Publiziert am: 07.02.2020

Krasse Missachtung des Volkswillens

BVG-REFORM – Wer von den Stimmberechtigten abgestraft wird, sollte etwas daraus lernen. Bundesrat Alain Berset tut das nicht. Seine BVG-Reform foutiert sich um den Willen der Stimmberechtigten.

Im September 2017 haben die Stimmberechtigten die Altersvorsorge 2020 bachab geschickt. Eine schmerzhafte Niederlage für den erfolgsverwöhnten Alain Berset. Die Abstimmungsschlappe hat Spuren hinterlassen. Dem Sozialminister ist die Lust vergangen, das heisse Eisen BVG-Reform nochmals selber anzupacken. In der Neuauflage zur Reform der beruflichen Vorsorge stützt er sich bis auf kleine Nuancen auf ein vom Arbeitgeberverband unterstütztes Gewerkschaftsmodell ab.

Damit riskiert Bundesrat Berset einen erneuten Schiffbruch. Denn das fälschlicherweise als «Sozialpartnerkompromiss» betitelte Reformprojekt missachtet den Willen der Stimmberechtigten gleich in mehrfacher Hinsicht.

Gleiche Fehler wie damals

Die Nachwahlbefragung zur Altersvorsorge 2020 brachte klar hervor, dass der AHV-Rentenzuschlag von monatlich 70 Franken der Schlüsselfaktor für das Scheitern der Vorlage war. Und nun will man allen Ernstes versuchen, im Rahmen einer BVG-Reform einen Rentenzuschlag von bis zu 200 Franken einzuführen. Das kann nicht gut gehen ...

Klar abgelehnt wurde seinerzeit auch die Verteilung der zusätzlichen Mittel nach dem Giesskannenprinzip. Auch das scheint die Urheber der Neuauflage der BVG-Reform nicht zu interessieren. In Sachen Umverteilung nach dem Giesskannenprinzip legen sie gar noch einen Zacken zu, indem sie auch den Reichsten der Reichen höhere BVG-Renten zusprechen wollen. Das würde zu höchst unsinnigen Umverteilungsübungen führen. Ein kurz vor der Pension stehender Einkommensmillionär etwa müsste sich unter Umständen nur noch mit einigen hundert Franken an der Finanzierung der Rentenzuschläge beteiligen. Für diesen minimalen Einsatz erhielte er dann – bis an sein Lebensende – einen monatlichen Rentenzuschlag von 200 Franken. Mehr Giesskanne ist kaum noch möglich.

Ausbauen statt sparen

Ausbau- statt Sparvorlage: Auch das war ein wichtiger Grund fürs Scheitern der Altersvorsorge 2020. Zu einem Sinneswandel hat das offenbar nicht beigetragen. Mit jährlichen Mehrkosten von rund 1,5 Milliarden Franken lassen sich die Renteneinbussen, die bei einer Senkung des BVG-Mindestumwandlungssatzes auf sechs Prozent entstehen, kompensieren. Die Vernehmlassungsvorlage hätte jährliche Mehrkosten über drei Milliarden Franken zur Folge. Das Volk will schlanke, günstige Lösungen. Statt darauf Rücksicht zu nehmen, wird eine exorbitant teure Ausbauvorlage präsentiert.

Zum Scheitern beigetragen hat auch der Umstand, dass die Altersvorsorge 2020 «auf Kosten der Jungen» gehe. Die Vernehmlassungsvorlage zur BVG-Reform? Sie tut das noch stärker! Die neu geforderten Rentenzuschläge sollen so ausgestaltet werden, dass sie im Zeitverlauf kontinuierlich sinken. Die höchsten Zuschläge bekämen also jene, die sich nur noch kurz an deren Finanzierung beteiligen. Wer hingegen sein ganzes Erwerbsleben lang höhere Lohnabzüge in Kauf nehmen müsste, würde bloss noch mit Brosamen abgespeist. Kein Wunder, dass Bersets Reformvorschlag von den Jungparteien geschlossen abgelehnt wird.

Noch bleibt Zeit, die Vorlage mehrheitsfähig zu machen

Vergessen ging offenbar auch, dass sich die Stimmberechtigten 2017 gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuersätze um 0,6 Prozent ausgesprochen haben. Wie sonst kann man auf die Idee kommen, Reformvorlagen auszuarbeiten, die viel teurer sind als ihre Vorgänger ...

Doch gemach: Zum Glück befinden wir uns erst im Stadium der Vernehmlassung. Noch bleibt Zeit, die missratene Vorlage grundlegend umzukrempeln und sie mehrheitsfähig zu machen. Nur wer den Volkswillen ernst nimmt, kann ein erneutes Abstimmungsdebakel verhindern.

Kurz Gfeller, Vizedirektor sgv

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