Publiziert am: 29.04.2022

Keine Waffen in die Ukraine

In den letzten Jahrzehnten haben die Linken mit allen möglichen Volksinitiativen und parlamentarischen Vorstössen versucht, die Schweizer Rüstungsausfuhren zu beschränken. Wir Bürgerlichen haben all dies bekämpft in der gut begründeten Meinung, es gehe hier um einen wichtigen Wirtschaftszweig mit wertvollen Arbeitsplätzen. Vor allem aber könne die heimische Rüstungsindustrie ohne Exporte nicht existieren und so im Ernstfall auch nicht unserer Verteidigungsarmee zur Verfügung stehen.

Wohlverstanden: Die Schweiz exportiert Rüstungsgüter weder in Kriegs- noch in Krisengebiete. Noch im letzten Herbst hat das Parlament gegen den Widerstand von SVP und FDP die Rüstungsausfuhren zusätzlich eingeschränkt. Die Linke setzte sich durch und verschärfte die Bestimmungen. Zünglein an der Waage spielte die Mitte-Partei, wobei ein Fraktionsmitglied zur Gesetzesvorlage wörtlich ausführte: «Es wäre zum Beispiel möglich, dass aufgrund der Version der nationalrätlichen Sicherheitskommission Kriegsmaterialexporte in die Türkei oder in die Ukraine zugelassen würden.» Die Exportbestimmungen für Rüstungsgüter wurden in der Folge verschärft, unter anderem wegen der Stimme des Mitte-Präsidenten Gerhard Pfister. Schwarz auf weiss entschied das Parlament, dass die Schweiz kein Kriegsmaterial in Länder liefern darf, die «in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt» sind.

Doch dieser Tage hat der immer flexible, geländegängige Pfister seine Meinung um 180 Grad geändert. Lautstark kritisierte er auf Twitter den Entscheid des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) im Departement von Guy Parmelin, eine Ausfuhr von Geschossen aus Zürich Oerlikon nicht zu bewilligen. Diese 35-Millimeter-Flugabwehr-munition wäre offenbar auf den Flugabwehrpanzern «Gepard» der deutschen Firma Rheinmetall im Ukraine-Krieg zum Einsatz gekommen. Plötzlich bezichtigt jetzt Gerhard Pfister den Bundesrat der «unterlassenen Hilfe», gehe es doch um das schweizerische «Landesinteresse» und um die Verteidigung der «europäischen Demokratie».

Deutschland musste beim Kauf von Fliegerabwehrmunition rechtsverbindlich darauf verzichten, ohne ausdrückliche Bewilligung die Schweizer Geschosse an Dritte weiterzugeben. Das Seco hat im März den Einsatz dieser Munition nach vollkommen wasserdichten neutralitätspolitischen Grundsätzen, vor allem aber gemäss Geist und Buchstabe unseres strengen, durch Pfister selber verschärften Kriegsmaterialgesetzes verboten. Dies war die rechtlich und staatspolitisch einzig mögliche Entscheidung. Daran ändert auch die Kritik nicht das Mindeste, die deswegen aus Deutschland der Schweiz entgegenbrandet. Noch herrscht bei uns der Rechtsstaat, nicht die Willkür.

Das noch immer geltende Neutralitätsrecht gemässHaager Abkommen vom 18. Oktober 1907 verlangt von der Schweiz, alle Kriegsparteien im Hinblick auf den Export von Rüstungsgütern gleich zu behandeln. Hätte das Staatssekretariat für Wirtschaft entschieden, die Flugabwehrkanonen aus Zürich Oerlikon zum Einsatz im Ukraine-Krieg zu bewilligen, hätte sie nach internationalem Völkerrecht auch Putins Russland mit Waffen im gleichen Umfang beliefern müssen. Diese Bestimmung bildete übrigens auch den Grund, warum der Waffenindustrielle Emil Bührle vom Bundesrat 1940 gezwungen wurde, seine Rüstungsgüter nicht nur an die Alliierten, sondern auch an Nazi-Deutschland zu liefern.

Was lehrt uns all das? Die Schweiz muss unbedingt an ihrer immerwährenden bewaffneten Neutralität festhalten. Ohne glaubwürdige Landesverteidigung inklusive Abschirmung unseres Luftraums mit modernen Kampfjets gibt es keine echte Neutralität. Waffenlieferungen an Kriegführende wären verheerend. Politiker, die jetzt – aufgepeitscht von ihren Emotionen – eine Annäherung oder gar einen Beitritt in die Nato fordern, dürfen sich nicht durchsetzen. Denn sie denken zu kurz. Die Konsequenzen wären die Verteidigung der Schweiz am Hindukusch und die Rückkehr unserer Soldaten in Leichensäcken.

*Der Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel ist Chefredaktor und Verleger des Wochenmagazins «Die Weltwoche».

www.weltwoche.ch

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