Publiziert am: 18.11.2022

Gut gemeint

«Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gut gemeint.» Dieses Zitat wird immer mal wieder dem Deutschen Journalisten und Schriftsteller Kurt Tucholsky zugewiesen. Auch Bertold Brecht und Karl Kraus werden da und dort als Urheber genannt. Wer auch immer diesen Satz als erster zum Besten gegeben hat, brachte damit eine wichtige Wahrheit ans Licht: Man kann das Richtige wollen – aber das Falsche tun. Ein Beispiel ist der Klimaschutz.

Kein Mensch, der bei Sinnen ist, wehrt sich gegen wirksamen Klimaschutz. Doch stellt sich die Frage, welche Massnahmen geeignet sind. Beispiele für ungeeignete Massnahmen finden wir immer wieder, insbesondere in den Schweizer Städten – oder Stadtkantonen. Ein Beispiel ist Basel-Stadt. Hier befindet die Stimmbevölkerung am 27. November über die Frage, per wann Basel «klimaneutral» sein soll. Zur Auswahl stehen 2030 («Klimagerechtigkeits-Initiative») und 2037 (Gegenvorschlag). Beim Letzteren handelt es sich um eine Vorlage, welche der Grosse Rat (das Basler Parlament) aus dem Hut zauberte – und damit die rot-grüne Regierung links überholte. Diese hatte sich vergeblich für die Zielerreichung per 2040 eingesetzt.

Doch Hand aufs Herz: Spielt es eine Rolle, ob wir uns als Ziel zur Erreichung der Klimaneutralität 2030, 2037 oder 2040 setzen? Basel-Stadt wird bis zu keinem dieser Zeitpunkte klimaneutral. Das ist völlig illusorisch. Erstens fehlen die notwendigen Fachkräfte, um den energetischen Umbau zu bewerkstelligen. Die entsprechenden Ausbildungen werden zwar von der KMU-Wirtschaft mit Hochdruck aufgegleist. Aber bis die notwendigen zusätzlichen Fachkräfte zur Verfügung stehen, vergehen noch Jahre.

Zweitens dürfte es den Industriellen Werken Basel kaum möglich sein, das Fernwärmenetz (welches als zentral für die Zielerreichung gilt) rechtzeitig auszubauen. Hier stehen neben den fehlenden Fachkräften auch städtebauliche Hindernisse im Weg. Man kann schlichtweg nicht die ganze Stadt zeitgleich umgraben. Das Gewerbe und die Bevölkerung leiden schon heute unter den Dauerbaustellen.

Drittens ist es auf dem 37 Quadratkilometer umfassenden Kantonsgebiet schlichtweg unmöglich, noch mehr Bäume zur Bindung von CO2 zu pflanzen. Wer Drohnenaufnahmen von Basel betrachtet, wird staunen, wie grün unsere Stadt am Rheinknie bereits heute ist.

Sollen wir deswegen den Klimaschutz abschreiben, die Flinte ins Korn werfen? Keineswegs. Doch ist es einfach kontraproduktiv, wenn man den Leuten durch massiven Zwang und Verordnungen massive Lasten auferlegt, die dann noch nicht einmal dem Klima helfen. Stellen wir uns den Frust in 7 bzw. 15 Jahren vor, wenn dies weite Teile der Bevölkerung erkennen. Ob die Menschen dann noch härtere Massnahmen zum Klimaschutz mittragen werden? Ich bezweifle es.

Darum liegt die Lösung sicher nicht in einem Alleingang in einzelnen Schweizer Städten, wie er zurzeit in Basel aufgegleist wird. Vielmehr müssen die Klimaschutzmassnahmen koordiniert werden – im besten Fall international, sicher aber auf nationaler Ebene. Und da sind wir gut unterwegs, denn die Schweiz hat sich auf die Klimaziele von Paris verpflichtet. Mit ihnen streben wir die Klimaneutralität bis 2050 an. Das ist immer noch ein äusserst ambitioniertes Ziel. Aber immerhin ist eine Erreichung realistisch. Doch nur gemeinsam, sicher nicht als einzelne Stadt oder als Stadtkanton mit überrissenen Ansprüchen an sich selbst.

Warum überhaupt haben derartige Kamikaze-Vorlagen eine Chance in unseren Städten? Selbstkritisch muss ich feststellen, dass es uns Gewerblerinnen und Gewerblern offensichtlich zu wenig gut gelingt, aufzuzeigen, was die KMU-Wirtschaft schon heute für den Klimaschutz unternimmt. Da wird für Tausende und Abertausende Franken in die energetische Verbesserung der Produktionsmittel investiert. Der Fahrzeugpark wird nach und nach modernisiert, die Beleuchtungsmittel werden ersetzt, Gebäudehüllen werden energetisch saniert, die Produktion wird auf Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit ausgerichtet.

Vielleicht sollten wir künftig vermehrt auf solche Tatsachen hinweisen. Beginnen wir, nicht nur über unsere Produkte und Dienstleistungen zu sprechen und deren Vorzüge hervorzuheben. Beginnen wir darüber zu sprechen, was die Schweizer KMU schon heute für den Klimaschutz tun und noch weiter tun werden. Zeigen wir den Menschen auf, dass unsere Wirtschaft schon lange viel grüner ist als die Politik – und dass deswegen viele Ideen aus Politikerkreisen nicht gut sind, sondern allerhöchstens gut gemeint.

* Marcel Schweizer ist Präsident des Gewerbeverbandes Basel-Stadt und Inhaber eines Gartenbau-Unternehmens.

www.gewerbe-basel.ch

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