Publiziert am: 17.06.2022

Ist 30 das neue 50?

Der Titel dieses Beitrags täuscht. Es geht nicht ums Alter – hier gilt ja bekanntlich: «50 ist das neue 30». Nein, es geht um die um sich greifenden Tempolimits auf unseren Strassen. Im Kanton Basel-Stadt beispielsweise verlangt ein politischer Vorstoss die flächendeckende Einführung von Tempo 30. Überall. Auch auf Hauptstrassen.

Dies ist absolut nicht zielführend. Denn es gibt zwar – ich möchte dies ausdrücklich festhalten – wenig gegen gezielte Geschwindigkeitsbeschränkungen in den Quartieren einzuwenden. Im Gegenteil. Wo Kinder spielen und man sich im Quartier begegnet, sind solche Tempolimits sinnvoll. Aber auf den Hauptstrassen ist Tempo 30 rundweg abzulehnen. Denn ein hierarchisch gegliedertes Strassennetz ist eminent wichtig. Wenn nämlich zwischen Quartier- und Hauptstrassen kein Unterschied mehr besteht, wird es nicht lange dauern, bis sich die Verkehrsströme in die Quartiere ergiessen. Fakt ist: Der Verkehr verhält sich wie Wasser: Er geht den Weg des geringsten Widerstands. Aus diesem Grund sind nur «flüssige Wege» auch kurze Wege. Und kurze Wege sind für das Gewerbe ein entscheidender Standortfaktor.

Tempo 30 auf Hauptstrassen stört den Verkehrsfluss erheblich und verlängert die Fahrzeiten deutlich. Im theoretischen Modell benötigt man für fünf Kilometer bei Tempo 50 sechs Minuten. Bei Tempo 30 dauert dieselbe Fahrt zehn Minuten. In der Realität zwingen Trödler, Abbieger oder Kreuzungen und Ampeln Autofahrerinnen und Autofahrer immer wieder zum Stoppen, was die Differenz verkleinert. Trotzdem ist die Bremswirkung von Tempo 30 immer noch erheblich, wie ein Versuch des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) zeigt: Auf einer 3,5 Kilometer langen Versuchsstrecke in der Stadt ergab sich mit Tempo 30 eine um zwei Minuten längere Fahrzeit als mit Tempo 50. Dies entspricht einem Zeitverlust von 25 Prozent.

Das Gewerbe ist von dieser Entwicklung gleich in mehrfacher Hinsicht betroffen. Erstens: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Lieferantinnen und Lieferanten sowie Handwerkerinnen und Handwerker benötigen noch mehr Zeit, um zum Betrieb oder zur Kundschaft zu gelangen. Zweitens erhöht dies die Preise, was nicht in jedem Fall einfach an die Kundschaft weitergegeben werden kann. Und drittens meidet diese aufgrund der längeren Anfahrtswege Geschäfte in den betroffenen Gebieten.

«Tempo 30 generell» ist folglich ein weiterer empfindlicher Einschnitt der Erreichbarkeit der Innenstädte mit dem MIV, nachdem Dosierstellen, Fahrspurreduktionen sowie der Parkplatzabbau mit dem damit verbundenen grösseren Suchverkehr ihren «Beitrag» bereits geleistet haben.

Übrigens: Flächendeckende Tempo-30-Zonen auch auf Hauptstrassen entsprechen keineswegs dem viel zitierten «Volkswillen». Noch nicht einmal in den rot-grün dominierten Städten. Ein Beispiel ist abermals Basel. Ende Mai haben hier die Wirtschafts- und Verkehrsverbände der Region eine repräsentative Studie des renommierten Link-Instituts zur Haltung der städtischen Bevölkerung über die Einführung von Tempo 30 auf Hauptstrassen im Kanton Basel-Stadt präsentiert. Die Ergebnisse sind glasklar: 68 Prozent der Befragten lehnen Tempo 30 auf Hauptstrassen ab. Für die Wirtschafts- und Verkehrsverbände steht fest: Tempo 30 auf Hauptstrassen schadet nicht nur dem Verkehrsfluss und der Wirtschaft, sondern widerspricht auch dem Willen des Volks.

Die Verbände in der Region Basel haben darum eine Petition gegen die Einführung von Tempo 30 auf Hauptstrassen lanciert. Diese kann von jeder Person, unabhängig von Alter, Nationalität und Wohnort, in der ganzen Schweiz unter www.tempo30-nein.ch unterzeichnet werden. Ich möchte Sie nicht nur ermutigen, diese Petition zu unterzeichnen, sondern vielmehr auch in Ihren Städten und Gemeinden entsprechend aktiv zu werden – bevor es überall heisst: 30 ist das neue 50.

* Marcel Schweizer ist Präsident des Gewerbeverbandes Basel-Stadt und Inhaber eines Gartenbau-Unternehmens.

www.tempo30-nein.ch

www.gewerbe-basel.ch

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