Publiziert am: 21.02.2020

Kompromiss in Sicht?

BVG-REFORM – Immer mehr Politik­beobachter kommen zum Schluss: Bundesrat Bersets BVG-Reform ist bereits gescheitert. Die Suche nach einem mehrheitsfähigen Alternativ­vorschlag läuft auf Hochtouren.

SP-Bundesrat Alain Berset scheint sich arg verzockt zu haben. Die Vorlage für eine Revision der beruflichen Vorsorge, die er in Vernehmlassung geschickt hat, kommt in weiten Kreisen gar nicht gut an. Der sogenannte «Sozialpartnerkompromiss» – genauer: die vom Gesundheitsminister übernommene Gewerkschafts­vorlage – hat seit der Eröffnung der Vernehmlassung weitestgehend schlechte Presse. «Der Rentenkompromiss droht zu scheitern», befand der «Tages-Anzeiger». «Bersets Reform bröckelt», kam die «Aargauer Zeitung» zum Schluss. Und die NZZ stellte nüchtern fest: «Die BVG-Reform ist zu teuer und nicht nachhaltig.»

Zweimal derselbe Fehler

Frauen haben in der Schweiz heute eine Lebenserwartung von mehr als 85, Männer von fast 82 Jahren. Die Chancen auf ein langes Leben standen in der Schweiz noch nie so gut: Mit solch erfreulichen Feststellungen eröffnete Bundesrat Berset diese Woche eine Konferenz zum Thema Gesundheit im Alter. Dem Gesundheitsminister sind die Sympathien breiter Kreise gewiss, wenn er sich für das gesundheitliche Wohlergehen der Seniorinnen und Senioren in der Schweiz einsetzt.

Weniger zu beneiden ist Berset derzeit als für die berufliche Vor­sorge zuständiger Departementschef: Auf der Suche nach einem politischen Erfolg hat er ganz offenbar aufs falsche Pferd gesetzt. Nach seinem Misserfolg mit der «Altersvorsorge 2020» im Jahr 2017 versucht Berset heute auf Biegen und Brechen, einer Vorlage zum Durchbruch zu verhelfen, die von Anfang an unter einem schlechten Stern stand. Kaum jemand versteht, weshalb sich der Freiburger dazu hinreissen liess, mögliche Verluste der Rentenbe­züger mit Zusatzrenten nach dem Giesskannenprinzip ausgleichen zu wollen, nachdem genau dieses Vorgehen im Wesentlichen zur Niederlage von 2017 geführt hatte.

Hände weg von der Nationalbank

Die Probleme in der Altersvorsorge sind bekannt: In der AHV – sie funktioniert nach dem Umlageprinzip – führen immer mehr Bezüger langfristig zu immer knapperen Kassen. Im BVG, finanziert nach dem Einlageprinzip, führt ein zu hoher Umwandlungssatz zu kaum mehr finanzierbaren Renten. Es sei denn, die Subventionierung der älteren durch die junge Generation wird noch verstärkt – und die Jungen damit noch schwerer belastet.

Was tun also? Das generelle Rentenalter erhöhen oder die Verzinsung der Altersguthaben auf realistische Vorgaben senken – beides findet politisch keine Mehrheiten. Die Suche nach einem BVG-Kompromiss, der den Namen tatsächlich verdient, läuft deshalb auf Hochtouren.

Dabei kommen auf bürgerlicher Seite auch Ideen auf, die man eher von links erwarten müsste. So etwa jene, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihre Schatullen für die Altersvorsorge – konkret zugunsten der Übergangsgeneration bei einer Senkung des BVG-Umwandlungssatzes – öffnen solle. Ein Vorschlag, für den sich Hans-Ulrich Bigler gar nicht begeistern kann. «Die SNB muss unabhängig bleiben», so der Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv in der «Aargauer Zeitung». «Sobald es Zweckausschüttungen gibt, wird diese Unabhängigkeit in Frage gestellt.»

«Gerade ihre Unabhängigkeit ist das höchste Gut der SNB», doppelt Ökonom und sgv-Vizedirektor Henrique Schneider gegenüber der «Gewerbezeitung» sgz nach. AHV, BVG, Verkehrsinfrastruktur, Energieversorgung – die denkbaren Verwendungszwecke für das Geld der SNB seien schier endlos, die Begehrlichkeiten ebenso. «Wenn wir hier nachgeben, dann öffnen wir die Büchse der Pandora.»

Vorstellbar sei allenfalls, so Schneider weiter, die künftige Befreiung von AHV-Fonds, Auffangeinrichtung und Sicherheitsfonds von den Negativzinsen der SNB.

Suche nach Kompromiss läuft

Hinter den Kulissen laufen Gespräche, wie ein möglicher Rentenkompromiss im BVG aussehen könnte. Aus Sicht des sgv bildet das ASIP-Modell eine gute Grundlage für einen solchen Kompromiss. Wichtig für den sgv wäre, dass der Mindestumwandlungssatz «bloss» auf 6,0 Prozent gesenkt wird. Dies würde es ermöglichen, dass die Altersgutschriften für die Generation Ü55 leicht gesenkt werden könnten. Die Mehrkosten der ganzen Reform könnten damit ebenfalls gesenkt werden. Positiver Nebeneffekt: Auch die Chancen der älteren Arbeit­nehmenden auf dem Arbeitsmarkt würden verbessert.

Noch sind solche Szenarien Spekulation. Tatsache bleibt, dass der bisher als «Kompromiss der Sozialpartner» auf dem Tisch liegende Vorschlag politisch chancenlos ist. Ein breit abgestützter, echter Kompromiss muss her. Der sgv ist an den entsprechenden Gesprächen aktiv mitbeteiligt.En

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