Publiziert am: 21.09.2018

«Im besten Fall per 2022»

EIGENMIETWERT – SVP-Nationalrat Hans Egloff, Präsident des Hauseigentümerverbands Schweiz HEV, und Peter Baeriswyl, Direktor des Schweizerischen Maler- und Gipserunternehmer-Verbands SMGV, über den Stellenwert der weltweit einmaligen Steuer.

«DER EIGENMIETWERT IST EIN STÖRENDER FREMDKÖRPER IM SCHWEIZER STEUER­SYSTEM.»
Hans Egloff, Präsident HEV

«WIR WEHREN UNs DAGEGEN, DASS AUCH ABZÜGE FÜR RENOVATIONEN GESTRICHEN WERDEN.
Peter Baeriswyl, Direktor SMGV

Der «Eigenmietwert» ist eine Schweizer Spezialität, ja, in dieser Form weltweit einmalig. 1915 wurde er im Rahmen einer einmaligen eidgenössischen Kriegssteuer eingeführt, um die ausbleibenden Zollerträge während des Ersten Weltkrieges auszugleichen.

Schweizerische Gewerbezeitung: Der Hauseigentümerverband Schweiz HEV kämpft seit Jahrzehnten für eine Abschaffung des Eigenmietwerts – bisher erfolglos. Was stört sie an dem fiskalischen Instrument?

Hans Egloff: Der Eigenmietwert ist einfach ein störender Fremdkörper im schweizerischen Steuersystem. Es ist doch ungerecht, wenn man für die eigenen vier Wände eine Mietwertsteuer zahlen muss, bei anderen Vermögenswerten wie Autos, Booten, Sportpferden etc. aber nicht. Das ist schlicht unfair. Auch fest installierte Wohnwagen und Hausboote sind faktisch Zweitwohnungen, es muss aber kein Eigenmietwert versteuert werden. Hinzu kommt, dass Wohneigentum doch auch der Altersvorsorge dienen soll. Durch den Eigenmietwert wird das verhindert, indem man auch im Alter 
Miete für seine eigene Liegenschaft zahlen muss. Gerade bei Selbstständigerwerbenden ohne Pensions­kasse hat Wohneigentum einen hohen Stellenwert als Altersvorsorge. Es ist an der Zeit, dass Wohneigentum gefördert und nicht gar bestraft wird.

Nun hat die ständerätliche Kommission für Wirtschaft und Abgaben signalisiert, dass sie für eine Abschaffung des Eigenmietwerts offen ist. Was bedeutet dieser Entscheid?

Hans Egloff: Der Entscheid der WAK-S ist ein wichtiger Schritt, der vor allem in den Medien umfangreich aufgenommen und thematisiert worden ist. Die WAK-S ist eine politisch gemischte Kommission. Die präsentierten Eckpunkte zur Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung sind also ein erster Schritt in Richtung einer mehrheitsfähigen Vorlage. Der Entscheid berücksichtigt diverse Anliegen und scheint ausgewogen, diverse Detailfragen sind aber noch «auszuhandeln». Uns war wichtig, dass der Eigenmietwert abgeschafft wird und dass es weiterhin Anreize für Ersterwerber geben muss, denn Wohneigentum darf für Junge keine Illusion bleiben. Die Entscheidung der WAK-S, den Systemwechsel nur bei selbstgenutztem Wohneigentum am Hauptwohnsitz vorzunehmen, begrüsse ich. Andere Immobilieneigentümer (z. B. von Zweitwohnungen oder Renditeliegenschaften im Privatvermögen) sind davon nicht betroffen.

Das Ausbaugewerbe, zu dem auch der Schweizerische Maler- und Gipserunternehmer-Verband (SMGV) gehört, ist gegenüber einer Abschaffung des Eigenmietwerts skeptisch. Ist es nicht gut, wenn unnötige Belastungen für Hauseigentümer wegfallen?

Peter Baeriswyl: Natürlich ist das wünschenswert. Wir unterstützen die Absicht, die Eigenmietwert­besteuerung abzuschaffen. Aber nicht zu jedem Preis.

So wehren wir uns vehement dagegen, dass mit der Abschaffung des Eigenmietwerts auch die Abzüge für Renovationsarbeiten gestrichen werden sollen. Dies hätte nämlich zur Folge, dass Renovierungen weniger attraktiv sind und der Wohneigentümer zurückhaltender wird bei der Erteilung von Aufträgen für Unterhaltsarbeiten. Und das geht grundsätzlich zulasten des Gebäudebestands, welcher nicht mehr so professionell und hochwertig unterhalten würde, wie dies bis anhin in der Schweiz der Fall war. Hinzu kommt, dass mit dieser Massnahme die Schwarzarbeit gefördert würde. So entgehen den Unternehmen aus dem Ausbaugewerbe wesentliche Erträge. Für den Grossteil unserer Unter­nehmen sind die Entgelte für Reparatur- und Unterhaltsarbeiten ein 
beträchtlicher Teil ihres gesamten Einkommens.

Hans Egloff: Diese Einstellung teile ich nun gar nicht. Die Aufhebung des Unterhaltskostenabzugs ist eine logische Folge eines generellen Systemwechsels. Die Schweiz verfügt über einen äusserst hochwertigen Immobilienpark. Ich bin felsenfest der Meinung, dass dies auch nach einem generellen Systemwechsel so bleibt. Die Änderungen betreffen zudem nur das selbstgenutzte Wohneigentum am Hauptwohnsitz, also die Immobilie, in der man in der 
Regel einen Grossteil seiner Zeit 
verbringt. Da möchte man es doch gerne gepflegt haben – unabhängig von steuerlichen Abzügen.

Konkret fürchten Sie eine Zunahme der Schwarzarbeit, sollten der Eigenmietwert – und damit die Abzugsmöglichkeiten für Renovationsmassnahmen – wegfallen. Malen Sie hier nicht allzu schwarz?

Peter Baeriswyl: Sicher nicht. Heute ist die Schattenwirtschaft im Bereich des privaten Gebäudeunterhalts in der Schweiz kein grosses Problem. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass für die Geltendmachung des Abzugs von Unterhaltsarbeiten korrekte Rechnungen erstellt und eingereicht werden müssen. Fällt die Möglichkeit eines 
Abzugs dahin, ergeben detaillierte Rechnungen von Unternehmern 
keinen Nutzen mehr. Schwarzarbeit (Verrichtung von Arbeit ohne Rechnungsstellung und gegen Barzahlung) und damit verbunden immense Steuerverluste wären die Folgen. Und schliesslich gilt es zu berücksichtigen, dass im Zuge einer wachsenden Schattenwirtschaft auch der Arbeitnehmerschutz leiden wird. Mit der Folge, dass unsere seriösen Unternehmer, die die GAV-Bestimmungen einhalten und die Umwelt- und Gesundheitsschutzmassnahmen umsetzen, noch einmal klar im Nachteil wären.

Hans Egloff: Der Systemwechsel ist doch keinesfalls ein Freipass für Schwarzarbeit – und betrifft zudem ja nur das selbstgenutzte Wohneigentum am Hauptwohnsitz. Bei allen anderen Immobilien (Renditeliegenschaften, Zweitwohnungen) bleibt es beim alten System, die Unterhaltsarbeiten können abge­zogen werden. Auch weiterhin mit schriftlichen Verträgen und Rechnungen zu arbeiten, macht für die Wohneigentümer Sinn: Sie haben dadurch Anspruch auf Mängelbehebung, sie müssen mögliche wertvermehrende Arbeiten später im Rahmen der Grundstücksgewinnsteuer belegen können, und nicht selten müssen die Arbeiten nachgewiesen werden (z. B. Brandschutz). Hinzu kommt, dass über die Hälfte der Immobilieneigentümer schon heute vom Pauschalabzug Gebrauch macht. Damit müssen also bei einem Grossteil der Arbeiten schon jetzt keine Rechnungen nachgewiesen werden. Bei einem Systemwechsel pauschal von einer massiven Zunahme von strafbaren Handlungen 
sowie immensen steuerlichen Ein­bussen zu reden und damit die 
ganze Vorlage in Gefahr zu bringen, ist verfehlt.

Das Ausbaugewerbe befürchtet zudem, dass der Wegfall des Schuldzinsabzugs – als Gegenmassnahme zur Abschaffung des Eigenmietwerts – zu Problemen für ältere oder hoch verschuldete Hypo-Schuldner führen könnte. Sind Ihnen diese HEV-Mitglieder egal?

Hans Egloff: Nein, kein Mitglied ist uns egal. Wir erhalten aber viele Rückmeldungen und können den Leidensdruck gut einordnen.

Für Rentner ist es heute sehr schwierig. Der Eigenmietwert belastet sie oft übermässig. Ihre Immobilien sind häufig abbezahlt. Und schon heute prüfen die Banken vor Eintritt ins Rentenalter die Tragbarkeit von Hypotheken. Wer dann nicht abbezahlt hat, erlebt oft böse Überraschungen. Interessant ist aber, dass laut Botschaft zur Volksinitiative bzw. dem indirekten Gegenvorschlag zu «Sicheres Wohnen im Alter» schon damals 80 Prozent der Rentner einen positiven Netto-Eigenmietwert aufwiesen, 
also der Eigenmietwert höher war als abziehbare Schuldzinsen und Unterhaltskosten. Das, obwohl der damalige Durchschnittszins bei rund drei Prozent lag!

Bei Ersterwerbern und anderen hoch verschuldeten Eigentümern sieht es anders aus. Aufgrund der hohen Immobilienpreise müssen sich Ersterwerber häufig sehr hoch verschulden. Daher ist es wichtig, dass in diesen Fällen eine begrenzte Abzugsmöglichkeit für Hypothekarzinsen vorgesehen ist, um den 
Erwerb von Wohneigentum zu 
fördern. Trotzdem müssen Anreize zur Amortisation von Hypotheken gesetzt werden. Die Immobilie soll abbezahlt werden und nicht der Bank gehören. Heute hat die Schweiz die höchste Privatverschuldung weltweit, die Risiken für unsere Volkswirtschaft sind enorm. Langfristig wird der Systemwechsel allen Wohneigentümern zugutekommen.

Mit seiner Haltung – Eigenmietwert weg ja, aber Unterhaltsab­züge müssen bleiben – fordert 
das Ausbaugewerbe quasi «den Fünfer und das Weggli». Ist diese Haltung nicht unrealistisch?

Peter Baeriswyl: Das stimmt so nicht. Wir sind uns bewusst, dass die mit der Abschaffung des Eigenmietwerts verbundenen Steuerausfälle kompensiert werden müssen, und haben deshalb auch nichts dagegen, wenn im Gegenzug die Hypothekenzinsen nicht mehr von den Steuern abgezogen werden können. Dies in vollem Bewusstsein, dass ein Anstieg des Hypothekarzinses, wovon irgendwann mal auszugehen ist, zu grossen Problemen für stark verschuldete Hausbesitzer führen wird, zu denen vor allem auch junge 
Familien gehören. Es gibt viele Hypothekarschuldner, die nicht einfach so ihre Schulden amortisieren können.

Wagen Sie eine Prognose: Wann wird der Eigenmietwert endgültig der Vergangenheit angehören?

Peter Baeriswyl: Das kann noch Jahre dauern. Gegenüber einem radikalen Systemwechsel, bei dem Eigenmietwert und alle Abzugsmöglichkeiten abgeschafft würden, ist die Skepsis gross. Nicht nur bei den Wirtschaftsverbänden und bei den Banken, sondern auch im Parlament. Jede Änderung am heutigen System hat nämlich finanzielle Auswirkungen auf verschiedene Gruppierungen und so auch erwünschte oder eben unerwünschte volkswirtschaftliche Folgen.

Hans Egloff: Das steht in den Sternen. Im besten Fall der Fälle könnte eine Beseitigung dieser Ungerechtigkeit per 2022 möglich sein.

Interview: Gerhard Enggist

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