Publiziert am: 24.01.2020

Machtdemonstration vs. Kompromiss

MOBILITÄT – Rot-Grün nützt seine Übermacht in den Schweizer Städten. Die Folgen: ideologischer Kampf gegen den motorisierten Individualverkehr oder leerstehende Luxusvelotempel. In Zürich ist der historische Parkplatz-Kompromiss akut in Gefahr. Das könnte Signalwirkung für andere Schweizer Städte haben.

Für jeden Parkplatz, der in der Innenstadt aufgehoben wird, muss im Untergrund Ersatz geschaffen werden. So will es im Grundsatz der Parkplatz-Kompromiss der Stadt Zürich aus dem Jahr 1996.

Geht es nach der SP, sollen die Parkplätze nun ganz weg. Und mit ihnen das Auto. Darum geht es den Genossen letztlich. Die Aufkündigung des Parkplatz-Kompromisses könnte durchaus wegweisenden Charakter haben und die Autos massenhaft aus den Schweizer Städten verbannen. Schliesslich liess die Berner Gemeinderätin Ursula Wyss im letzten Jahr ganz unverblümt verlauten: «Keine Kompromisse für das Auto.»

Widerstand formiert sich

Endlose verkehrspolitische Grundsatzdiskussionen bahnen sich an. Genau diese vermochte der historische Parkplatz-Kompromiss in Zürich zu verhindern. «Der Parkplatz-Kompromiss hat Rechtssicherheit und Ruhe gebracht», sagt Nicole Barandun, Rechtsanwältin und Präsidentin des Gewerbeverbands der Stadt Zürich (GVZ). «Es musste nicht mehr um jeden Parkplatz gestritten werden.» Das Gewerbe sei nach wie vor auf Parkplätze – gerade auch oberirdische – angewiesen. Nicht alles könne mit dem ÖV abgedeckt werden. Während es beim Güterumschlag einen Konsens gibt, dass dieser für die Versorgung der Innenstadt notwendig ist, ist das beim Gewerbeverkehr noch nicht der Fall. «Und wieso», fragt Barandun, «sollten ältere Menschen, die nicht mehr gut zu Fuss sind, nicht am Morgen mit dem Auto zum Einkaufen in die Stadt kommen, wenn noch nicht viel los ist?»

Der Gewerbeverband der Stadt Zürich verteidigt den Kompromiss nicht als einziger Akteur. Auch die City Vereinigung Zürich macht sich bereit. Weil aktuell ein Massnahmenkatalog zum Thema erarbeitet werde, wolle man sich noch nicht aktiv an der Diskussion beteiligen, lässt Geschäftsführer Andreas Zürcher verlauten.

Lösungen ohne das Gewerbe?

Die linken Parteien haben in der Stadt Zürich seit den letzten Wahlen die absolute Mehrheit in Parlament und Regierung. Mitte Januar hat der AL-Stadtrat Richard Wolff angekündigt, in der Innenstadt das Parkplatzangebot längerfristig zu reduzieren. Die Chancen stehen also gut, wenn die linken Parteien einen neuen Kompromiss fordern respektive ihn «weiterentwickeln» wollen. Nicole Barandun: «Von einem Kompromiss spricht man, wenn zwei Parteien sich auf etwas einigen, in der Regel auf einen Mittelweg. Indem die Linke in Zürich den Kompromiss einseitig aufkündigt, findet aber keine Weiterentwicklung statt.» Sie spricht von einer «Machtdemonstration» und zeigt sich besorgt darüber, dass es die Zustimmung des Gewerbes für eine Lösung in Zukunft nicht mehr brauche.

Wo führt die Reise hin? Jeder Entscheid kann die Entwicklung in einer anderen Schweizer Stadt befeuern. Nächster Brennpunkt: In Basel wird am 9. Februar über die «Zämme besser»-Initiativen abgestimmt (vgl. aktuelle FOKUS KMU-Sendung). Pikant: Der Gegenvorschlag zu den beiden Initiativen des Gewerbeverbands Basel-Stadt ist kein Kompromiss zwischen Status quo und den Initiativforderungen, sondern geht diametral in die andere Richtung.

Ob in Basel, Bern oder Zürich: Auch in Zukunft sollten Lösungen nicht durch Machtdemonstrationen durchgesetzt werden, sondern mit Kompromissen gefunden werden. Mit echten Kompromissen.

Adrian Uhlmann

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