Publiziert am: 10.06.2016

Grosser Wandel in der Branche

SSHV – Der Branchenverband steht mit dem starken Franken unter einem grossen Preisdruck. 
Als Dienstleistungspartner ihrer Kunden haben die Stahlhändler aber Zukunftspotenzial.

Die Unternehmen der Stahl- und Haustechnikbranche (SSHV) blicken auf eine rund 200-jährige Geschichte zurück. «In der Branche hat ein gros­ser Strukturwandel stattgefunden», erklärt SSHV-Geschäftsführer Andreas Steffes. Der starke Preisverfall an den Rohstoffmärkten und grosse Überkapazitäten der Stahlwerke hätten zu einer schlechten Preisstruktur geführt. Der Strukturwandel sei zudem mit dem starken Franken und der zunehmenden Konkurrenz aus dem Ausland noch forciert worden. Dazu Steffes: «Der Frankenschock hat die Stahlunternehmen viel Geld gekostet. Entsprechend mit dem Einkaufspreis sanken auch die Verkaufspreise über Nacht um rund 10 bis 15 Prozent, da der Stahlhandel den Frankenvorteil direkt an die Kunden weitergegeben hat.» Für den Handel bedeute dies herbe Verluste, da die Waren auf Lager noch zum teureren Wechselkurs eingekauft worden seien. «Im Stahlhandel dauert es rund drei Monate, bis das Warenlager abverkauft werden kann und so ein günstigerer Einkaufspreis zum Tragen kommt.» Über Nacht sei es dadurch zu Lagerabschreibungen von über 15 Prozent gekommen, so Steffes. Die Unternehmen hätten diese Krise vor allem mit nur einem blauen Auge durchgestanden, da sie davor kapitalmässig stark aufgestellt gewesen waren. Eine Reaktion auf die Krise sei zudem, dass die Lagerbestände deutlich reduziert wurden, um die Gefahr von zukünftigen Lagerabschreibungen zu verringern. Die Konsolidierung der Betriebe in den letzten Jahren habe zudem dazu geführt, dass sich die Mitarbeiterzahl und die Zahl der Standorte rückgängig entwickelt haben.

«Gefragt sind flexible Serviceanbieter und keine Materialhändler mehr.“

Die Hochkonjunktur des klassischen Stahlhandels ist jedoch vorbei. «Die Unternehmen haben sich vom Eisenwarenunternehmen zu strategischen Dienstleistungspartnern mit individueller Versorgung der Kundenseite entwickelt. Gefragt sind flexible Serviceanbieter und keine Materialhändler mehr», betont Steffes. Die Stahl- und Haustechnikhändler haben heute bis zu 150 000 Artikel an Lager und erbringen ihren Kunden die Lieferung just in time. «Die Branche muss sich heute laufend neu erfinden, entsprechend hoch ist die Prozess- und Systeminnovation», gibt Steffes zu bedenken. Zu ihren Dienstleistungen gehören das Erstellen ausgefeilter Logistikkonzepte, leistungsfähige und bedarfsgerechte Anarbeitung und Veredelung der Rohprodukte, die Planung und Vorbereitung von Produktionsprozessen, Beratung bei Produkten und Werkstoffen sowie die Schulung der Kunden bezüglich der Produkte und deren Verarbeitung. «Die Leistung wird zu je 50 Prozent von der Bauwirtschaft und der Industrie bezogen», so Steffes. Entsprechend vielfältig sind die Produkte, welche im Stahlhandel von Handelsstählen über Röhren bis zu Bewehrungsstahl reichen. In der Haustechnikbranche sind es Produkte für Sanitär, Gasversorgung, Wasserver- und -Entsorgung, Heizung, Lüftung sowie für Gebäudehüllen. «Durchschnittlich werden in den verschiedenen Unternehmen rund 285 000 Tonnen Röhren, Handels- und Bewehrungsstahl gelagert. Mit rund 450 Lastwagen stellt die Branche die Versorgung der Schweiz sicher», sagt Steffes.

Grosser Digitalisierungsprozess
in der Industrie

Ein immer wichtigeres Thema ist auch die Digitalisierung. Automatische Bestellprozesse sowie ein Lagerwesen, das nach den neusten Technologien konzipiert ist, sind heute gefragt. «Die Digitalisierung ist besonders in der Industrie sehr weit fortgeschritten. Allerdings ist es enorm wichtig, jedem Industriekunden seine individuelle Lösung anbieten zu können», betont Steffes.

Bei seinen politischen Anliegen arbeitet der kleine Branchenverband eng mit den grössen Dachverbänden, wie beispielsweise dem Schweizerischen Gewerbeverband oder Handel Schweiz, zusammen und deckt dies nicht im Alleingang ab. Anliegen sind dem Verband ein Augenmass bei neuen Normen, eine gesunde Industriepolitik sowie die Vereinfachung von Zoll und Import. Zu Letzterem meint Steffes: «Wir brauchen unbedingt gleich lange Spiesse, was die Verschärfung der EU für Lieferungen aus Drittländern betrifft. Deshalb ist ein gesundes Verhältnis zur EU notwendig.» Den Margen- und Umsatzdruck in der Branche erachtet Steffes als eine der grossen Hürden. «Unsere Unternehmen bieten als kompetente Partner Lieferqualität, eine schnelle Lieferbereitschaft, flexible Kosten und einen vollumfänglichen individuellen Service. Sie müssen einen Mehrwert bieten. Nur so können sie sich von der ausländischen Konkurrenz abheben», betont Steffes.

«Unsere Unternehmen müssen einen Mehrwert bieten. Nur so können sie sich 
abheben.»

Die Aus- und Weiterbildung ist für den SSHV eine wichtige Aufgabe. Als Trägerverband unterstützt er die Branche Handel in der KV-Ausbildung. Neben der schulischen Ausbildung und der fachlichen Schulung in den Ausbildungsbetrieben werden jährlich mehrere überbetriebliche Kurse für die Lernenden im Stahl- und Haustechnikhandel angeboten, bei welchen viel Wert auf praxisnahe und fachspezifische Inhalte gelegt wird. «Den Lernenden wird vermittelt, wie die in der Schule erlernten Kompetenzen praktisch im Betrieb angewendet werden können», erklärt Steffes.

«Rund 100 bis 130
junge Berufsleute 
absolvieren jährlich ihre Ausbildung in der Branche.»

Die Tätigkeitsfelder der Branche sind sehr breit gefächert, entsprechend auch die Lehrstellen in den Berufen Kaufmännische Ausbildung, betriebliche Ausbildung (Logistiker), LKW-Chauffeur oder IT-Fachmann. «Rund 100 bis 130 junge Berufsleute absolvieren jährlich ihre Ausbildung in der Branche», so Steffes. Es gäbe genügend Lehrstellen, doch die Anforderungen an die Lernenden seien in den letzten Jahren gestiegen. «Obwohl wir bei den Löhnen zum Teil nicht so attraktiv sind, haben wir genügend Lernende», sagt Steffes und ergänzt: «Da wir schlanke Strukturen haben, gibt es in unserer Branche viele interessante Karrieremöglichkeiten.» Der SSHV unterstützt auch die Ausbildung der Kundenbranchen.

Für die Zukunft hat die Branche ­gemäss Steffes noch viel Potenzial. «Stahl wird es immer brauchen, aber wir müssen einen flexiblen und umfänglichen Service anbieten. Solange der Kunde einen Mehrwert hat und wir mehr bieten können als die Konkurrenz, haben wir gute Chancen», ist Steffes überzeugt.

Corinne Remund

DER SSHV KURZ erkläRT

Plattform und Netzwerk

Der Schweizerische Stahl- und Haustechnikhandelsverband (SSHV) hat sich im Laufe der letzten 20 Jahre immer wieder verändert. Der Verband geht aus einem Zusammenschluss der Eisenwarenhändler hervor, die den Verband 1930 gegründet haben. Der Hintergrund war damals, dass man mit einem Zusammenschluss vor dem Zweiten Weltkrieg den Import und die Versorgung der Schweiz sicherstellen wollte. Später spannten die beiden Branchen der Stahlhändler und der Haustechnik unter dem Dach des (SSHV) zusammen. Der Verband sieht sich als Plattform, die vernetzt und verbindet. Die Mitglieder profitieren dabei von gebündeltem fachlichem und unternehmerischem Know-how. Zu den wichtigsten Dienstleistungen für seine Mitglieder gehören die Organisation von Fachveranstaltungen, die Förderung des Qualitätsstandards, die Mitwirkung im schweizerischen Nominierungsprozess bei Auswirkungen auf die Branche sowie das Erstellen von Statistiken. Mitglieder haben zudem Zugriff auf Dienstleistungen der Ausgleichskasse des Gross- und Transithandels, der BVG-Stiftung sowie auf Kollektivverträge im Versicherungsbereich. Ein Kerngebiet ist auch die Aus- und Weiterbildung. Diese beinhaltet die Unterstützung der Grundbildung in diversen Berufen, gemeinsam mit anderen Branchenverbänden, sowie die Produkteausbildung zusammen mit den Herstellern.

Jährlich drei Milliarden Franken

Der SSHV vertritt zudem die Interessen der Schweizer Wirtschaft bei Behörden und in der Politik und bringt die Anliegen des Stahlhandels in befreundeten Organisationen ein, von Industrieverbänden über den Schweizer Baumeisterverband bis hin zu Verbänden der Gebäude- und Wassertechnik. Der Verband ist in der Branche mit 110 Standorten und 
20 Herstellervertretern gut abgedeckt. Dabei handelt es sich mehrheitlich um KMU sowie einige wenige Konzernvertretungen. Die Unternehmen beschäftigen rund 5000 Mitarbeitende und 380 Lernende in den unterschiedlichsten Berufen aus. Die Branche generiert jährlich einen Umsatz von ca. drei Milliarden Franken.

CR

Meist Gelesen