wie dies die linke Seite fordert.

n Brigitte Häberli-Koller: Als Präsidentin der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates liegt mir die BFI-Botschaft 2017–2020 im Umfang von rund 26 Milliarden Franken besonders am Herzen. Diese Vorlage legt für die kommenden vier Jahre die Ziele und Massnahmen der neuen Förderperiode fest. Bildung ist die wichtigste Grundlage für eigenständiges und selbstverantwortliches Denken und Handeln, Forschung die Quelle neuer Erkenntnisse und Innovation die Basis für den Erfolg am Markt.

Der Nationalrat hat dieses Geschäft in der Sommersession behandelt. Der Ständerat wird die Beratungen in der Herbstsession aufnehmen. Es wurden vom Bundesrat vier Förderschwerpunkte definiert: verbesserte Finanzierung von Vorbereitungskursen bei der höheren Berufsbildung, Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, Erhöhung der Abschlusszahlen in der Humanmedizin und Innovationsförderung mit langfristig und strukturell wirkenden Massnahmen. Bei der Berufsbildung soll der gesetzliche Richtwert von 25 Prozent Bundesanteil in jedem Jahr erreicht oder gar überschritten werden. Dies unterstütze ich mit Überzeugung, ist doch gerade die Berufsbildung ein zentraler und wichtiger Teil unseres Bildungsraumes und muss entsprechend gefördert und unterstützt werden.

Die Vorlage umfasst zehn Finanzierungsbeschlüsse, fünf Änderungen bestehender Gesetze und ein neues Gesetz. Aus meiner Sicht hat der Bundesrat eine ausgewogene Botschaft verabschiedet, welche die Unterstützung des Parlamentes verdient. Im Nationalrat wurden sämtliche Anträge auf Erhöhung oder Kürzung der Beiträge abgelehnt und die Linie des Bundesrates unterstützt.

Auch im Ständerat sind verschiedene Anträge eingereicht worden, die entweder eine Aufstockung oder eine Kürzung der vorgesehenen Mittel verlangen. Wir werden über diese in der ersten Sessionswoche zu befinden haben. Ich bin gespannt.

n Werner Luginbühl: Von der Bedeutung her ist es sicher die BFI-Botschaft. Hier werden in einem für unser Land zentralen Bereich – der Bildung – die Weichen für die nächsten vier Jahre gestellt. Rund 26 Milliarden Franken sollen in dieser Zeit seitens des Bundes in das Bildungssystem investiert werden. Dazu gehören Beiträge an die Berufsbildung, an die Fachhochschulen, die Universitäten bis zur ETH. Die Forschung, ein für den Wirtschaftsstandort Schweiz sehr wichtiger Bereich, gehört ebenfalls dazu. Neben den Ausgaben von Bund und Kantonen von rund fünf Milliarden Franken pro Jahr wendet die Privatwirtschaft jährlich rund elf Milliarden für die Forschung auf. Damit wird ein wesentlicher Beitrag zur Innovationsfähigkeit unseres Landes geleistet und eine Vielzahl von hochqualifizierten Arbeitsplätzen geboten.

Als UREK-Präsident hoffe ich aber auch, dass wir die Energiestrategie 2050 endlich zu einem Abschluss bringen können. Es sind nun gut drei Jahre her, dass der Bundesrat die Vorlage zuhanden des Parlamentes verabschiedet hat, und es ist an der Zeit, das Geschäft nun abzuschliessen und dem Volk zu unterbreiten. Damit kann endlich Sicherheit über die künftige Politik und Klarheit, was die Rechtslage betrifft, geschaffen werden.

Wie erleben Sie vor der 4. Session den viel beschworenen «Rechtsrutsch» im neuen Parlament?

n Brigitte Häberli-Koller: Ich bin zufrieden mit der Zusammensetzung des aktuellen Parlamentes. Die bürgerlichen Parteien können ihre gemeinsamen Anliegen besser umsetzen, was ich begrüsse.

n Werner Luginbühl: In den Wahlen 2015 waren die Verschiebungen im Ständerat eher gering. Ein grüner Sitz ging an die SP, die beiden GLP-Sitze an die FDP. Nach den ersten drei Sessionen habe ich den Eindruck, dass der Ständerat Anliegen aus der Wirtschaft etwas stärker gewichtet als in der vergangenen Legislatur.

n Regine Sauter: Die Mehrheiten haben sich zwar etwas verschoben im Vergleich zur letzten Legislatur, doch sie sind nach wie vor knapp. Zudem verlaufen die Linien je nach Sachgeschäft anders. Gerade bei der Revision der Altersvorsorge befindet sich die CVP konsequent auf der Seite der Linken. Hier kann es eng werden. In der Frage der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative zähle ich auf die konstruktiven Kräfte im Parlament, welchen die Bedeutung der bilateralen Verträge für die Schweiz bewusst ist. Eine pragmatische Umsetzung dieser Initiative, die den Ängsten der Bevölkerung Rechnung trägt, uns aber den Zugang zum Europäischen Binnenmarkt weiterhin sichert, ist ein Gebot der Stunde.

Interview: Gerhard Enggist

ZU DEN PERSONEN

Der Berner BDP-Ständerat Werner Luginbühl (58) ist Leiter Public Affairs bei der Mobiliar. Von 1998 bis 2008 war er Regierungsrat des Kantons Bern.

Die Thurgauer CVP-Ständerätin Brigitte Häberli-Koller (58) ist u.a. Präsidentin der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur der Kleinen Kammer.

Die Zürcher FDP-Nationalrätin Regine Sauter (50) ist seit 2012 Direktorin der Zürcher Handelskammer. Sie ist Mitglied der nationalrätlichen Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit.

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