Publiziert am: 10.11.2017

Handel wird immer internationaler

SCHWEIZERISCHER VERSANDHANDEL – Die Branche bewegt sich in einem dynamischen Umfeld und ist auf politischer Ebene bezüglich Mehrwertsteuer, Handelshemmnisse und Datenschutz gefordert. Die einzelnen Mitglieder müssen flexibel und agil bleiben.

Der Online-Handel boomt: 35 Millionen Pakete, fünf Millionen Retourpakete, Millionen von Newslettern und Mailings werden jährlich versendet, und mehr als 30 Millionen Zahlungstransaktionen gehen im Zusammenhang mit dem Online-Handel über die Bühne. «Die Branche wächst seit Jahren, aktuell sind in der Struktur Konsolidierungstendenzen absehbar und ausländische Händler gewinnen an Gewicht. Es herrscht ein harter Wettbewerb», erklärt Patrick Kessler, Präsident des Verbandes des Schweizerischen Versandhandels VSV. Die Branchen Food und Elektro seien in Schweizer Hand, während der Textilbereich sehr ausländisch geprägt sei. «Wir haben aber viele Schweizer 
Nischenanbieter, es herrscht eine absolute KMU-Struktur mit gegen 10 000 Online-Shops. 90 Prozent dieser Shops generieren aber weniger als 2500 Pakete pro Jahr», so Kessler.

«KMU tun sich mit der Internationalisierung des Marktes immer noch schwer.»

Gemäss Kessler ist der Online-Handel in den letzten sechs Jahren zwischen sechs und neun Prozent gewachsen und hat ein Marktvolumen (inkl. Online-Einkaufstourismus) von fast acht Milliarden Franken erreicht. Wird der Online-Handel den herkömmlichen Detailhandel bald überholen? Dazu Kessler: «Der Online-Anteil des Heimelektrobedarfs beträgt 30 Prozent, Textil 17 Prozent und Food 1,5 Prozent. Der stationäre Handel wird kaum verschwinden, es wird ein Nebeneinander geben.» Die Kombination von Online-Handel und realem Showroom sieht Kessler allerdings nicht als Handel der Zukunft für den durchschnittlichen Online-Händler. «Dies kann je nach Sortiment und Grösse sicher eine Option sein, doch ich glaube, dass dies eher Thema für grosse Marken bleiben wird.» Für kleine Online-Händler könnte beispielsweise ein Pop-up-Store mit physischer Präsenz Reize setzen. «Die Grenzen zwischen Online und Verkaufsgeschäft verschmelzen beispielsweise, wenn man ein Buch im Laden bestellt und es nach Hause geliefert bekommt oder umgekehrt», so Kessler. Er ist überzeugt, dass der Online-Handel für KMU eine Riesenchance ist. «KMU tun sich mit der Internationalisierung jedoch immer noch schwer. Sie haben noch nicht ganz erkannt, dass man mit dem Online-Handel die ganze Welt als Kunde bedienen kann und man so Zugang zu einem ganz neuen Markt bekommt», stellt Kessler fest.

Gleich lange Spiesse fĂĽr alle

Die dynamischen, technologischen Entwicklungen in der Branche sind eine grosse Herausforderung für die KMU. «Die Technologie rast, die Investitionen dafür sind repetitiv und hoch und auch die Komplexität in der Kommunikation nimmt laufend zu. Heute müssen wir aus hundert digitalen Kanälen die richtigen kombinieren, um denselben Effekt wie vor 20 Jahren mit dem Werbekatalog zu erhalten», hält Kessler fest. Eine weitere Hürde dürfte das neue Datenschutzgesetz werden, das Formalitäten vorsieht, die KMU extrem belasten. «Datenschutz ist wichtig, aber das vorgeschriebene Gesetz bürokratisiert den Datenschutz nicht nur für den kleinen Online-Händler, sondern für jedes Unternehmen, das Privat-adressen speichert und dann und wann eine adressierte Werbekampagne startet oder eine Rechnung verschickt», bringt es Kessler auf den Punkt. «Das kann nicht das Ziel eines effizienten Datenschutzgesetzes sein. Mit dem Gesetz will man wohl Giganten wie Google, Facebook etc. in die Pflicht nehmen, trifft damit aber die Kleinen.»

«Wir wollen keine 
Diskriminierung gegenüber stationärem Handel und
ausländischem 
Online-Handel.»

Der VSV setzt sich politisch für gleich lange Spiesse für Schweizer und ausländische Anbieter im Bereich Zoll und MWST ein. «Wir akzeptieren keine Diskriminierung gegenüber stationärem Handel und ausländischem Online-Handel», betont Kessler und erklärt: «Es dürfen beispielsweise keine rezeptfreien Medikamente ohne Arztrezept verschickt werden. Ebenso gibt es auch andere Produkte, die aus gesetzlichen Gründen nicht mit der Post transportiert werden dürfen.» Unter Handelshemmnis läuft auch der Gewichtszoll, der verlangt, dass pro Kilogramm Zoll gezahlt wird. «Die Schweiz ist das einzige Land, das dies noch so praktiziert», so Kessler. Gerade mit den häufig steuerbefreiten und kaum kontrollierten Direktimporten aus dem Ausland herrsche ein grosser Preisdruck. «Wir haben dieses Jahr 30 Prozent mehr Direktimporte aus dem Ausland. Es ist deshalb umso wichtiger, dass sich Schweizer Händler hier gut positionieren können und dabei nicht von preistreibenden gesetzlichen Rahmenbedingungen behindert werden», sagt Kessler.

Der Handel wird immer
internationaler

Für den Verband ist es ein Anliegen, dass seine Mitglieder immer auf dem neusten Stand und entsprechend auch aus- und weitergebildet sind. Als Querschnittverband bietet er jedoch keine klassische Ausbildung. «Wir engagieren uns mit internen Veranstaltungen für die Weiterbildung im weiteren Sinne, indem wir unsere Mitglieder über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden halten» so Kessler. Dazu gehören auch Anlässe wie die Online Marketing Konferenz OMK in Bern oder der E-Commerce Connect in Zürich. Ebenso bietet der Verband ein spezielles Seminar an, in dem praxisnah die neusten Updates im Bereich E-Commerce vermittelt werden.

«Datenschutz ist wichtig, aber das vorgeschriebene Gesetz bürokratisiert den Datenschutz für sämtliche KMU.»

Die schnelllebige Branche ist am Puls der Zeit und verfügt über ein grosses Potenzial. «Der Handel wird immer internationaler, damit entwickelt sich auch ein grosser Wettbewerb», betont Kessler. Er ist überzeugt, dass sich der Online-Anteil im Non-Food-Bereich in den nächsten vier Jahren von 15,3 auf 20 Prozent steigert. «Das Potenzial im Food ist noch viel grösser, da braucht es aber einfach noch etwas Zeit», so Kessler.

Corinne Remund

DER VSV KURZ ERKLÄRT

Dienstleistungen für mehr Umsatz 
und weniger Kosten

Die Gründung des Verbandes des Schweizerischen Versandhandels VSV geht ins Jahr 1938 zurück. Damals schlossen sich Versandhandelsunternehmen zur Interessenbündelung zusammen. Sie machten gemeinsam Werbung für ihre Branche und grenzten sich mit einem Gütesiegel zur Promotion des Versandhandels von sogenannten «schwarzen Schafen» ab. Schon in den 90er-Jahren wurde ein Gütesiegel für den Versandhandel auf Basis des Ehrencodex mit 
14 Tagen Rückgaberecht ins Leben gerufen. 2013 wurde die Swiss Online Garantie als modernisiertes Gütesiegel lanciert. «Damit wollen wir Vertrauen in den Online-Handel schaffen. Der Kunde soll sich sicher und aufgehoben fühlen und wissen, dass er sich an jemanden wenden kann, wenn etwas mal nicht funktioniert», erklärt VSV-Präsident Patrick Kessler. Nebst diesem Gütesiegel gehören Rahmenverträge mit Dienstleistern, die Transaktionskosten im Bereich Logistik, Bonität, Bezahlung, Adressenaktualisierung und Zertifizierungen senken, sowie Kooperationen unter Mitgliedern mit Paketbeilagen, Shopping-Guide, Newslettern etc. zu den Dienstleistungen. Der engagierte Verband fördert mit zahlreichen Informationen sowie Veranstaltungen und Statistiken eine breite Vernetzung seiner Mitglieder in der Branche. Der VSV bietet für seine Mitglieder 
weiter einen rechtlichen Shopcheck 
sowie laufend praxisnahe Informationsveranstaltungen. Ein wichtiges Angebot ist auch die Ombudsstelle E-Commerce, die mit neutralen und unabhängigem Blick Konfliktfälle löst. Der Verband engagiert sich auch auf politischer Ebene in den Themen Mehrwertsteuer, Zoll, Konsum und Datenschutz und vertritt die Mitgliederinteressen gegenüber Behörden, Verbänden, Organisationen und der Öffentlichkeit.

Umsatz von 
6,5 Milliarden Franken

Der Verband zählt rund 300 Mitglieder, die in der Schweiz rund 60 Prozent des B2C-Online-Handels­volumens und rund ein Drittel des gesamten Paketvolumens der Schweizer Post generieren. Bei den Mitgliedern handelt es sich um kleine bis grosse KMU, alles Onlinehändler, zum Teil auch stationäre Händler mit Online-Handel. Dank einer solidarischen Gebührenregelung (gleiche Beträge für alle) hat jedes Mitglied – ob gross oder klein – das gleiche Mitbestimmungs- und Mitspracherecht. In der Branche arbeiten gemäss Bundesamt für Statistik rund 4000 Angestellte. Sie generieren im Inland einen Umsatz von 6,5 Milliarden Franken (nur Handel). CR

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