Publiziert am: 05.11.2021

Ich bin auch ein Pöstler!

Montag Abend, Ladenschluss, Kühlschrank leer. Die Familie ist hungrig, die Hausaufgaben warten, die Entscheidung fällt leicht: Pizza bestellen! Zum Glück ist das heutzutage kein Problem und sogar ein richtiger Aufsteller am Ende des Tages. Innert 30 Minuten klingelt es an der Türe … Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Postbeamtin oder ein Postbeamter vor der Haustüre steht und uns vier frischgebackene, warme Pizze ausliefert? Genau: Null.

Und dennoch ist die Postcom, die Überwachungsbehörde der Post, der Meinung, dass Pizzakuriere und andere Essenslieferanten ab sofort auch Pöstler sind. Ohne Diskussion und ziemlich unzimperlich hat sie letzten Winter verfügt, dass Uber Eats fortan dem Postgesetz unterstellt sein soll. Essenslieferungen seien, so die Postcom, als Postsendungen zu betrachten. Einem Staatsmonopolisten auf der Suche nach seiner Daseinsberechtigung ist offensichtlich keine Entscheidung zu absurd.

Die Verfügung wurde richtigerweise angefochten. Noch bevor das Bundesverwaltungsgericht eine Entscheidung treffen konnte, doppelte die Postcom jedoch nach und stellte jüngst eat.ch ebenfalls unter das Postgesetz. Doppelt genäht hält besser. Oder eher: Der Pöstler klingelt immer zweimal! Schliesslich braucht es etwas Nachdruck, um Fakten zu schaffen. Von einem Rechtsgutachten eines renommierten Staatsrechtlers, das zwischenzeitlich zum Schluss kam, dass eine solche Verfügung nicht mit dem Gesetz vereinbar und auch vom Gesetzgeber nicht so gewollt sei, liess sich die Postcom offenbar nicht beeindrucken.

Es ist nicht anzunehmen, dass die Postcom selbst auf die Idee gekommen ist, eine frischgebackene Pizza und ein Postpäckchen seien ein und dasselbe. Sonst hätte sie den Milchmann schon vor langer Zeit unter das Postgesetz stellen müssen. Der Zweck des Postgesetzes ist auch nicht, grundsätzlich sämtliche Liefergegenstände zu regulieren und gleichzustellen, sondern die Grundversorgung des Landes mit postalischen Diensten sicherzustellen. Falls diese Grundversorgung von Privaten konkurrenziert würde, dann müssten diese den Postdiensten gleichgestellt und deshalb dem Postgesetz unterstellt werden.

Nun ist es aber mitnichten so, dass die Versorgung mit Pizza als staatlicher Grundauftrag gilt, sonst müsste der gelbe Riese die Lieferung von Essenspaketen grundsätzlich garantieren. Es ist sogar sehr unwahrscheinlich, dass die Aufgabe einer Pizzabox am Postschalter entgegengenommen würde – von einem warmen Döner ganz zu schweigen. Aus derselben Überlegung kann von Konkurrenz keine Rede sein, denn Essenskuriere bieten genau dort einen Dienst an, wo die Post nicht tätig ist. Dass diese als Staatsmonopolistin nun ausgerechnet dort regulatorisch eingreift, wo sie überhaupt nicht aktiv ist und auch keinen Service-Public-Auftrag hat, ist als ordnungspolitischer Übergriff einzustufen. Darüber hinaus ist es willkürlich, einzelne und ausgewählte Dienstleister ins Visier des Postgesetzes zu nehmen – denn was passiert fortan mit dem besagten Milchmann? Was mit dem Restaurant, das seine Gerichte mit eigenen Fahrerinnen und Fahrern ausliefert, was mit den Blumenlieferanten und den Hauslieferdiensten von Grossverteilern? Sind die auch Pöstler?

Diese Intervention der Postcom ist nicht nur überraschend, sondern rechtlich fragwürdig. Die Post hat die Konkurrenz durch Essenslieferanten nicht zu befürchten, da sie selbst keine zubereiteten Mahlzeiten ausliefert. Umso durchschaubarer ist die politische Motivation hinter dem Regulierungsakt: Es geht sehr gezielt darum, erfolgreiche Kurierdienste unter die Hoheit von Gewerkschaften zu stellen, um ihnen einen GAV überzustülpen. Willkür ist hier nicht Mittel, sondern Zweck. Wie praktisch es da ist, dass die Post, ein staatliches Monopol, gerne dazu Hand bietet.

Nichts weist darauf hin, dass der Gesetzgeber die Postcom dazu ermächtigen wollte, die Auslieferungen zubereiteter Gerichte in der Schweiz zu beherrschen. Schon gar nicht sollte sie – als Staatsmonopolistin – ihre Macht dazu nutzen, arbeitsmarktrechtliche Interventionen in Bereichen vorzunehmen, in welchen sie gar nicht aktiv ist. Weil das Postgesetz aber das einzige Instrument für den gewerkschaftlichen Dienst war, soll die Pizza künftig als Paketsendung herhalten. Frei nach Abraham Maslow: Wenn man nichts ausser einem Hammer hat, sieht alles nach einem Nagel aus.

Es ist zu hoffen, dass das Gericht die politische Motivation dieses Entscheids entlarvt und die Grenzen der Kompetenzen des gelben Riesen aufzeigt.

* Die Zürcher glp-Nationalrätin Judith Bellaiche ist Geschäftsführerin von Swico, dem Wirtschaftsverband der ICT- und Onlinebranche.

www.swico.ch

www.judithbellaiche.ch

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