Publiziert am: 19.09.2014

Kampf um Ansehen und Lehrlinge

BAUGEWERBE – Die seit Jahren boomende Branche sorgt sich um ihr Image und intensiviert die Nachwuchswerbung. NĂ€gel mit Köpfen möchten vorab die FachverbĂ€nde im Kanton Bern machen.

«Wir haben auf dem Bau seit Jahren Hochkonjunktur – und merken nun, dass die Dauerbelastung auch negative Erscheinungen mit sich bringt, die sich wiederum auf das Ansehen unserer Branchen in der Öffentlichkeit auswirken. Wir mĂŒssen Gegensteuer geben», sagt Alexander Leu. Der Spenglermeister aus dem bernischen Moosseedorf muss Bescheid wissen: Als KMU-Chef, langjĂ€hriger PrĂ€sident des kantonalen GebĂ€udetechnikverbandes suissetec und Berufsbildungsexperte kennt er die Situation aus erster Hand. Insbesondere habe der Produktionsdruck enorm zugenommen, dazu fehle es hĂ€ufig an FachkrĂ€ften. «Dabei ist die Arbeit wegen der neuen Technologien und Materialien noch komplexer und anspruchsvoller geworden», analysiert Leu. Das könne Auswirkungen haben, die in der Bevölkerung nicht unbemerkt blieben. «FĂŒr QualitĂ€ts- und Terminprobleme gibt es klare gesetzliche Bestimmungen und Garantien. Es gibt aber auch Bereiche, in denen Vorschriften nur begrenzte Wirkung haben», betont der GebĂ€udetechnikexperte.

Einzigartige Kooperation

Ein Sorgenkind seien die Baustellen, die nicht selten fĂŒr negative Reaktionen sorgten. FĂŒr Leu ist klar: «Da mĂŒssen die Branchen Ordnung schaffen; ohne Selbstregulierungen geht es halt nicht. Wichtig ist dabei, dass die FachverbĂ€nde die Problematik gemeinsam angehen – AlleingĂ€nge sind bloss Energie- und Geldverschwendung.»

Ideal wĂ€re eine gesamtschweizerisch konzertierte Aktion, «doch es ist sehr schwer, die Interessen so vieler VerbĂ€nde unter einen Hut zu bringen». Das bernische Baugewerbe sei hingegen – vorab durch die gemeinsamen Auftritte an der Berner Ausbildungsmesse BAM – gut vernetzt. Entsprechend sei es relativ leicht gewesen, die Interessengemeinschaft Bau & Haustechnik (IG B & H) zu grĂŒnden. Allerdings machen einige FachverbĂ€nde nicht mit, weil es ihnen an den nötigen Finanzen und/oder KapazitĂ€ten fehlt. «Aber wir sind schlagkrĂ€ftig genug, um das Projekt in Angriff zu nehmen», betont Leu, der das PrĂ€sidentenamt – eine anspruchsvolle ehrenamtliche Aufgabe – ĂŒbernommen hat.

Baustellen-Knigge

Die erste Aufgabe der IG gehört in die Kategorie «Soforthilfe»: Gemeinsam wurde ein «Verhaltenskodex fĂŒr Sitten und GebrĂ€uche auf der Baustelle» geschaffen. Die zehn Empfehlungen reichen von QualitĂ€t («wir schĂŒtzen Material und Arbeit vor SchĂ€den») ĂŒber Umgangsformen und WertschĂ€tzung bis hin zu Planung und Verantwortung, Rauchverbot in InnenrĂ€umen sowie Sicherheit und Hygiene. «Eigentlich mĂŒsste ein derartiger Baustellen-Knigge nicht nötig sein, doch leider sind nicht alle darin festgehaltenen Regeln heute selbstverstĂ€ndlich», meint Leu. KĂŒnftig werde der Kodex denn auch allen LehrvertrĂ€gen beigelegt und dem Personal vermittelt.

Bildung hat PrioritÀt

Das absolut prioritÀre TÀtigkeitsfeld der IG ist jedoch der Bildungsbereich. Dabei stehen zwei Problemkreise im Vordergrund:

n Der Nachwuchs wird aus demografischen GrĂŒnden knapp, die Zahl der SchulabgĂ€nger sinkt stark. Die Lehrlingsrekrutierung ist generell sehr schwierig geworden; das etwas angeknackste Image des Bauhandwerks ist ein zusĂ€tzliches Hindernis.

n Die ungenĂŒgende Kommunikation und das daraus resultierende Unwissen in Sachen Berufsbildung fĂŒhren zu mangelnder WertschĂ€tzung der Lehre und unkritischer Bevorzugung des gymnasialen Weges.

«Leider kennen nicht mehr alle die Regeln. Darum brauchts den baustellen-knigge.»

Alexander Leu malt kein rosiges Bild der gegenwĂ€rtigen Situation: «Erschwerend zur demografischen Entwicklung kommt, dass die Schule nicht genĂŒgend leistungsfĂ€hige AbgĂ€nger hervorbringt, die den gestiegenen Anforderungen unserer Berufslehren genĂŒgen. Viele Jugendliche haben vorab in Mathematik, Deutsch und bei den handwerklichen FĂ€higkeiten grosse Defizite.» Die Politik sei aufgerufen, fĂŒr Abhilfe zu sorgen.

Die Information ĂŒber die Berufsbildung taxiert der IG-PrĂ€sident als «hĂ€ufig oberflĂ€chlich und kontraproduktiv». Das heute vielfach akademisch geschulte Lehrpersonal kenne die Grundbildung als Einstieg in die Arbeitswelt oft nur ungenĂŒgend und empfehle deshalb vorwiegend die gymnasiale Matur, was wiederum viele Eltern aus PrestigegrĂŒnden begrĂŒssten. Nicht optimal laufe es auch bei der Berufsberatung, welche die traditionellen Handwerksberufe oft stiefmĂŒtterlich behandle.

Offensive der klaren Worte

Leu plĂ€diert mit viel Herzblut fĂŒr eine breite Offensive der klaren Worte: «Wir mĂŒssen die vielen konkreten Vorteile unserer Lehren und Berufe kommunizieren. Die Öffentlichkeit soll wissen, dass die Bauwirtschaft exzellente Lohnbedingungen und Sozialleistungen sowie praxisbezogene Weiterbildungen und entsprechende Aufstiegschancen bietet. Es muss allen bekannt sein, dass eine Berufsmatur ein Super-TĂŒröffner ist und dass ein Polier zumeist mehr verdient als ein Germanist oder ein Soziologe. Zudem ist der Einstieg in die SelbststĂ€ndigkeit im Bauhandwerk sehr leicht – wer möchte schon nicht sein eigener Herr und Meister sein?»

Entsprechend werde sich die IG B & H auf die AufklĂ€rungsarbeit konzentrieren. FĂŒr Leu ist klar: «Wenn wir in 15 Jahren noch anspruchsvolle Objekte bauen wollen, mĂŒssen wir jetzt handeln. Wir mĂŒssen der Gesellschaft aufzeigen, welche unverzichtbaren Leistungen wir erbringen. Und wir mĂŒssen dies mit Stolz tun, der sicher berechtigt ist.» Ein erster Schritt wurde bereits getan: Die IG hat diese Woche an den SwissSkills eine informative BroschĂŒre publiziert, die anhand von PortrĂ€ts neun Bauberufe vorstellt, von der Maurerin bis zum Bauschreiner.

Hannes Weidmann

Gemeinsam stark

Das ist die IG Bau & Haustechnik

Der 2012 gegrĂŒndeten Interessengemeinschaft Bau & Haustechnik (IG B & H) gehören die wichtigsten kantonalbernischen VerbĂ€nde des Bauhaupt- und Baunebengewerbes an. Vertreten sind Baumeister, Verkehrswegbauer, Zimmerleute, Schreiner, Maler∕Gipser, Polybauer (GebĂ€udehĂŒlle) sowie suissetec Kanton Bern (Spengler, SanitĂ€r- und Heizungsinstallateure, LĂŒftungsanlagenbauer und GebĂ€udetechnikplaner), Kantonal-Bernischer Verband der Elektroinstallationsfirmen KBVE und der Ingenieur- und Architektenverein SIA. PrĂ€sidiert wird das schweizweit einzigartige Gremium von Alexander Leu. Der GebĂ€udetechnikunternehmer aus Moosseedorf amtete lange Jahre als PrĂ€sident der kantonalbernischen Sektion von suissetec.

Meist Gelesen