Publiziert am: 19.11.2021

Keine Abzocke an den Fuhrhaltern

LSVA – Der Schweizerische Gewerbeverband sgv und sein Mitglied, der Schweizerische Nutzfahrzeugverband ASTAG, fordern, dass der Systemwechsel bei der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe kostenneutral gestaltet wird. Andernfalls sei die Flexibilität gefährdet, und es drohten «exorbitante Kostensteigerungen».

Die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) ist eine vom Gesamtgewicht, der Emissionsstufe sowie den gefahrenen Kilometern in der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein abhängige gesamtschweizerische Abgabe. Sie muss für alle Motorfahrzeuge und deren Anhänger entrichtet werden, die ein zulässiges Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen aufweisen, dem Gütertransport dienen, im In- und Ausland immatrikuliert sind und das öffentliche Strassennetz der Schweiz befahren. Sie ist seit 2001 in Kraft und strebt eine Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs auf die Schiene an.

Erfassungsgerät am Lebensende

Das aktuelle Erfassungsgerät für die LSVA und die strassenseitige LSVA-Infrastruktur erreichen Ende 2024 das Ende ihrer Lebensdauer. Die Wartungsverträge laufen aus, und Systemkomponenten müssen ersetzt werden. Jetzt soll das gesamte LSVA-Erhebungssystem technisch modernisiert und an den europäischen elektronischen Mautdienst (EETS) angeglichen werden.

Was auf den ersten Blick harmlos und nachvollziehbar klingt, weist bei näherem Hinschauen Tücken auf. So befürchtet der Fachverband ASTAG, dass die erfolgreichen Anstrengungen seiner rund 4200 Mitglieder zunichtegemacht werden könnten. In den vergangenen Jahren haben die Fuhrhalter ihre Lastwagenflotte aus betrieblichen und umweltpolitischen Gründen stark modernisiert. Die Branche unternimmt viel, um die Schadstoffemissionen zu reduzieren. Trotzdem haben in der Vergangenheit Änderungen der gesetzlichen Vorgaben immer wieder zu Tariferhöhungen in der LSVA geführt. Dies ist umso bedeutender, als diese ein entscheidender Kostenfaktor im Strassengütertransport ist.

Kontroverser Systemwechsel

Der vom Bundesrat vorgeschlagene Systemwechsel hätte zwar den Vorteil, dass Transportunternehmen administrativ entlastet würden, indem sie einerseits mit Hilfe eines EETS-Anbieters die Abgabe auch in den europäischen Staaten abwickeln könnten und andererseits indem Prozesse durch Digitalisierung und Automatisierung vereinfacht würden. Zudem würde der Bund von der kostspieligen Entwicklung und Herausgabe eines Erfassungsgerätes entbunden.

Weil auf dem freien Markt offenbar keine erfassungsgenauen Geräte vorhanden sind, wird anstelle der genauen Gewichtserfassung nur noch die Anzahl der Anhängerachsen zum Bewertungsmassstab genommen – mit der Folge ungenauer LSVA-Abgabebeträge im Vergleich zu heute. Doch dieser Systemwechsel, so befürchten die ASTAG und der Schweizerische Gewerbeverband sgv, hätte gravierende Auswirkungen auf das Transportgewerbe und würde die individuellen ­Optimierungen der Fuhrparks entwerten.

Ein grundlegender Systemwechsel «würde insbesondere auch die Flexibilität der Transportunternehmen hinsichtlich der Kombinationsmöglichkeiten von Zugfahrzeugen und Anhängern in schwerwiegender Weise tangieren», halten ASTAG-Präsident und FDP-Nationalrat Thierry Burkart sowie ASTAG-Direktor Reto Jaussi in ihrer Stellungnahme zuhanden des Finanzdepartements fest. Anhand von Beispielen rechnet die ASTAG vor, dass die geschuldeten Beiträge nach dem neuen Abgabesystem um bis zu 40 Prozent erhöht würden – eine «exorbitante Kostensteigerung».

Kostenneutrale Umstellungen

Der sgv seinerseits fordert, dass jegliche technische Umstellung für die Abgabenpflichtigen kostenneutral erfolgt. Mehrbelastungen der Fahrzeughalter und Mehreinnahmen durch den Bund lehnt der sgv ab. Abgelehnt wird insbesondere der beantragte Wechsel von einer kilogrammgenauen Erfassung der Anhänger zu einer pauschalisierten Erfassung, gemäss der sich das massgebende Gewicht aus der Anzahl Achsen multipliziert mit dem Faktor XY (Kilogramm) berechnen würde.

Kompensation bei Systemwechsel

Hält der Bund trotz diesen Einwänden von sgv und ASTAG am Systemwechsel fest, so müssen die Nachteile der Fuhrhalter kompensiert werden. Dabei steht die Bemessungsgrundlage für Anhänger im Fokus, wonach sich das massgebende Gewicht bei Anhängern aus der Anzahl Achsen multipliziert mit 9000 kg berechnen soll.

Der Fachverband ASTAG – Mitglied beim Schweizerischen Gewerbeverband sgv – hat diesen Berechnungsprozess in der Projektphase eng begleitet und immer wieder darauf hingewiesen, dass der Multiplikator von 9000 kg pro Achse zu hoch angesetzt sei. Die ASTAG fordert für den Fall, dass der Bund am Systemwechsel festhält, einen Multiplikator von 7000 kg pro Anhängerachse. «Nur so lassen sich ungerechtfertigte, weil allein durch den technischen Systemwechsel bedingte Mehrbelastungen der Fahrzeughalter verhindern», so der Verband in seiner Vernehmlassungsantwort.

Auch der sgv fordert aus diesem Grund, für die Berechnung des massgebenden Anhängergewichts einen Multiplikator von 7000 kg pro Anhängerachse einzusetzen.

Angesichts der Tatsache, dass Fahrzeughalter heute schon Abgaben in der Gesamthöhe von rund 1,6 Milliarden Franken leisten, fordert die ASTAG zudem, dass der Bund das technische Equipment für die Erfassung der LSVA weiterhin kostenlos zur Verfügung stellen müsse.

Dieter Kläy, Ressortleiter sgv

www.sgv-usam.ch

www.astag.ch

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