Publiziert am: 08.03.2019

Hacker kennen keine Regeln

E-VOTING – Ein blinder Fortschrittsglaube treibe die Befürworter elektronischer Abstimmungen an, sagt der Luzerner SVP-Nationalrat Franz Grüter. Der IT-Unternehmer präsidiert das Initiativkomitee für ein E-Voting-Moratorium, das E-Voting so lange verhindern will, bis es sicher ist.

Schweizerische Gewerbezeitung: Elektronisches Abstimmen ist einfach, bequem und erhöht die Stimmbeteiligung, sagen die E-Voting-Befürworter. Warum bekämpfen ausgerechnet Sie als IT-Unternehmer diese scheinbar ideale digitale Lösung?

Franz Grüter: Die Erfahrungen zeigen, dass nicht einmal das Hauptargument der E-Voting-Befürworter stimmt. Die Stimmbeteiligung wird nicht erhöht. Stattdessen gefährdet in Zeiten von Hackerattacken und Cyberbedrohungen das E-Voting die Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Sicherheit unserer demokratischen Institutionen. Das Schlagwort Digitalisierung darf uns nicht blind machen für Risiken und Nebenwirkungen.

Was wäre Ihr Worst-case-­Szenario, falls eine eidgenössische Abstimmung gehackt werden sollte?

Die Gefahr, dass auftragsmässig Abstimmungsmanipulationen getätigt werden, ist real. Es ist belegt, dass nicht nur Staaten, sondern auch zivile Akteure versuchen, manipulativen Einfluss auf demokratische Prozesse wie Abstimmungen und Wahlen zu nehmen. Äusserst knappe Resultate zeigen, wie wenig es braucht, um ein Resultat zu kippen. Das schlimmste wäre, wenn dann unsere Demokratie nicht mehr funktionieren würde.

«Die Gefahr, dass auftragsmässig Abstimmungs­mani­pulationen getätigt werden, ist real.»

Sehr viele Schweizer wickeln bereits ihre Bankgeschäfte sicher online ab, ohne dass es bisher zu grösseren Missbräuchen gekommen wäre. Ist es nicht gar schwarz­gemalt, dass nun ein E-Voting-System die direkte Demokratie unseres Landes gefährden soll?

Die Abläufe von E-Voting und E-Banking unterscheiden sich ganz grundsätzlich. Bei E-Banking muss der Kunde eindeutig identifiziert werden und die Transaktionen sind rück­verfolgbar. Genau das will man bei einer Abstimmung nicht. Es soll ja ausgeschlossen werden, dass man herausfindet, wie jemand gestimmt hat. Das macht die Anforderungen viel komplexer.

Sie sind Präsident des Initiativ­komitees für ein E-Voting-Moratorium. Seit Anfang Monat werden Stimmen gesammelt. Was genau verlangt die Initiative?

Die Initiative für ein E-Voting-Moratorium strebt an, dass die elektronische Stimmabgabe so lange verboten bleibt – mindestens aber fünf ­Jahre –, bis die Prozesse einfach verständlich, überprüfbar und sicher sind, wie die üblichen Abstimmungs­kanäle.

Zehn Kantone ermöglichen aktuell die elektronische Stimmabgabe für Auslandschweizer. Sechs davon nutzen das E-Voting-System des Kantons Genf, welches dieser aber einstellen wird. Zuvor war es Hackern gelungen, in das System einzudringen. Heisst das, es hat in der Schweiz schon manipulierte Abstimmungen gegeben?

Soweit wir wissen nicht. Das bringt jedoch ein weiteres Problem auf den Punkt. Manipulationen können ohne bemerkt zu werden erfolgen, und die Rückverfolgbarkeit ist fast ausgeschlossen. Die Sicherheit muss daher an oberster Stelle stehen.

«Die Sicherheit muss an oberster Stelle stehen.»

Aktuell führt die Schweizerische Post einen öffentlichen Hackertest für ihr eigenes System durch. Dafür hagelte es massive Kritik. Nicht zuletzt, weil sich die Teilnehmer beim Hacken an die vorgegebenen Regeln der Post halten sollen. Wie stehen Sie diesem Experiment gegenüber, bei dem der gesamte Code veröffentlicht wurde?

Es ist schlicht unrealistisch, dass sich ausländische Geheimdienste oder Hacker an «Regeln» halten bei ihren Cyber-Aktivitäten. Somit ist das kein aussagekräftiger Test. Er zeigt aber, wie naiv teilweise die ­E-Voting-Befürworter sind.

Finden Sie es grundsätzlich richtig, dass sich die Post um das Thema E-Voting kümmert?

Ich bin da skeptisch. Die Post soll sich auf ihren Kernauftrag konzentrieren und Private nicht konkurrenzieren. Dieses Beispiel zeigt vielleicht auch, wie sehr sich solche Firmen aus dem Fenster lehnen können und zu viele Risiken eingehen, weil sie halt eben nicht im vollen Wettbewerb stehen.

Die Stadt Zug entwickelt ein E-Voting auf Blockchain-Basis. Könnte dieses System Ihrer Meinung nach funktionieren?

Mit Betonung auf «könnte». Ich glaube, es wird in Zukunft Lösungen ­geben. Aber jetzt braucht es einen Marschhalt, um sich der Risiken und Nebenwirkungen bewusst zu werden. Zu lange wurde das E-Voting blindlings gepusht. Die Initiative setzt aber ganz bewusst auf ein Moratorium, so dass neue Lösungen getestet und evaluiert werden können.

«Zu lange wurde das E-Voting blindlings gepusht.»

Wann rechnen Sie mit der Ein­führung eines sicheren E-Voting-Systems in der Schweiz?

Wir sind keine Technologieverhinderer. Die IT entwickelt sich rasch weiter. Es ist gut möglich, dass wir nach dem Moratorium bereits neue Lösungen prüfen können. Der Zeitpunkt ist für mich aber nicht entscheidend, was zählt, ist die Sicherheit. Wir brauchen ein dezentrales System und eine Überprüfbarkeit ­ohne spezielle Fachkenntnisse. Denn unsere Demokratie darf nicht einem blinden Fortschrittsglauben geopfert werden.

Interview: Adrian Uhlmann

zur person

Der Luzerner SVP-Nationalrat Franz Grüter ist seit Beginn seiner beruflichen Karriere in der IT- und Telekommunikationsbranche unternehmerisch tätig. Der gelernte Elektrotechniker TS ist Verwaltungsratspräsident bei green.ch.

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