Publiziert am: 21.02.2020

Mass statt Masse

Am 17. Mai entscheidet der Souverän über die Begrenzungsinitiative. Für mich ist der Befund eindeutig: Die Personenfreizügigkeit mit der EU schadet der Schweiz. Das enorme Bevölkerungswachstum der letzten Jahre ergibt insgesamt eine Negativbilanz. Das Bau- und Kulturland verknappt sich, der Wohn- und Gewerberaum wird teurer. Unsere Infrastrukturen sind übernutzt, die SBB stecken in Dauerproblemen, die Staustunden für die Wirtschaft gehen in die Milliarden. Die Massenzuwanderung schadet aber auch unserer Umwelt und unserer Lebensqualität. Wir haben die sauberste Luft, den saubersten Boden, das sauberste Wasser. Aber wie lange noch? Wir tragen Sorge zu unseren Ressourcen und versuchen erfolgreich, Energie zu sparen. Wie wollen wir das mit immer mehr Menschen?

Speziell über Fünfzigjährige werden an ihrer Arbeitsstelle durch junge EU-Zuwanderer verdrängt und finden keine Stelle mehr. Der Pro-Kopf-Wohlstand, der doch seit 1945 Jahr für Jahr markant gestiegen ist, stagniert seit Einführung der Personenfreizügigkeit. Der Lohndruck führt zu immer mehr Regulierungen des ehemals freien Arbeitsmarktes und zu ständig weiter wuchernden Gewerkschaftsbürokratie und Kontrollschikanen für die Betriebe. Weil die unkontrollierte Zuwanderung mit grosser Planungsunsicherheit verbunden ist, kommt es zu erheblichen Fehlinvestitionen.

Innert 13 Jahren ist eine zusätzliche Million Menschen eingewandert. Warum sind so viele gekommen? Weil die Schweiz hoch attraktiv ist dank unserer Unabhängigkeit, unserer Selbstbestimmung und unserer direkten Demokratie. Doch all diese Grundlagen unseres Wohlstandes und unserer Lebensqualität zerstört das Personenfreizügigkeitsabkommen. Ich will keine 10-Millionen-Schweiz! Schon heute haben wir gleich viele Einwohner wie das Nachbarland Österreich, aber nur halb so viel Fläche!

Laut Begrenzungsinitiative muss der Bundesrat innert einem Jahr mit der EU eine Einigung finden, damit wir die Zuwanderung wieder eigenständig steuern können. Wenn das nicht klappt, kommt es zur Kündigung der Personenfreizügigkeit. Die EU wird die Bilateralen I nicht kündigen, denn sie sind für Brüssel zu wichtig. Für die Schweiz aber sind sie wenig bedeutsam – und wiegen jedenfalls die Kosten der Personenfreizügigkeit nicht auf.

Die Personenfreizügigkeit kostet uns mehr, als dass sie uns bringt. Der Bundesrat beurteilt mit seinen Jubelmeldungen einseitig die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Natürlich hat es für die Firmen Vorteile, wenn sie aus Hunderten von Millionen Menschen auswählen und die Löhne drücken können. Aber alle anderen Auswirkungen – etwa auf die Sozialwerke – werden ausgeblendet. Gleichzeitig hören wir das grosse Jammern über einen angeblichen Fachkräftemangel. Aber wenn immer mehr Menschen hereinströmen, braucht es immer mehr Fachkräfte. Es ist ein verhängnisvolles Spiel ohne Grenzen.

Aber wer will denn, ausser der EU, überhaupt diese schädliche EU-Personenfreizügigkeit? Es gibt ganz klare Profiteure, nämlich die Manager von Unternehmen, die in möglichst vielen Ländern die gleichen Regeln haben wollen, um allfällige Herausforderungen des grenzüberschrei­tenden Handels zu umgehen und sich die Quartalszahlen und somit die Einkünfte und Boni nicht zu gefährden. Zu den Gegnern gehören auch die Konzerne im «geschützten» Schweizer Markt wie die Grossverteiler und Detailhändler, teilweise die Banken, die Verkehrsbetriebe usw. Für sie bedeutet jedes Bevölkerungswachstum fast automatisch eine Umsatzsteigerung.

Profiteure sind auch die Wirtschaftsverbände, die wiederum die profitierenden Branchen vertreten, von denen sie das Geld für ihren Funktionärsapparat bekommen. Und profitieren können auch die Politiker, denn mehr Menschen heisst mehr Steuereinnahmen, mehr Geld zum Verteilen, mehr Gestaltungsmöglichkeiten, mehr Macht, mehr Ansehen, mehr Einfluss.

Bloss um solche Einzelinteressen zu befriedigen, darf die Schweiz und ihre Bevölkerung die gewaltigen Nachteile der Personenfreizügigkeit nicht länger tragen. Die Begrenzungsinitiative verdient unsere Unterstützung – auch und gerade von uns Gewerblern und KMU-Inhabern.

* Der Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel ist Chefre­daktor und Verleger des Wochenmagazins «Die Weltwoche».

www.weltwoche.ch

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