Publiziert am: 03.04.2020

Im Lieblingspullover gegen die Krise

START-UPS – Aus der Not werde eine Tugend: Wie bei den etablierten gibt es auch bei den jungen Unternehmen ein paar wenige, die sich in der schwierigen wirtschaftlichen Lage profilieren können. FEEL A FIL und Annanow setzen dabei vor allem auf Solidarität.

Die Corona-Krise hat und wird noch viele Träume zerschlagen. Es gibt aber auch die andere Seite, die Cinderella-Stories: Start-ups, die von der aktuellen Lage profitieren, weil sie das richtige Produkt oder die richtige Dienstleistung anbieten. Oder solche, die durch geschicktes Marketing oder Solidaritätsaktionen auf sich aufmerksam machen. Zwei Beispiele.

Die anderen zuerst

Hand in Hand gegen Corona: So lautet die Devise von Selina Peyer. Ihr junges Schweizer Stricklabel FEEL A FIL lancierte ein nachhaltiges Charity-T-Shirt aus Biobaumwolle. Pro verkauftem «Hand in Hand»-Shirt spendet das Label 25 Franken an lokale Organisationen oder Projekte. «Zum Beispiel Velokurierdienste, welche Einkäufe an die Risikogruppen ausliefern», sagt Peyer. Die 29-Jährige hat ein grosses soziales Bewusstsein, was sich auch in ihrer Arbeit widerspiegelt. Mit ihrem Label FEEL A FIL kämpft sie einerseits für eine nachhaltige, umweltfreundliche Textilproduktion und gegen die Wegwerfmentalität. Andererseits legt Peyer grossen Wert auf die Haptik der Kleider. «Durch meine eigenen Erfahrungen mit Sehschwierigkeiten kenne ich die Wichtigkeit der taktilen Kommunikation.» Konkret: Die Kleider sind im wahrsten Sinne des Wortes spürbar anders. Jede Farbe hat ihr eigenes Muster, welches sich ertasten lässt.

Vor rund einem Jahr hat Selina Peyer ihr Label gegründet. «Die Resonanz und ersten Hochrechnungen waren vielversprechend.» Dann kam Corona. Nun könnte man meinen, ein Start-up kämpfe in erster Linie um seine eigene Existenz. Doch Peyer denkt an die anderen: «Die unerwartete Krise stellt uns alle vor Herausforderungen. Ich glaube, dass wir nur gemeinsam etwas bewegen können.»

Auch ohne Charity-Beitrag haben die Kleider von FEEL A FIL stolze Preise. Ein Pullover kostet gerne auch mal über 250 Franken. Peyer relativiert. Die meisten Kleider seien heute aus billigen Materialien und würden in Asien produziert. Ihre Garne hingegen erfüllten alle umwelttechnischen und sozialen Kriterien. «Darüber hinaus möchte ich den bewussten Konsum fördern und Menschen dazu bewegen, nicht 6 Pullover zu kaufen und diese wegzuschmeissen, sondern den einen zum Lieblingspullover werden zu lassen.»

Solidarisches Liefersystem

Das Start-up Annanow haben wir in dieser Zeitung bereits vorgestellt (vgl. sgz vom 6. September 2019). Auch die innovativen Köpfe hinter der Plattform für Expressliefer­dienste mit integrierten Bezahl- und Versicherungslösungen setzen ein Zeichen. Gemeinsam mit Taxi 444 hat Annanow die Plattform standtogether.ch ins Leben gerufen. «Im Wissen um die gefährdeten Existenzen geben wir volle Kraft, um die Handlungsfähigkeit von Unternehmen und Gewerbebetrieben sicherzustellen und diese am Leben zu erhalten», sagt Patrick Keller, CEO der Annanow AG. Konkret können Lebensmittel, Hygieneartikel, Medikamente oder sichere Transporte ins Spital oder zum Hausarzt telefonisch bestellt werden. Lokale Partner – vom Hofladen bis zum grossen Supermarkt – garantieren eine rasche Ausführung der Aufträge. Und weil sich jeder als Kurier melden kann, kann auch jeder die Aktion unterstützen und seinen Mitmenschen helfen. Aktuell ist das Angebot auf den Raum Zürich beschränkt. Es soll aber bald in der ganzen Schweiz und auch in ländlichen Regionen verfügbar sein. «Solidarität gilt für alle», so Keller.

Annanow profitiert von den vielen Anfragen der Kuriere, die um ihre Existenz fürchten. «Diese nehmen wir gerne in unser Netzwerk auf.» Die Plattform standtogether.ch versteht Keller als Ergänzung zu Annanow. Die Initiative sei primär eine Solidaritätsaktion. Dennoch soll das Angebot in der Zeit nach der Pandemie weitergeführt werden. «Die Grundidee ist klar: Alle müssen von unserem Liefersystem profitieren können – das Gewerbe, die Kuriere und natürlich die Endverbraucher.»

Adrian Uhlmann

www.feelafil.com

www.standtogether.ch

www.annanow.ch

hilfe für START-UPS

Bei den meisten Start-ups ist die Situation weniger rosig als bei Selina Peyer und den Initianten von Annanow. «Start-ups sind wie die jüngsten Pflänzchen im Garten. Ihnen muss bei stürmischer Wetterlage Schutz geboten werden», sagt Raphael Tobler, Präsident vom Entrepreneur-Club Winterthur und Gründer von eduwo, einer Bewertungsplattform für Schweizer Hochschulen. Tobler fordert mit einer Interessengemeinschaft, bestehend aus Start-ups, Privatper­sonen und Organisationen, den Erhalt der Schweizer Innovation und explizite Start-up-Hilfe vom Bund. Auf der Website der Interessengemeinschaft finden Jungunternehmer Informationen und nützliche Links:
www.startup-politik.ch

uhl

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