Widerstand auch in den Regionen
Integration – Die Kritik des Gewerbeverbands an der von Bundesrätin Simonetta Sommaruga lancierten, völlig deplazierten Ausbildungs-Schnellbleiche für Flüchtlinge zieht weitere Kreise.
CARMEN WALKER SPÄH – Die Volkswirtschaftsdirektorin des Kantons Zürich kann nachvollziehen, dass der Begriff «Flüchtlingslehre» (vgl. sgz vom 4. März) zu Missverständnissen führt. Sie fordert, dass der Aspekt der Arbeitsintegration klar zum Ausdruck kommt.
Schweizerische Gewerbezeitung: Bundesrätin Sommaruga wirft «der Wirtschaft» vor, die Integration von Flüchtlingen in die Arbeitswelt komme nur «schleppend» voran. Wird hier tatsächlich zu wenig getan?
n Carmen Walker Späh: Die Integration von vorläufig aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt erfordert beträchtliche Anstrengungen. Dieser Effort ist zunächst von den Flüchtlingen selber und den zuständigen staatlichen Institutionen zu leisten. Sie müssen eine hiesige Sprache lernen sowie mit den bei uns geltenden Gepflogenheiten und unserer Kultur vertraut werden. Beides gilt es zu verinnerlichen. Ausserdem sollen die Flüchtlinge Arbeitspraxis sowie Arbeitsmarktfähigkeit erwerben.
«BEI HILFSKRÄFTEN BESTEHT KEIN MANGEL AN STELLENSUCHENDEN.»
Doch selbst dann können Flüchtlinge oftmals bloss als Hilfskräfte eingesetzt werden. Bei Hilfskräften haben wir aber keinen Mangel an Stellensuchenden. Die beklagte «schleppende» Arbeitsintegration zeigt deshalb eher die verhaltene Nachfrage des Arbeitsmarktes nach Hilfskräften, insbesondere nach Hilfskräften mit begrenzten hiesigen Sprachkenntnissen auf.
Das Staatssekretariat für Migration hat ein «Pilotprogramm zur Flüchtlingslehre» lanciert. Was halten Sie von diesem Ansatz?
n Dabei werden Flüchtlinge auf das Absolvieren einer Attestlehre (Abschluss mit eidgenössischem Berufsattest, EBA) oder einer Berufslehre (Abschluss mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis, EFZ) vorbereitet.
«DAS ERFOLGSMODELL ‹LEHRE› IST TIEF VERANKERT – UND DAS ZU RECHT.»
Grundsätzlich begrüsse ich jegliche Form von Bemühungen um Arbeitsmarktintegration. Allerdings muss zwingend vorab das Potenzial sorgfältig abgeklärt werden, damit nur Personen, welche in der Lage und motiviert sind, eine Berufslehre zu absolvieren, die Integrationsvorlehre durchlaufen. Die Integrationsvorlehre soll denn auch nur und ausschliesslich in Verbindung mit einer anschliessenden Attest- oder Berufslehre (EBA oder EFZ) angeboten werden. Ein Direkteinstieg in den Arbeitsmarkt darf nicht anvisiert werden, da damit das eigentliche Ziel der nachhaltigen Arbeitsmarktintegration verfehlt würde.
Schliesslich weise ich darauf hin, dass dieses Projekt nur eine kleine Gruppe von Flüchtlingen erreicht. Der Bund rechnet mit etwa 1000 Personen pro Jahr.
Der Schweizerische Gewerbeverband sgv kritisiert, schon nur der Begriff «Flüchtlingslehre» sei völlig verfehlt. Was löst das Wort bei Ihnen aus?
n Ihr Verband setzt sich seit langem für eine starke Berufslehre ein. Die «Lehre» ist ja bei uns in der Schweiz zu Recht tief verankert und erwiesenermassen ein Erfolgsmodell. Daher kann ich nachvollziehen, dass der Begriff der «Flüchtlingslehre» zu Missverständnissen führen kann. Besser fände ich es, wenn der Integrationsaspekt klar zum Ausdruck käme.
Fachleute befürchten, Berufsbildung und Berufslehre würden abgewertet, wenn wegen der zunehmenden Migration neue Spezialgefässe erfunden werden. Teilen Sie diesen Eindruck?
n Wenn der Zweck der Vorlehre mit einem zwingenden Anschluss an einen EBA oder EFZ erreicht wird, sollte diese «Abwertung» nicht stattfinden.
Wie können Flüchtlinge möglichst rasch aus der Sozialhilfeabhängigkeit geführt werden?
n Durch eine möglichst schnelle kulturelle und sprachliche Integration. Darüber hinaus müssen sie mit der hiesigen Arbeitswelt vertraut sein. Hilfreich ist auch, wenn die Flüchtlinge schnell lokale Netzwerke knüpfen können.
Hilfsjobs sind begehrt: Nicht nur bei Asylbewerbern, sondern auch bei IV-Rentnern, Sozialhilfebezügern oder Studenten. Kommt es hier zu einem Verdrängungskampf?
n Hilfskräfte aus unserem Kulturraum mit Erfahrung in unserem Arbeitsmarkt und Sprachkenntnissen einer hiesigen Landessprache haben kaum eine Verdrängung zu befürchten. Sie haben zu viele Stärken und Vorteile gegenüber den Flüchtlingen. Bei Hilfskräften mit geringen Deutschkenntnissen und erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen ist eine Verdrängung nicht ausgeschlossen.
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