Publiziert am: 07.02.2020

«Keine weiteren Vorschriften»

JÜRG MARTI – «Gerade in Zeiten mit tiefen Zinsen oder sogar Negativzinsen sind ein haushälterischer Umgang mit den Bundesfinanzen und eine tiefe Staatsquote wichtig», sagt der Direktor des Branchenverbands Swissmechanic.

Schweizerische Gewerbezeitung: Vor fünf Jahren hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Mindestkurs des Schweizer Frankens von 1.20 gegenüber dem Euro aufgehoben. Mit welchen Folgen für die Mitglieder der Metall-, Elektro- und Maschinenbranche?

Jürg Marti: Die Folgen waren massiv und der Schock entsprechend gross. Man muss sich das einmal vorstellen: Vor dem Entscheid der SNB hatten Industrie und Gewerbe in der Schweiz eine klare Grundlage, auf welchen Offerten kalkuliert und Verträge abgeschlossen werden konnten. Durch die Aufhebung des Mindestkurses wurde diese Grundlage und mit ihr die Planungssicherheit mit einem Schlag entzogen. Die Margen brachen weg und der Werkplatz Schweiz war in seiner Existenz bedroht. Nicht nur die MEM-­Branche sah sich vor enorme Herausforderungen gestellt.

«Der bilaterale Weg ist eine Erfolgsgeschichte. Es liegt im Interesse der Schweiz, diesen Weg weiterhin zu beschreiten.»

2015 hatte die Branche die SNB für ihren Entscheid, den Mindestkurs aufzugeben, noch heftig kritisiert. Heute unterstützt Swissmechanic den Kurs der SNB ausdrücklich. Was ist 2020 anders als 2015?

Steigende Zinsen in der Schweiz würden zu einer unverhältnismässigen Stärkung des Schweizer Frankens führen. Das ist das Letzte, was wir momentan brauchen können. Deshalb unterstützen wir den gegenwärtigen Kurs der SNB. Der Margendruck ist allerdings für viele Firmen nach wie vor stark. Es ist aber wichtig, gute Exportbedingungen zu haben, da unsere KMU-MEM wichtige Arbeitgeber sind, auch ­dezentral in den Regionen. Eine Schwächung der KMU hätte grosse wirtschaftliche Konsequenzen.

Nach dem «Frankenschock» haben die KMU der Metallbranche die Herausforderung angenommen und sich fit gemacht für die Zukunft. Wo steht die Branche heute?

Ja, die MEM-Branche hat ihre Hausaufgaben gemacht und durfte seit 2016 ein gutes Wachstum verzeichnen. 2018 war sogar ein sehr gutes Jahr. Seit 2019 zeichnet sich jedoch eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums ab. Laut dem Swissmechanic-Wirtschaftsbarometer 2019/Q4 schätzen über 70 Prozent der MEM-Unternehmen die aktuelle Lage als angespannt ein. Dennoch ist die Investitionsfreudigkeit nach wie vor verhalten positiv.

Welche Erwartungen hegt Swissmechanic heute gegenüber der Politik?

Wir fordern wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen, einfache Abläufe im Geschäftsverkehr zwischen Verwaltung und Wirtschaft und eine Politik ohne regulative Fussfesseln. Es dürfen keine weiteren Vorschriften und Verordnungen erlassen werden, die der Schweizer Wirtschaft schaden könnten.

Wirtschaftsminister Guy Parmelin will die Importzölle für Industriegüter abschaffen und damit die Schweizer Wirtschaft im internationalen Wettbewerb stärken. Wie schätzt Swissmechanic dieses Vorhaben ein?

Swissmechanic begrüsst die geplante Aufhebung der Industriezölle.

Welche konkreten Vorteile hätten Ihre Mitglieder davon?

Importierte Vorleistungsprodukte werden günstiger. Zudem verringert die Vereinfachung der Zolltarifstruktur den administrativen Aufwand für die Unternehmen. Diese Entlastungen stärken die Wettbewerbsfähigkeit, sichern die Arbeitsplätze der MEM-Branche und haben insgesamt positive volkswirtschaftliche Auswirkungen.

In einem Positionspapier bezeichnet Swissmechanic die in der Schweizer Politik geltende Schuldenbremse als «nicht verhandelbar». Weshalb ist die Schuldenbremse Ihrer Ansicht nach so wichtig?

Wir setzen uns für einen haushälterischen Umgang mit den Bundesfinanzen und eine tiefe Staatsquote ein. Gerade in Zeiten mit tiefen Zinsen oder sogar Negativzinsen muss diesem Credo Rechnung getragen werden, da die Verlockung zur ­Verschuldung in solchen Zeiten erfahrungsgemäss umso grösser ist. Ferner muss es das Ziel sein, die Bundesfinanzen durch strukturelle Reformen der Verwaltung zu ent­lasten.

Das revidierte öffentliche Beschaffungsrecht (BöB) will, dass bei öffentlichen Aufträgen neu nicht nur der Preis, sondern auch weitere Qualitätskriterien zählen. Was bedeutet dieser Paradigmenwechsel für die KMU der MEM-Branche?

Grundsätzlich ist die Qualität genauso wie der Preis ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Um bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen Missbrauch zu verhindern, ist es wichtig, vorab die Qualitätskriterien klar und messbar zu definieren.

«Steigende Zinsen und ein noch stärkerer Franken sind das Letzte, was wir momentan brauchen können. Deshalb unterstützen wir den gegenwärtigen Kurs der SNB.»

Welche Anforderungen stellt Swissmechanic an die Energie- und Klimapolitik der Schweiz?

Wir sind offen gegenüber Neuerungen in der Energiepolitik, solange die Versorgungssicherheit flächendeckend in unserem Land gewährleistet wird. Diese hat oberste Priorität.

Gleichzeitig sind wir überzeugt, dass die Klimawende nur im internationalen Verbund und in Zusammenarbeit mit Unternehmen erreicht werden kann. Ein schweizerischer Alleingang würde zu Wettbewerbsverzerrungen führen. Das Schaffen innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen schafft Anreize, dass Unternehmer die Klimawende wesentlich mit vorantreiben. Eine Politik der Verbote in der Energie- und Klimapolitik lehnen wir jedoch ab.

Swissmechanic setzt sich für einen flexiblen Arbeitsmarkt und für die Fortführung des bilateralen Weges mit der EU ein. Welche Bedeutung haben die beiden Elemente für den wirtschaftlichen Erfolg der Schweiz?

Der bilaterale Weg ist eine Erfolgsgeschichte. Es liegt im Interesse der Schweiz, diesen Weg weiterhin zu beschreiten. Unsere Mitgliedsunternehmen sind auf einen flexiblen Arbeitsmarkt und einen freien Marktzugang angewiesen; dies gehört zu den Eckpfeilern eines erfolgreichen Werkplatzes.

Ihrer Branche droht in den ­kommenden Jahren ein grosser Verlust an Know-how, wenn geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen. Wie geht Ihr Verband das Problem an?

Schon heute ist gemäss Swiss­mechanic-Wirtschaftsbarometer der Mangel an geeigneten Arbeitskräften die am zweitmeisten genannte Ursache für Produktionsbehinderungen. Die MEM-Branche ist also dringend aufgefordert, Gegensteuer zu geben. Das effizienteste und effektivste Mittel ist sicherlich die Nachwuchsförderung. Sie allein genügt aber nicht, um die Situation zu entschärfen. Swissmechanic begegnet diesen Herausforderungen mit der Entwicklung und Umsetzung von verschiedenen Massnahmen. So wollen wir allgemein das Image der technischen MEM-Berufe stärken und das MEM-Berufsbild insbesondere für Schulabgängerinnen attraktiver gestalten. Den eigenen Berufsnachwuchs unterstützen wir vorbehaltlos und setzen uns für die Förderung der Aus- und Weiterbildung ein. Wir setzen uns auch für die vermehrte Integration älterer Arbeitskräfte in die Schweizer Wirtschaft ein.

Letzte Frage: Wie unterstützt Swissmechanic seine Mitglieder bei der Anpassung an die Digitalisierung?

Unsere Mitgliedsunternehmen sind oft inhabergeführt und haben dadurch den Vorteil, dass sie rasch und wendig auf Veränderungen reagieren können. So auch auf die Digitalisierung, die mittlerweile alle Geschäftsbereiche tangiert. Swissmechanic unterstützt vor allem bei der Wissensvermittlung, etwa indem wir an unserem Business Day solche Themen anstossen und danach in unserem Verbandsorgan vertiefen.

Interview: Gerhard Enggist

www.swissmechanic.ch

ZUR PERSON

Jürg Marti wurde im Juli 2018 zum neuen Direktor von Swissmechanic gewählt. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen, mehrjähriger Tätigkeit als Leiter der Wirtschaftsförderung des Kantons Solothurn und als Unternehmensberater hat Marti gut zehn Jahre in der Bundesverwaltung als Geschäftsleitungsmitglied beziehungsweise Amtsdirektor gearbeitet. Jürg Marti ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Er wohnt in Grenchen.

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