Publiziert am: 20.06.2014

Krasse Ungleichbehandlung

GASTROSUISSE-INITIATIVE – Seit ihrer Einführung im Jahr 1995 verstösst die Mehrwertsteuer ­gegen den Grundsatz der gleichen Besteuerung gleicher Dienstleistungen. Dies soll nun ändern.

Gleiche Dienstleistung, gleiche Besteuerung: Die Gleichbehandlung ist eines der Hauptprinzipien, auf denen unser Steuersystem beruht. Doch seit ihrer Einführung im Jahr 1995 verstösst die MWSt gegen diesen fiskalischen Grundsatz, der die Respektierung der Neutralität bezüglich Konkurrenzfähigkeit zwischen den wirtschaftlichen Akteuren gewährleisten soll. So werden Lebensmittel (Esswaren, nichtalkoholische Getränke) je nach Ort der Konsumation unterschiedlich besteuert.

Fragliche Unterscheidung

Das Trinken eines Mineralwassers ist aus Sicht der MWSt fiskalisch kein neutraler Akt. Im Take-away-Betrieb und im Detailhandel wird die Flasche Mineralwasser mit 2,5 Prozent besteuert, während für dieselbe Flasche in der Hotellerie/Restauration ein Satz von 8 Prozent – mehr als das Dreifache – zur Anwendung kommt. Der gleiche steuerliche Vorteil gilt für eine Pizza zum Mitnehmen, einen Kaffee oder ein Sandwich vom Tankstellenshop und vom Kiosk. Diese Unterscheidung hat für die rund 2,5 Millionen Personen, die täglich in einem Restaurant essen, einen finanziellen Mehraufwand zur Folge. Zudem ist sie auch aus Sicht der Beschäftigungspolitik ein Fehler. Das MWSt-Gesetz begünstigt Betriebe, die wenig Personal beschäftigen und meist nur sektorielle Dienstleistungen bieten. Im Gegenzug bildet die Hotellerie/Restauration zahlreiche Lernende aus und bietet 218 000 Personen Arbeit, was 5 Prozent der aktiven Bevölkerung in der Schweiz entspricht.

Gleich lange Spiesse

Um dieser Ungleichbehandlung ein Ende zu setzen, hat GastroSuisse im September 2011 die Initiative «Schluss mit der MWSt-Diskriminierung des Gastgewerbes» lanciert. Das Volksbegehren verlangt, dass Restaurationsdienstleistungen gleich besteuert werden wie Lebensmittellieferungen. Als einfachste Lösung bietet sich dabei die Reduktion der Sätze für die Gastronomie an.

Obwohl er die Konkurrenzverzerrung hervorhebt, die das traditionelle Gastgewerbe benachteiligt, lehnt der Bundesrat die Initiative aus finanziellen Gründen ab: Ihre Annahme hätte einen jährlichen Steuerverlust von 700 bis 750 Millionen Franken zur Folge. Das Parlament hat sich dieser Haltung angeschlossen. Die Volks­abstimmung dürfte am kommenden 28. September stattfinden.

Einheitssatz als Vereinfachung

Das geltende MWSt-Regime kumuliert Fehler: Es ist nicht nur juristisch komplex und administrativ schwerfällig, sondern auch diskriminierend. Nur eine breit angelegte Reform, wie das vor einigen Jahren vom Bundesrat vorgeschlagene «Modell Einheitssatz», könnte zugleich zu Vereinfachungen, administrativen Erleichterungen und Gleichbehandlung führen. Doch dieses visionäre Projekt hat vor dem Parlament keine Gnade gefunden.

Vorläufig muss man sich also mit ­sektoriellen Massnahmen wie der GastroSuisse-Initiative begnügen. Mit der Annahme des Volksbegehrens könnte man zumindest der längst überholten Unterscheidung ein Ende setzen, wonach das Einkaufen von Grundnahrungsmitteln eine Notwendigkeit, das Essen im Restaurant jedoch ein Luxus ist. Denn Mobilität und gesellschaftliche Veränderungen haben dazu geführt, dass heute die Mittagsverpflegung zumeist auswärts erfolgt.

Positive Auswirkungen

Die GastroSuisse-Initiative unterstützen heisst, den 27 000 Hotel/Restaurant-Betrieben in der Schweiz einen Impuls zu geben und damit auch dem Tourismussektor und den Grenzregionen, die am schwersten unter den Folgen des starken Frankens leiden. Ferner ist vorhersehbar, dass die Reduktion der MWSt-Sätze für das Gastgewerbe positive Auswirkungen hat: Die Steuersenkung hätte tiefere Preise zur Folge, was den Konsum ankurbeln und sich in steigenden Steuereinnahmen spiegeln dürfte.

Marco Taddei, Vizedirektor sgv

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