Publiziert am: 21.03.2014

Kein Kampf der Branchen

ZUKUNFT DER ZUWANDERUNG – Wirtschaftsverträglich und unbürokratisch: So muss die Masseneinwanderungsinitiative nach Ansicht des sgv umgesetzt werden.

Der Staub vom 9. Februar hat sich etwas gelegt; nun geht es an die Umsetzung. Die Steuerung der Zuwanderung soll auf die «gesamtwirtschaftlichen Interessen» Rücksicht nehmen, fordert die Masseneinwanderungsinitiative. Doch was bedeutet dies konkret? In enger Absprache mit seinen Mitgliedern aus den Branchenverbänden hat der Schweizerische Gewerbeverband sgv eine erste Positionierung erarbeitet.

Wirtschaftlich verträglich

«Wir fordern eine wirtschaftsverträgliche Umsetzung der Initiative ohne zusätzliche Bürokratie», fasst sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler den Standpunkt der Gewerbewirtschaft zusammen. Der freie Marktzugang zu Europa und die bilateralen Verträge dürften nicht gefährdet werden. Vor allem aber gelte es, ein gegenseitiges Ausspielen der Branchen und ihren Bedürfnissen nach Fachkräften zu verhindern. So dürften insbesondere Branchen mit tieferer Wertschöpfung – etwa das Gastgewerbe, die Landwirtschaft oder der Tourismus – gegenüber solchen mit höherer Wertschöpfung nicht benachteiligt werden. Eine Rückkehr zum einstigen Saisonnier-Statut sei für wichtige Branchen wie Bau und Gastronomie absolut unerwünscht.

Definiere «Fachkraft»

Zur Höhe der künftigen Kontingente nimmt der sgv nicht Stellung; der grösste Dachverband der Schweizer Wirtschaft fordert jedoch, dass statt Branchenkontingenten Grössenordnungen für einzelne Bewilligungs­typen festgelegt werden. Dabei seien Kurzaufenthaltsbewilligungen (L) für weniger Qualifizierte, Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen (Typ B und C) primär an Fachkräfte zu vergeben. Wer nur bis zu drei Monate in die Schweiz komme, müsse von den Kontingenten ausgenommen werden. Diese Arbeitnehmenden, so Bigler, seien nur eine beschränkte Zeit im Land, vielfach im Temporärbereich. «Deshalb kann man hier nicht von Zuwanderung sprechen.» Zudem entstünde bei einer Kontingentierung dieser Sparte viel zu viel Bürokratie. Stattdessen brauche es in diesem Bereich vermehrte Kontrollen auf Schwarzarbeit und Lohndumping.

Der sgv spricht sich zudem für eine Definition des Begriffs «Fachkraft» aus. «Aus gewerblicher Sicht», so Bigler, «ist ‹Fachkraft› nicht gleichbedeutend mit einem möglichst hohen theoretischen Bildungsniveau.» Branchenspezifisch geschulte Fachkräfte seien für die Wirtschaft mindestens ebenso wichtig wie Uni-Abgänger.

Kantone regeln Grenzgänger

Auch Grenzgänger fallen gemäss Volksinitiative unter die Kontingente. Hier schlägt der sgv vor, dass auf Bundesebene ein Gesamtkontingent festgelegt, dessen Bewirtschaftung aber an die Kantone delegiert wird. Grenzgänger und Schweizer Arbeitnehmer sollen in Sachen Sozialversicherung gleich behandelt, das heisst die bisherige Privilegierung der Grenzgänger abgeschafft werden.

Neu soll der Familiennachzug erst ab einer Aufenthaltsdauer von einem Jahr möglich sein. Bei Inhabern von B- und C-Bewilligungen soll er sich auf Ehepartner und Kinder beschränken, der Nachzug ganzer Familienclans wäre damit nicht mehr möglich.

Und schliesslich muss laut sgv in
alle Modellüberlegungen eine bestimmte Anzahl Asylsuchender miteinbezogen werden. Dabei sollen jene, wie wirklich an Leib und Leben gefährdet sind bzw. verfolgt werden, vom humanitären Schutz der Schweiz profitieren. «Reine Wirtschaftsflüchtlinge» würden nicht mehr aufgenommen. En

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