Publiziert am: 23.04.2021

Karten werden neu gemischt

STEUERN – Die Diskussionen um eine globale Mindeststeuer für Grossunternehmen laufen auf Hochtouren. Die Frage ist nicht, ob die globale Steuereinigung zustande kommt, sondern wann. Und wie die Schweiz, die stark betroffen sein wird, damit umgeht.

Seit mehreren Jahren arbeitet die Organisation für wirtschaftliche ­Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) daran, Lösungen für die mit der wachsenden Digitalisierung der Wirtschaft einhergehenden Herausforderungen zu entwickeln. In der Tat ist bestimmten Staaten wegen der Auslagerung digitaler Aktivitäten in die steuerlich attraktivsten Volkswirtschaften Steuersubstrat verloren gegangen.

Die Diskussionen um eine globale Mindeststeuer für Grossunternehmen laufen auf Hochtouren. Der Wind dreht sich – und zwar zu Ungunsten der Staaten, die im Steuerwettbewerb führend sind. Zu diesen gehört auch die Schweiz. Gewisse grosse Länder mit hoher Staats­verschuldung schrecken nicht davor zurück, via die G20 en bloc neue Regeln für den internationalen Steuerwettbewerb zu diktieren, um Steuereinnahmen zurückzuerobern.

Neues Steuerparadigma

Die OECD möchte bis im Juni 2021 eine Einigung über die neuen Grundsätze zur Besteuerung der internationalen Grossunternehmen erzielen. Unter «internationalen Grossunternehmen» sind bis auf Weiteres international tätige Firmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro zu verstehen. Es ist davon auszugehen, dass die Mindeststeuer auch die KMU treffen könnte.

Das OECD-Arbeitsprogramm beruht auf zwei Säulen. Die Säule 1 bezweckt eine Umverteilung von den Sitzstaaten zu den Absatzmärkten, d. h. von den Staaten, welche die digitalen Aktivitäten beherbergen, zu den Staaten mit einem bedeutenden Binnenmarktpotenzial. Diese Diskussionen sind technisch, kompliziert – und politisch problematisch.

Die Schweiz mit ihrer grossen Zahl an internationalen Firmensitzen zählt potenziell zu den grossen Verlierern. Doch die Alternative, nämlich die einseitige Erhebung von Zusatzsteuern durch gewisse grosse Staaten, birgt wegen der Doppelbesteuerungsrisiken und der Zusatzbürokratie noch grösseres Schadenspotenzial.

Die Säule 2 der OECD-Diskussionen betrifft die erwähnte Mindeststeuer für Grossunternehmen. Die diesbezüglichen Diskussionen sind weiter vorangeschritten und die Schwergewichte der Weltwirtschaft dürften sich hier rascher zu einer politischen Einigung durchringen. Wie hoch der Schaden für die Schweiz ausfällt, wird vor allem von der Höhe des globalen Mindeststeuersatzes abhängen.

Zugunsten Asiens und Amerikas

In der Schweiz beträgt die ordentliche Gewinnsteuerbelastung je nach Kanton zwischen 11,5 und 21 Prozent. In den meisten Kantonen liegt sie unter 16 Prozent. Hätten die einzelnen Länder einen globalen Mindeststeuersatz für Unternehmen von rund 12 Prozent zu beachten, wäre der Anpassungsdruck in der Schweiz wohl nicht allzu gross.

Die negativen Auswirkungen der Pandemie auf die öffentlichen Finanzen und der Regierungswechsel in den USA legen indessen nahe, dass mit einem spürbar höheren Mindeststeuersatz von 15 bis 20 Prozent gerechnet werden muss. Dieser neue Protektionismus und die Übereinkommen zwischen verschiedenen grossen Staaten mit hohem Binnenmarktpotenzial werden auf Kosten von kleinen und mittelgrossen Ländern mit einer eher innovationsfördernden Politik gehen. Die grossen Verlierer wären also Irland, Singapur, die Niederlande, Luxemburg – und nicht zuletzt auch die Schweiz mit ihrer relativ hohen Zahl an internationalen Firmensitzen. Das Mindeststeuer-Projekt schafft die Grundlage für eine Steuerumverteilung in Richtung Asien sowie Nord- und Südamerika. Dies wird zwangsläufig zulasten der Schweiz gehen.

Kann sich die Schweiz noch gegen dieses Monster wehren?

Es wird schwierig sein, einer derartigen Machtdemonstration etwas entgegenzusetzen. Von der Mindestbesteuerung direkt betroffen wären voraussichtlich mehrere hundert Firmen mit Hauptsitz in der Schweiz sowie eine weit höhere Zahl von schweizerischen Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne. Aufgrund des dichten unternehmerischen Ökosystems würden zahlreiche KMU indirekt in Mitleidenschaft gezogen (Auswirkungen auf die Arbeitsstellen und die Preise).

Die Frage ist nicht, ob die globale Steuereinigung zustande kommt, sondern wann. Mit anderen Worten: Die Schweiz muss einen Weg finden, um mit dem neuen Paradigma zurechtzukommen, etwa indem sie Ausgleichslösungen für die Unternehmen findet (Entlastungen bei anderen Steuern), Innovationen fördert und ihre Standortvorteile für internationale Unternehmen ausbaut (Zugang zu qualifiziertem ­Personal, liberaler Arbeitsmarkt, innovationsfreundliches Umfeld, politische Stabilität und hohe Lebensqualität).

Alexa Krattinger,

Ressortleiterin sgv

KANTON AARGAU

Ab 2022 tiefere Unternehmenssteuern

Während die Grossen den Rachen nicht voll genug bekommen (vgl. Hauptartikel), kommen kleinere Einheiten wie der Kanton Aargau den Unternehmen entgegen. Der Aargauer Regierungsrat will die Gewinnsteuern von ertragsstarken Unternehmen ab 2022 in drei Etappen reduzieren. Damit erfüllt er ein grosses Anliegen der Aargauer Wirtschaft. Die Gemeinden sollen über einen Zeitraum von vier Jahren durch den Kanton teilweise für ihre Steuerausfälle entschädigt werden. Auch für die natürlichen Personen ist eine Entlastung vorgesehen, indem der Pauschalabzug für Versicherungsprämien und Sparkapitalzinsen deutlich erhöht werden soll.

«Auch wenn der Aargau bereits heute über verschiedene Steuer- und Standortvorteile verfügt, ist eine Entlastung des Höchstsatzes aus Gründen des Standortwettbewerbs angezeigt», sagt Finanzdirektor Markus Dieth. «Der Wirtschaftsstandort Aargau mit seinen rund 25 000 Unternehmen soll gerade in der heutigen schwierigen Zeit weiter gestärkt werden.»En

VERRECHNUNGSSTEUERJa zu Stärkung der Liquidität

Reform ohne Ehrgeiz

Die bundesrätliche Botschaft zur Reform der Verrechnungssteuer zeichnet sich durch einen beträchtlichen Mangel an Ehrgeiz aus. Einzig eine Senkung der Verrechnungssteuer auf Dividenden würde den Wirtschaftsstandort Schweiz wirklich stärken.

Es hat bereits mehrere erfolglose Versuche gegeben, die Verrechnungssteuer zu reformieren. Nun versucht der Bundesrat erneut, den Schweizer Kapitalmarkt zu stärken. Aus Sicht des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv mangelt es dem Projekt jedoch an Ehrgeiz. «Die Schweiz hat heute einen ­erheblichen komparativen Nachteil, wenn es um die Verrechnungssteuer geht», sagt sgv-Präsident und Nationalrat Fabio Regazzi. «Es ist daher höchste Zeit, das System zu vereinfachen und attraktiver zu gestalten.» Die Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Schweizer Zinserträge wird die Emission von Anleihen aus der Schweiz fördern. Um den Wirtschaftsstandort Schweiz weiter zu stärken, setzt sich der sgv für eine Senkung der Verrechnungssteuer auf Dividenden auf 15 Prozent ein. Diese Änderung würde die Position der Schweiz im internationalen Steuerwettbewerb wirklich verbessern.

Ja zu Stärkung der Liquidität

Der parallele Vernehmlassungsentwurf, der das Verrechnungssteuererklärungsverfahren für Dividenden, die innerhalb einer Unternehmensgruppe ausgeschüttet werden, erweitert, entspricht hingegen den Erwartungen des sgv. «Diese Änderung würde den Inhabern grosser Beteiligungen Liquiditätsvorteile verschaffen und insbesondere die wirtschaftlichen Ressourcen von Familienunternehmen entlasten», sagt sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler.

www.sgv-usam.ch

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