Publiziert am: 04.11.2022

In der Sackgasse

BVG-REFORM – Die Reform der 2. Säule stand von Beginn an unter einem schlechten Stern. Nun mehren sich die Zeichen, die auf ein Scheitern hin­deuten.

Das knappe Ja zur AHV 21 hat gezeigt, dass die Schweizer Altersvorsorge doch noch reformfähig ist. Klar zutage getreten ist aber auch: Reformprojekte müssen breit abgestützt sein, um die Abstimmungshürde, die bei sozialpolitischen Vorlagen besonders hoch ist, überwinden zu können.

Schlechte Voraussetzungen

Von einer breiten Abstützung kann bei der BVG-Reform, die Ende November im Ständerat zur Beratung ansteht, keine Rede sein. Die Gewerkschaften haben bereits vehementen Widerstand angekündigt, die Linke wird wohl folgen. Wichtige Wirtschafts- und Fachverbände stehen dem jüngsten Entwurf, der von der SGK-S, der sozialpolitischen Kommission des Ständerats, erarbeitet wurde, ebenfalls sehr skeptisch bis ablehnend gegenüber. Echte Befürworter dieses Ansatzes sind kaum auszumachen. Extrem schlechte Voraussetzungen für ein Reformprojekt, dessen Mechanismen kaum jemand richtig verstehen wird, und das daher per se schon einen sehr schweren Stand haben wird.

Klares Nein des sgv

Auf klare Ablehnung stösst der Vorschlag der SGK-S auch beim Schweizerischen Gewerbeverband sgv. Der Kritikpunkte gibt es viele. Eigentliche No-Gos sind die massive Senkung des Koordinationsabzugs und die lohnprozentfinanzierten lebenslangen Rentenzuschläge, die im BVG eingeführt werden sollen.

Die Senkung des Koordinationsabzugs von derzeit 25 095 Franken auf bloss noch 15 Prozent des AHV-pflichtigen Lohnes würde im Niedriglohnbereich und bei Teilzeitbeschäftigten überproportional hohe Mehrkosten auslösen. Das können sich weder die Betriebe noch die Beschäftigten – die ja in der Regel auf jeden Franken ihres Einkommens angewiesen sind – leisten. Was nützen geringfügig höhere Altersrenten, wenn man aufgrund massiv höherer Lohnabzüge bereits im Erwerbs-leben zum Sozialhilfebezüger wird?

Mittels lohnprozentfinanzierten Rentenzuschlägen soll die berufliche Vorsorge in eine Art Mini-AHV umgewandelt werden. Diesen systemwidrigen Eingriff in die auf das individuelle Alterssparen ausgerichtete 2. Säule hat der sgv von Beginn an dezidiert abgelehnt. Der Nationalrat hat es aufgezeigt: Es gibt bessere, günstigere und systemkonforme Ansätze, um die Übergangs-generation korrekt abzusichern.

Beim Status quo belassen?

Es ist davon auszugehen, dass der Ständerat das Modell seiner vorberatenden Kommission ohne grosse Abstriche durchwinken wird. Danach steht eine spannende Differenzbereinigung an. Ob sich die Vorlage dort noch zum Positiven wenden lässt, ist ungewiss. Kein Wunder, dass auch im bürgerlichen Lager die Zahl derer steigt, die meinen, dass es wohl gescheiter sei, sich mit dem Status Quo zu arrangieren.

Kurt Gfeller, Vizedirektor sgv

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