Publiziert am: 20.10.2017

Hier gibts mehr als nur Tourismus

SCHWEIZ–SPANIEN — Spanien ist die zwölftgrösste Volkswirtschaft der Welt. Mit der Schweiz pflegt das Land traditionell einen ­intensiven wirtschaftlichen Austausch.

Sonnenschirme am Strand, gute Küche, Fischerei, Wein. Diese Faktoren werden oft mit Spanien verbunden. Sie gehören auch zum iberischen Land. Doch seine ganze Wirtschaft darauf zu reduzieren, wäre ein Fehler.

Spanien ist nämlich die zwölftgrösste Volkswirtschaft der Welt. Wichtigste Wirtschaftszweige sind der Tourismus, die Kommunikations- und Informationstechnik, die metallverarbeitende Industrie, der Maschinenbau, die Landwirtschaft und die Petrochemie. Und Spanien verfügt über einen wichtigen und grossen Finanzplatz.

In Zahlen ausgedrückt: Das spanische Bruttoinlandsprodukt BIP beträgt 1300 Milliarden Franken pro Jahr (Schweiz: ca. 660 Milliarden). Bei einer ständigen Wohnbevölkerung von 47 Millionen ergibt das 
für Spanien ein pro Kopf-BIP von 
ca. 27 000 Franken Pro-Jahr (Schweiz: 80 000 Franken). Nach den Krisenjahren 2009 bis 2013 meldete sich Spanien zurück. Seit dem Jahr 2015 kann das Land die eigene Wertschöpfung um über drei Prozent pro Jahr erhöhen. Bei der Schweiz sind es nur knapp über ein Prozent pro Jahr.

Die Realität hinter den Zahlen

Die Zahlen offenbaren auch die bittere Realität der spanischen Wirtschaft. Nur 38 Prozent der Bevölkerung geht einer Erwerbsarbeit nach. Bei der Schweiz sind es 60 Prozent. Und: 19 Prozent der Spanierinnen und Spanier sind arbeitslos. Zwar waren in den Krisenjahren zeitweilig um die Hälfte aller Erwerbstätigen arbeitslos. Trotzdem gilt: Das aktuelle Niveau ist zu hoch.

Das mediterrane Land steht auch vor strukturellen Herausforderungen. Mit etwa drei Prozent der Bevölkerung, die in der Landwirtschaft tätig sind, lebt ein relativ grosser Teil von Subventionen. Spanien ist zudem weniger industriell als die Schweiz. Der zweite Sektor beschäftigt dort um die 23 Prozent der Angestellten. Hier sind es um die 26 Prozent. Aufgrund des Preisgefüges müsste das iberische Land aber einen viel höheren Anteil an industrieller Beschäftigung haben.

Die Chancen hinter den Zahlen

Dafür ist der dritte Sektor in Spanien gut ausgebaut. Selbstverständlich besteht er zum grossen Teil aus dem Tourismus. Aber nicht nur: In ihm sind auch der Finanzplatz, der Forschungsplatz und die Kreativwirtschaft enthalten. Diese sind die eigentlichen Motoren des spanischen Wachstums. Hier werden die Arbeitnehmenden auch mit Selbstständigkeit konfrontiert und werden dadurch innovativ.

In Europa werden die meisten Videospielsoftwares in Spanien programmiert. Pharma- und Chemieunternehmen haben bedeutende Forschungs- und Entwicklungsprogramme dort. Spanische Banken haben vor allem das Einzelkundengeschäft ausgebaut und sind nun auf dieses Segment – «Retail» – spezialisiert. Die Skaleneffekte spielen sie sowohl in Europa als auch in Südamerika aus.

Traditionell stark verbunden

Traditionell pflegen beide Länder einen intensiven wirtschaftlichen Austausch. Ihr Handelsvolumen, also Importe und Exporte zusammen, beträgt etwa elf Milliarden Franken. Dabei erzielt die Schweiz regelmässig einen Exportüberschuss. Die wichtigsten Güterkategorien sind Pharma- und Chemieprodukte, Edelmetalle und Schmuck sowie Maschinen und Fahrzeuge.

In Sachen Bildung bemüht sich die Schweiz darum, die zuständigen spanischen Behörden für die duale Berufsbildung zu sensibilisieren. Schliesslich liegt dort ein grosses Potenzial brach; gerade im dritten Sektor.

Ebenso gibt es einige Schweizer KMU, die eine direkte Präsenz in Spanien haben. Dazu gehören Logistikunternehmen, Importeure von Schweizer Gütern und Schweizer Einkaufsgemeinschaften. Nicht wenige Hoteliers und Kreativwirtschaftlerinnen haben ihre Ausbildung in der Schweiz genossen. Und nun setzen sie ihr Können um. Eben: Die spanische Wirtschaft ist mehr als Sonnenschirm und Strand, Fisch und Wein.

Henrique Schneider, Ressortleiter sgv

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