Publiziert am: 24.11.2017

Keine staatliche Bevormundung

SCHWEIZER WEINHANDEL – Die Schweizer Weine haben sich gut positioniert. Die Branche setzt sich für eine massvolle Präventionspolitik ein und kämpft gegen neue Regulierungen.

Der Schweizer Weinhandel wird einerseits geprägt von Schweizer Weinen, die sich in den letzten Jahren stetig verbessert haben und konkurrenzfähiger geworden sind, und andererseits von importierten Weinen, die aus den Herkunftsländern Italien, Frankreich und Spanien stammen. «In der Schweiz wurden in den letzten drei Jahren durchschnittlich rund 95 Millionen Liter Wein produziert. Dies macht einen Anteil von rund 34 Prozent des gesamten Schweizer Weinmarkts aus», erklärt Bruno Bonfanti, Präsident der Vereinigung Schweizer Weinhandel (VSW). In den letzten drei Jahren wurden durchschnittlich rund 187 Millionen Liter Wein hauptsächlich aus Italien, Frankreich und Spanien in die Schweiz importiert. Gemäss der Statistik der Eidgenössischen Alkoholverwaltung lag der Weinkonsum 2016 bei 33,8 Litern pro Person. «Die Tendenz ist aber seit 20 Jahren sinkend», weiss Bonfanti. Er führt dies zurück auf gesundheitliche Gründe, die 0,5-Promille-Grenze im Strassenverkehr, den Generationenwechsel sowie einen steigenden Ausländeranteil mit weniger bis gar 
keiner Affinität zum Wein. Der 
Weinmarkt befinde sich in einem 
grundsätzlichen Umbruch. «Unbestrittenermassen hat der Einkaufstourismus auch einen Einfluss auf den Schweizer Weinhandel», konkretisiert Bonfanti.

«In der Schweiz wurden in den letzten drei Jahren durchschnittlich rund 
95 Millionen Liter Wein produziert.»

Das diesjährige Weinjahr ist mittelmässig ausgefallen. Frostnächte in zahlreichen Weingebieten im Frühjahr führten zu einer quantitativ kleinen Ernte. «Die Qualität des Traubenguts jedoch ist sehr gut», freut sich Bonfanti.

Massvolle Präventionspolitik

Einen wichtigen Stellenwert im Verband hat die Präventionspolitik: Wein ist gemäss Bonfanti ein alkoholhaltiges Getränk und nicht Alkohol an sich. Diese ehrliche Unterscheidung zu machen, sei denn auch entscheidend. Denn Wein ist ein Produkt mit einer unglaublichen Aromenvielfalt, die oft mit jedem Schluck eine neue Entdeckung bedeutet. Wein verwöhnt den Gaumen, weckt die sensoriellen Sinne und wird zu einem Erlebnis, wenn es von Speisen begleitet wird. «Diese Botschaft wollen wir in die Öffentlichkeit tragen, unter anderem mit dem Programm Wine in Moderation. Damit leisten wir 
einen Beitrag zur Prävention und Schutz vor Alkoholismus», so Bonfanti. Mit Wine in Moderation verfügt die Weinbranche europaweit über ein Instrument, das Wein als Kulturgut in Erinnerung ruft und sich für einen verantwortungsbewussten und moderaten Weingenuss einsetzt. In der Schweiz herrsche jedoch kein alkoholpolitischer Notstand. Dazu der engagierte Präsident und Weinkenner: «Wir sind gegen staatliche Bevormundung, Markteingriffe, Konsumeinschränkungen oder gar Verbote. Massnahmen gegen Alkoholismus müssen gezielt und verhältnismässig sein, ohne die 90 bis 95 Prozent der Bevölkerung zu treffen, die wissen, wie mit alkoholhaltigen Produkten umzugehen ist.» Dazu engagiert sich der Verband in der Allianz der Wirtschaft für eine massvolle Präventionspolitik (AWMP).

Einen zentralen Stellenwert im Verband hat auch die Aus- und Weiterbildung. Die VSW vertritt das Berufsbild des Weintechnologen in Zusammenarbeit mit der Berufsbildungs­organisation der Berufe der Landwirtschaft und der Spezialkulturen OdA AgriAliForm. «Dazu führen wir die nationale Berufsbildungskommission Weintechnologen», sagt Bonfanti. Auch die Weinbranche muss sich mit der Digitalisierung auseinandersetzen. «Die Digitalisierung dient vor allem dazu, in den Betrieben Kostenersparnisse zu erzielen und neue Vermarktungskanäle zu 
aktivieren», so Bonfanti.

Regulierungseifer sofort stoppen

Auf politischer Ebene setzt sich die VSW nebst einer massvollen Präventionspolitik für wirtschaftliche, rechtliche und gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen ein, welche eine nachhaltige und verantwortungsvolle Entwicklung des Weinmarktes in der Schweiz unterstützen. «Wir wünschen uns freie Märkte im In- und Ausland, die die Bedürfnisse der Konsumenten in den Vordergrund setzen und frei sind von unverhältnismässigen Regulierungen oder marktverzerrenden Einflüssen», sagt Bonfanti. Er erachtet als grösste Herausforderung für die Branche die neuen staatlichen Regulierungen. «Wir beobachten in den vergangenen Jahren einen Regulierungseifer unserer Verwaltungsstellen, der unsere Branche meist vor vollendete Tatsachen stellt. Marktrelevante Grundsatzentscheidungen werden ohne Kenntnisse der Markt- und Branchenbedürfnisse gefällt», ärgert sich Bonfanti. «Unter Kooperation, wie sie von der Verwaltung immer wieder unterstrichen wird, verstehen wir ein gemeinsames inhaltliches Vorgehen ohne vorgefasste Entscheidungen», bringt er es auf den Punkt.

«Wir sind gegen staatliche Bevor­mundung, Markt­eingriffe, Konsum­einschränkungen oder gar Verbote.»

Das Zukunftspotenzial der Branche ist alles andere als ausgeschöpft. «Das Qualitätsbewusstsein der Konsumenten und damit die Bereitschaft, dafür auch etwas mehr zu bezahlen, hat noch einiges Marktpotenzial», ist Bonfanti überzeugt. Aus seiner Sicht haben auch die Schweizer Weine mit ihrer Vielfalt und steigenden Qualität eine gute Zukunft.

Corinne Remund

DER VSW KURZ ERKLÄRT

Gut vernetzt

Die Vereinigung Schweizer Weinhandel (VSW) wurde 1997 gegründet. Sie ist die Nachfolgeorganisation des Schweizerischen Weinhändlerverbandes und der UNIVIN. In erster Linie vertritt der Verband die Berufsinteressen seiner Mitglieder in den Kerngebieten der Weinbranche und des Weinhandels. Dazu gehören freier Markt und Aussenhandelspolitik, Fiskal- und Finanzpolitik, Landwirtschafts- und Lebensmittelpolitik, öffentliches Gesundheitswesen und Präventivpolitik. Oberstes Ziel ist es, optimale Rahmenbedingungen für die Branche und deren Kunden zu schaffen. Zu den Dienstleistungen des engagierten Verbandes gehö­ren auch das Erstellen von Statistiken, Rechtsauskünfte, Fachinformationen aus dem In- und Ausland sowie Angebote für Sozialversicherungen. Die VSW ist Mitglied der Branchenlösung Arbeitssicherheit Wine Spirit Drink und eröffnet den Mitgliedern den Zugang zu einer einfach verständlichen, umsetzbaren und kostengünstigen Lösung. Zudem bietet die VSW auch Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten an. Der Verband pflegt auch den Austausch mit anderen Verbänden und Organisationen und ist national und international bestens vernetzt.

Umsatz von rund sieben 
Milliarden Franken

Zu den Mitgliedern zählen sowohl reine Weinhändler als auch grosse Winzergenossenschaften, Kellereien und Importeure. Viele Mitglieder sind sowohl in der Herstellung von Schweizer Weinen als auch im Import und im Handel tätig. Der gemeinsame Nenner, und damit die gemeinsame Arbeitsperspektive, ist der Schweizer Weinmarkt.

Schweizweit umfasst die VSW 184 Einzelmitglieder sowie 3 Kollektivmitglieder mit 100 Einzelmitgliedern. Diese zusammen repräsentieren rund 80 Prozent des in der Schweiz gehandelten Weins. In der Branche arbeiten rund 27 000 Beschäftige, davon etwa 15 000 im Weinhandel, 10 000 als Winzer und 1500 in Kellereien. Die gesamte Branche generiert jährlich einen Umsatz von rund sieben Milliarden Franken. CR

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