Publiziert am: 06.04.2018

«Jede Feuerwehr ist auch ein KMU»

WELT DER KMU – Viele kleine und mittelgrosse Betriebe – und dort vom Lehrling bis zum Patron – engagieren sich ehrenamtlich in den verschiedensten Funktionen für die Gesellschaft. Zum Beispiel in der Milizfeuerwehr. Davon profitieren schlussendlich wir alle.

Sie sind Forstwart, Gärtner, Käser oder Kauffrau. Doch wenn der Notruf kommt, werden sie zu wahren Helden des Alltags: Die Milizler in unseren Feuerwehren. Sie sind ein gutes Beispiel dafür, mit wie viel Engagement und Herzblut sich KMU in der Gesellschaft für uns einsetzen.

Roland Gfeller weiss das aus eigener Erfahrung. Er ist Kommandant der Feuerwehr Thun. Sie ist eine Milizfeuerwehr mit einem teilprofessionalisierten Kommando. Thun ist die grösste Stadt der Schweiz mit diesem System.

«Grundsätzlich lebt die Milizstruktur vom Willen jedes Einzelnen, etwas Gutes für die Gemeinschaft zu tun», sagt Major Gfeller. «Seine» Thuner Feuerwehr zählt 122 Aktivmitglieder und hatte im letzten Jahr 289 Einsätze.

Integration per Feuerwehr

Gfeller hat eine Lehre als Gärtner gemacht und kennt daher auch die Seite der Gewerbetreibenden, die entweder selber bei der Feuerwehr dabei sind oder ihre Angestellten freigeben. «Als junger Unternehmer und Zuzüger in eine Gemeinde trat ich der Feuerwehr bei, um mich in der Gemeinschaft zu integrieren», erzählt Gfeller. Die ausserordentlich gute Kameradschaft sei der Ansporn dazu gewesen, sich weiter in der Feuerwehr zu engagieren. «Meine Erfahrungen als Gewerbetreibender und Arbeitgeber sind besonders in meiner heutigen Funktion als Kommandant sehr wertvoll. Ich kann die Bedürfnisse unserer Milizangehörigen und vor allem auch der Unternehmer gut nachvollziehen.»

Das ist im Falle von Thun sehr wichtig, denn der Löschzug – er ist seit 100 Jahren das Ersteinsatzelement, welches an 365 Tagen und während 24 Stunden einsatzbereit ist – besteht zu einem grossen Teil aus Gewerbetreibenden und Unternehmern. «Diese sind ein wichtiger Pfeiler der Milizorganisation», betont Gfeller.

Dass das System der Miliz aus der Feuerwehrlandschaft Schweiz nicht mehr weg­zudenken ist, bestätigt auch Urs Bächtold: «Ohne Miliz keine Sicherheit für alle», sagt der Direktor des Schweizerischen Feuerwehrverbands SFV. Schweizweit engagieren sich rund 85 000 Angehörige der Milizfeuerwehr für ihre Mitmenschen.

«Die Miliz bringt Manpower, gepaart mit Erfahrung und Top-Know-how und ist damit unabdingbar», sagt Urs Bächtold. «Jede Feuerwehr ist gleichzeitig auch ein KMU. Wir haben schlanke Strukturen mit einem Chef – man könnte auch Patron sagen – zuvorderst.»

«Ohne Miliz keine 
Sicherheit für alle.»

Für den Thuner Kommandanten Roland Gfeller sind auch die Ortskenntnisse wichtig. Diese seien ein «nicht zu unterschätzender Vorteil».

KMU profitieren von erlernten Sozialkompetenzen…

SFV-Direktor Bächtold spricht von erfolgreicher Teamarbeit, Durchhaltewillen, von «Leuten, die anpacken», wenn er die Feuerwehrleute beschreibt. Aber auch davon, dass sie «in stressigen Momenten kühlen Kopf bewahren. Zudem qualifizieren sich viele Angehörige der Feuerwehr für die Aufgaben als Sicherheits- oder Brand­schutz­beauftragte.»

Es sei einfach in einer Bewerbung zu schreiben ‹Ich bin zuverlässig und hilfsbereit›. «Für die grosse Mehrheit unserer Leute sind das keine leeren Worte, sondern Eigenschaften, die im Dienst greifen müssen, damit wir gemäss unserem Auftrag Schutz und Hilfe bieten können», sagt Urs Bächtold. Schliesslich gehe es «in gewissen Einsätzen um Leben und Tod».

… die Feuerwehr vom Know-how

Urs Bächtold hatte den Beruf des Käsers erlernt. «Tja, meinen ursprünglich erlernten Beruf kann ich in der Feuerwehr selten anwenden…», witzelt Bächtold und fügt sogleich an: «Die Kauffrau tut sich leichter in administrativen Aufgaben als Führungsunterstützung, und den Forstarbeiter kann ich guten Gewissens damit beauftragen, Arbeiten mit der Benzinkettensäge zu erledigen.» Diese Synergien machen das Milizsystem aus.

Von der Feuerwehr als Hobby will Bächtold nichts hören. «Wer das heute so versteht, liegt falsch. Das war einmal.» Doch wie sieht es mit der Doppelbelastung Feuerwehrdienst und Arbeit aus? «Für KMU wird es zunehmend schwieriger, Arbeitnehmer freizustellen», stellt Kommandant Gfeller fest. «Der Dialog mit den KMU ist uns deshalb sehr wichtig und soll auch zukünftig gepflegt werden.» Und Bächtold stellt klar: «Arbeitsleistung geht vor Feuerwehrdienstleistung.» Es gebe aber sehr viele erfolgreiche Modelle, bei denen weder Arbeitgeber noch Arbeit­nehmer verlieren. Er appelliere an den gesunden Menschenverstand und die Eigenverantwortung, «dass alle ihre eigenen Grenzen kennen». Er fügt an: «Ich bedanke mich bei allen Arbeitgebern, welche ihre Angestellten für Feuer­wehr­tätigkeiten ziehen lassen und durch ihre gelebte Solidarität einen unschätzbaren Beitrag zu Gunsten des Milizsystems Schweiz leisten.»

Denn genau dieses Milizsystem ist keine Selbstverständlichkeit. «Sollten sich die aktuell im europäischen Raum in Gang kommenden Vorstellungen – der Feuer­wehr­dienst sei an die Wochenarbeitszeit anzurechnen – erfolgreich sein, dann gute Nacht.» Eine derartige Regelung wäre gemäss Bächtold der «Tod des Milizsystems und das Ende der flächendeckenden Sicherheitsleistungen für die Schweizer Bevölkerung».

Adrian Uhlmann

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