Publiziert am: 29.04.2022

Ideologie statt Markt

INNOVATIONSFÖRDERUNG – Nach dem Aus für das Rahmenabkommen und den Sticheleien seitens der EU – Stichwort: Horizon» – will der Bund nun selbst Innovationen fördern. Er täte dies besser nicht: Eine Industriepolitik ist das letzte, was unser Land heute braucht.

Seit dem Scheitern des institutionellen Abkommens zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) wollen sich die Bundesbehörden neu organisieren, um von sich aus Finanzierungshilfen zu gewähren, die zuvor in einem Fonds oder Rahmenprogramm der EU gesammelt und dann an Schweizer Unternehmen weiterverteilt wurden.

Da die Schweiz nun den Status eines nicht mit dem EU-Rahmenprogramm «Horizon Europe» assoziierten Drittlandes hat, kann sie nicht mehr an der Industriepolitik der EU teilnehmen. Arme Schweizer KMU und Start-ups können keinen Antrag auf Finanzierungshilfe mit dem «EIC Accelerator» stellen. Dies, obwohl sie über Projekte verfügen, welche die Investoren überzeugen!

Dieses Programm ermöglichte es den sogenannten Top-Innovatoren, Fördergelder abzugreifen, um marktverändernde Innovationen zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Wir warten immer noch auf die grossen Schritte in Sachen Innovation. Die Finanzhilfen wurden entweder für Investitionen in Form von Aktien oder Wandelanleihen oder für die Kosten von Aktivitäten zur Präsentation von Entwicklungen wie Tests, Prototypen, Normen und geistigem Eigentum bereitgestellt.

Seit Mitte April aktiv

Die Schweizer Bundesbehörden haben nun beschlossen, den Schritt zu beschleunigen und die Führung zu übernehmen, indem sie jetzt quasi eine eigene Industriepolitik anbieten: den Swiss Accelerator, der von Innosuisse verwaltet wird, der Schweizer Agentur zur Förderung der Innovation. Die Finanzierung wurde vom Parlament genehmigt, und das Inkrafttreten erfolgte am 15. April 2022.

Innosuisse könnte also innovative Start-ups und KMU mit grösserer Flexibilität unterstützen, da sie die Möglichkeit haben wird, Beihilfen in einer Bandbreite von 40 bis 60 Prozent der Gesamtkosten eines Innovationsprojekts zu gewähren. Die Zulassungsbedingungen besagen, dass sich das Angebot nur an Start-ups und KMU mit einer Schweizer Unternehmens-Identifikationsnummer richtet, dass sie ihren Sitz in der Schweiz haben und weniger als 250 Vollzeitarbeitsplätze haben müssen. Zudem müssen die innovativen KMU über eigene finanzielle Mittel für mindestens 30 Prozent der Projektkosten verfügen können. Das Ziel ist es, ein Projekt einzureichen, das schnell vermarktet werden kann.

Die Anträge sollten bis zum 10. Mai eingereicht werden. Ist das die Rückkehr einer dirigistischen Industriepolitik?

Wirklich Aufgabe des Staates?

So weit, so gut. Aber ist es wirklich Aufgabe der Politik, über Unternehmensprojekte zu entscheiden und sie zu unterstützen, notabene solche, die innovativ und wahrscheinlich schnell vermarktbar sind? Der private Markt würde solche für Investoren verlockenden Projekte schnell aufgreifen. Warum also wollen die Bundesbehörden der EU in dieser Hinsicht folgen? Befinden wir uns wieder wie in der Nachkriegszeit der 1950er- und 1960er-Jahre mit der Einführung einer Industriepolitik?

Selbst Ökonomen wie Barry Eichengreen haben gezeigt, dass der Staat historisch gesehen allenfalls helfen kann, einen technologischen Aufholprozess zu organisieren, dass es ihm aber unmöglich ist, Innovationen vorantreiben zu können. Warum will die Schweiz dann unbedingt die Innovationen der Unternehmen fördern?

«Umgestalten» lautet das Ziel

Die Botschaft dahinter ist leider nicht die der Innovation, sondern des Dirigismus für eine nur auf ideologischer Ebene innovative Wirtschaft. Vielmehr geht es darum, alle Projekte zur ideologisch-ökologischen Umgestaltung der Gesellschaft zu unterstützen. Nicht, dass die Privatwirtschaft hier nichts tun würde. Im Gegenteil: Die meisten Innovationen, die die Belastung der Umwelt durch unseren technologischen Fussabdruck verringern, kommen aus der Privatwirtschaft.

Das Problem ist, dass der Staat sich eines Kapitels der wirtschaftlichen und politischen Realität annimmt, das ihn wirklich nichts angeht. Seine normale Aufgabe ist es, optimale Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung seiner Bürger zu schaffen, was wirtschaftliche Freiheit, eine unparteiische Justiz, aber vor allem ein Verbot staatlicher Eingriffe voraussetzt.

Keine Industriepolitik nötig

Der Swiss Accelerator wäre somit ein erster Schritt in Richtung einer Industriepolitik, die der Schweizerische Gewerbeverband sgv vehement ablehnen muss. Der Markt wird Innovationen zu unterstützen wissen, die wirklich etwas verändern. Der Staat verfügt nicht über die Kompetenzen dazu.

Mikael Huber, Ressortleiter sgv

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