Publiziert am: 04.07.2014

«Jetzt schon ein Kribbeln»

MONIKA BIERI – Die Dekorationsmalerin aus Escholzmatt freut sich auf die beruflichen Heraus­forderungen an den EuroSkills in Lille. Während dreier Monate wird sie sich darauf vorbereiten.

Konzentriert und mit grosszügigen Pinselstrichen bearbeitet Monika ­Bieri eine Wand in einem Neubau in ihrem Heimatdorf Escholzmatt (LU). Ruhig und mit viel Fingerspitzengefühl trägt sie professionell die weisse Farbe auf. Die Arbeit auf der Baustelle macht der 22-Jährigen grossen Spass. «Dies ist genau der richtige Beruf für mich. Er ist sehr abwechslungsreich. Meine Arbeitsorte sind unterschiedlich, so lerne ich Land und Leute in der näheren und weiteren Umgebung kennen», erklärt ­Bieri. Besonders schätze sie es, dass sie nach getaner Arbeit, ihr Werk bestaunen können und sehe, was sie geleistet hätte. «Es ist ein tolles, befriedigendes Gefühl, durchs Dorf zu fahren und zu wissen, diese Wand habe ich gestrichen und bei diesem Neubau habe ich mitgeholfen. Meistens strahlen mich die grossflächig gestrichenen Fassaden schon von weitem an», meint die junge Frau lachend.

«Eine Herausforderung, aber auch eine schöne Abwechslung zum Berufsalltag.»

Obwohl sie auf den Baustellen oft die einzige Frau sei, sei ihr Beruf bei Weitem keine Männerdomaine mehr: «In den letzten zehn Jahren ist der Frauenanteil in der Malerbranche ziemlich gestiegen. In der Schule sind wir bereits 50 Prozent Frauen». Zum Malerberuf sei sie spontan gekommen. Beim Schnuppern hätte es ihr gleich den Ärmel reingenommen. Ihre dreijährige Lehre absolvierte sie so quasi vor der Haustüre bei der Hektor Stadelmann GmbH. Noch immer arbeitet sie gerne im fünfköpfigen Team des kleinen Betriebs in Escholzmatt. «Wir sind wie eine grosse Familie. Ich fühle mich hier wohl», so die junge Berufsfrau.

Momentan absolviert sie ihre täglichen, Arbeit ziemlich gelassen und noch nichts deutet auf die grosse Herausforderung der EuroSkills im Herbst hin. Die Vorfreude auf diese Berufs-Europameisterschaften sei gross und immer ein wenig präsent. «Ich habe ab und zu ein Kribbeln, wenn ich daran denke, aber kein Lampenfieber. Das kommt dann wahrscheinlich vor dem Wettkampf», so Bieri. Durch eine ehemalige Arbeitskollegin sei sie in diese «Szene» des Berufsnachwuchs-Wettbewerbes hineingerutscht. Für die EuroSkills qualifiziert hätte sie sich an den Schweizer Meisterschaften im thurgauischen Weinfelden. Dort hatte sie sich gegen 14 andere Kandidatinnen und Kandidaten durchgesetzt. «Ich freue mich riesig, an diesem grossen Berufsevent in Lille mitmachen zu können. Für mich ist das eine grosse Herausforderung, aber auch eine schöne Abwechslung zum Berufsalltag. Dies gibt mir auch Gelegenheit, mich in einem internationalen Umfeld mit anderen jungen Berufsleuten auszutauschen», so die junge Dekora­tionsmalerin. «Vielleicht entstehen ja sogar Freundschaften oder einmalige berufliche Chancen.» Bereits die Schweizer Meisterschaften seien schon eine wertvolle berufliche Erfahrung gewesen. Dort habe sie das Diplom als Dekorationsmalerin erhalten und die dekorativen Techniken gelernt. Mit dem Trainieren hätte sie schon begonnen. «Drei Monate vor der EM sind die Aufgaben bis auf eine bekannt.» Im Geschäft hat sich die Enntlebucherin eine Originalkoje eingerichtet, um so möglichst getreu der Prüfungssituation üben zu können. «Allerdings ist das hektische Umfeld am Wettkampf nicht mit meiner ruhigen Ecke hier im Geschäft zu vergleichen», ist sich Bieri bewusst. Dann heisse es, sich zu konzentrieren und alles andere ringsherum auszublenden.

«Ich will optimal
vorbereitet an den Start gehen.»

Eine Türe mit Profilstäben streichen, eine Wand tapezieren, Formen und Figuren auszeichnen und freihändig ausmalen, Farbabstufungen und Farbtöne mischen und harmonisch aufhellen oder abdunkeln – dies werden ihre Aufgaben am Wettkampf sein. «In einer ersten Phase geht es mir darum, möglichst genau zu arbeiten und Routine anzueignen. Später kommt denn noch der zeitliche Faktor ins Spiel», sagt Bieri. Am meisten freue sie sich auf die freie Technik, da könne sie ihre Kreativität voll ausleben.

Fachlich unterstützt wird die engagierte Berufsfrau von ihrem Experten Andreas Marbacher sowie ihrer erfahrenen Malerkollegin. Grosse Unterstützung bekommt die Bauerntocher auch von ihrer Familie und ihrem Freund. «Sie sind alle sehr stolz auf mich und werden mir auch vor Ort den Daumen fest drücken.» Für Bieri ist klar, dass sie optimal vorbereitet an den Start gehen will. Dies bedinge auch Disziplin. Deshalb müssten ihre Freunde momentan im Ausgang auf sie verzichten und auch ihr Hobby – das Musizieren auf Klarinette und Trompete – müsste vorläufig etwas in den Hintergrund treten. Wertvoll und motivierend sei auch der Austausch mit dem Team: «Hier erhalte ich auch grosse moralische Unterstützung. Wir spornen uns gegenseitig an und können auf erfahrene Experten zurückgreifen», freut sich Monika Bieri, die hofft, an der Spitze mit dabei zu sein.

Corinne Remund

EUROSKILLS 2014

Mehr Schweizer denn je dabei

Vom 2. bis 4. Oktober werden in der französischen Stadt Lille zum vierten Mal die Berufs-Europameisterschaften ausgetragen. Dabei messen sich 500 junge Berufsleute aus 25 Ländern in rund 50 Berufen. Erwartet werden rund 120 000 Besucherinnen und Besucher. Vier Frauen, je eine Dekorationsmalerin und Schönheitspflegerin sowie zwei Bekleidungsgestalterinnen; mit ihnen neun junge Männer in den Berufen Landmaschinenmechaniker, Stuckateur-Trockenbauer (2) Maurer, Coiffeur, Motorradmechaniker, Elektroninstallateur, Spengler und Bodenleger, bilden die bisher grösste Delega­tion aus der Schweiz, die je an Berufs-Europameisterschaften teilgenommen hat. Sie werden je von einer Expertin oder einem Experten begleitet und können zudem auf die Unterstützung zweier Teamleader und einer dreiköpfigen Delegationsleitung zählen. Im Grand Palais werden sie unter dem Motto «Improve your super Skills» während dreier Wettbewerbstage in 18 Arbeitsstunden in den jeweiligen Berufssparten um den Titel der Europameisterin oder des Europameisters kämpfen. Shows, Ausstellungen, Wettbewerbe, Konferenzen, Workshops und Debatten zum Thema der Berufsbildung gehören zum vielfältigen Rahmenprogramm.

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