Publiziert am: 22.02.2019

«KMU werden benachteiligt»

MEDIENSTEUER – Die Doppelbesteuerung zeigt eine gewisse Geringschätzung gegenüber dem Unternehmertum in der Schweiz, sagt der Zürcher Rechtsanwalt Martin Steiger.

Schweizerische Gewerbezeitung: Welche Gedanken sind Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie dieser Tage die erste von der Eidg. Steuerverwaltung verschickte Rechnung für die neue Mediensteuer in Händen hielten?

Martin Steiger: Wir haben noch keine Rechnung erhalten. Die Eidgenössische Steuerverwaltung schreibt, dass der Rechnungsversand bis Oktober 2019 dauern kann. Als Unternehmer ärgert mich die zusätzliche Steuerbelastung.

Die ehemalige Bundesrätin Doris Leuthard wurde nicht müde zu betonen, es handle sich dabei um eine «Abgabe», keineswegs aber um eine Steuer. Weshalb halten Sie die Mediensteuer aus rechtlicher Sicht dennoch für eine Steuer?

Ich vertraue auf die Einschätzung von anerkannten Fachpersonen, wie beispielsweise Professor Peter Hettich von der Universität St. Gallen (HSG). Man kann auch das Bundesgerichtsurteil zur früheren BILLAG so verstehen. Bei Unternehmen erfolgt das Inkasso im Übrigen durch die Steuerverwaltung. In jedem Fall handelt es sich um eine Zwangs­abgabe, wie jeder feststellen wird, der die Mediensteuer nicht bezahlt.

Wie schätzen Sie die Tatsache ein, dass Unternehmen eine Mediensteuer bezahlen müssen, obwohl die Firmenchefs wie auch ihre Angestellten diese als Privatpersonen bereits bezahlt haben?

Die Doppelbesteuerung zeigt eine gewisse Geringschätzung gegenüber dem Unternehmertum in der Schweiz. Gleichzeitig zeigt die Doppelbesteuerung, dass sich die Unternehmer im Gesetzgebungsprozess und in der Volksabstimmung über die Mediensteuer nicht überzeugend genug einbringen konnten.

Wie schätzen Sie diese Doppelbesteuerung aus rechtlicher Sicht ein?

Wir haben eine direkte Demokratie und kein Verfassungsgericht. Ich sehe in dieser Doppelbesteuerung deshalb eine politische und keine rechtliche Frage. Mit der parlamentarischen Initiative von Nationalrat Gregor Rutz zur Streichung der Unternehmensabgabe ist diese politische Frage lanciert.

Spätestens wenn nun Arbeitsgemeinschaften oder Holdings noch eine dritte Rechnung für die Mediensteuer erhalten, geht der Unmut vieler Firmenchefs in Wut über. Haben Sie dafür Verständnis?

Ich verstehe den Ärger über die zusätzliche Steuerbelastung. Wut führt allerdings zu keiner Veränderung. In unserem politischen System ist es wichtig, dass sich Betroffene zu Wort melden, zum Beispiel bei den National- und Ständeräten im eigenen Kanton. Ausserdem ist es wichtig, dass sich Betroffene bei Organisationen und Verbänden, die sich für die Interessen von Unternehmen einsetzen, engagieren.

Was raten Sie Firmen, die sich gegen die neue Mediensteuer zur Wehr setzen wollen?

Die Doppelbesteuerung hat nun eine gesetzliche Grundlage. Ich empfehle Unternehmen deshalb, politische Vorstösse gegen die Doppelbesteuerung zu unterstützen.

Die neue Mediensteuer ist nach Umsatz geschuldet – unabhängig von Marge oder Gewinn. Ist dies rechtlich überhaupt zulässig?

Für mich steht die Doppelbesteuerung im Vordergrund und nicht, wovon die Höhe der Mediensteuer abhängig ist. Es hilft nicht zu diskutieren, ob die Mediensteuer verfassungswidrig ist. Bei der Bemessungsgrundlage fällt auf, dass für Schweizer Unternehmen der weltweite Umsatz zählt. Umgekehrt befreite der Bundesrat überraschend Unternehmen im Ausland, die in der Schweiz mehrwertsteuerpflichtig sind, von der Mediensteuer.

Die Mediensteuer ist degressiv ausgestaltet – je mehr Umsatz ein Unternehmen erzielt, desto geringer fällt die Steuer grundsätzlich aus. Was bedeutet dies für KMU?

KMU werden benachteiligt. Ein praktischer Grund dafür ist, dass KMU sehr einfach zu besteuern sind. Sie können normalerweise ihren Sitz nicht ins Ausland verschieben oder anderweitig ihre steuerliche Situation verbessern.

Nicht nur bei den Firmen, auch bei den Privathaushalten herrscht Unmut, da die Inkassofirma Serafe AG offenbar grosse Probleme mit den Adressbeständen hat – die nun die Gemeinden ausbügeln müssen. Wer bezahlt eigentlich den Aufwand der Gemeinden?

Erst einmal müssen die Gemeinden diesen Aufwand bezahlen. Ich wäre überrascht, wenn sie von der Serafe AG oder anderweitig entschädigt würden. Am Schluss bezahlen diesen Aufwand aber sowieso die Steuerzahler.

Interview: Gerhard Enggist

ZUR PERSON

Martin Steiger (40) ist Anwalt und Unternehmer für Recht im digitalen Raum. Zu diesem Spezialgebiet zählen insbesondere das Datenschutzrecht, das Immaterialgüterrecht, das IT-Recht und das Medienrecht. Die Steiger Legal AG hat ihren Sitz in Zürich.

www.steigerlegal.ch

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