Publiziert am: 02.09.2022

Mit Hammer und Meissel

LUCIA STRUB – Die Bieler Steinbildhauerin ist nach vielen Berufsjahren immer noch fasziniert vom Kunsthandwerk und formt als Unternehmerin und Künstlerin die Materie Stein zu Kunstwerken. Tradition und Know-how gibt sie dem Nachwuchs weiter und sensibilisiert so für den Kleinstberuf.

Lucia Strub ist mit Leib und Seele Steinbildhauerin. Ihre Faszination am uralten Handwerk ist noch genau so gross wie am ersten Tag ihrer vierjährigen Lehre als Steinbildhauerin EFZ, die sie bei der Hans Brogni AGin Nidau absolviert hatte. Ihre Schwester – eine Goldschmiedin –brachte sie damals auf die Idee, diesen Beruf zu erlernen. «Bereits als Kind faszinierten mich Steine, respektive ihre harte Beschaffenheit und der natürliche Widerstand des Materials», erklärt die Bieler Unternehmerin und ergänzt: «Handwerk, Kopfarbeit und gestalterisches Schaffen vereinigen sich in diesem Beruf auf ideale Weise – dies sind Kompetenzen, die mir grossen Spass machen und mir auch sehr liegen.» Mittlerweile hat sie in diesem Metier erfolgreich Fuss gefasst. Zwei Jahre nach ihrer Ausbildung zur Steinbildhauerin machte sie sich mit ihrem Atelier in Biel selbstständig. «Neben der Erwerbsarbeit wollte ich möglichst viel Zeit für meine eigentliche Leidenschaft haben: Das Studium der menschlichen Figur und deren freie Umsetzung in diverse klassische Bildhauermaterialien wie Wachs, Ton, Gips, Bronze und Stein», so Strub. Die Ergebnisse stellt sie seither sporadisch an diversen Ausstellungen in der Region Biel, Bern und Basel aus und die eine oder andere Skulptur wird so auch verkauft. Aktuell sind zwei ihrer Werke noch bis am 29. Oktober 2022 anlässlich der Biennale 2022 in Waldenburg/BL zu sehen.

Maschinelle Fertigung aus Zeit- und Kostengründen

Inzwischen hat sich eine beträchtliche Gruppe eigenwilliger Figuren in ihrem Atelier angesammelt. Daneben entstehen die unterschiedlichsten Werke im Auftrag: Vom einfachen zum anspruchsvollen Grabmal bis hin zu Skulpturen figürlicher oder abstrakter Art, auf Wunsch und nach Mass. «Manchmal führe ich kleinere Renovationsarbeiten an alten Gebäuden aus Naturstein aus. Immer wieder arbeite ich auch als projektbezogene Mitarbeiterin für andere Bildhauer.» Durch den Einblick in die unterschiedlich geführten Werkstätten eignete sie sich ein breites Spektrum an Wissen und Fertigkeiten an. Seit über fünfzehn Jahren plant und realisiert sie ausserdem in einer Bildhauergruppe namens SKULTUR Projekte grösseren Formats. Dies ist aber nur eines ihrer zwei Standbeine. Daneben gibt sie ihre Erfahrung und Wissen sowie ihr Feuer für das uralte Kunsthandwerke gerne dem Nachwuchs weiter. Sie gibt Überbetriebliche Kurse für angehende Bildhauer und Bildhauerinnen und seit einem Jahr den Freikurs im Aktmodellieren an der Schule für Gestaltung in Bern. (vgl. Kasten).

Sie betreibt die Steinbildhauerei heute nicht viel anders als es anno dazumal gemacht wurde: «Obwohl bei mir technische Hilfsmittel wie Presslufthammer, Winkelschleifer und Handfräse auch zum Einsatz kommen, verwende ich doch vor allem Fäustel, Knüpfel und Meissel, um den Stein von Hand abzutragen und ihm die gewünschte Form zu geben. Sie bedauert es sehr, dass heute immer mehr mit bereits vorgefertigten Teil- und Halbprodukten gearbeitet wird und so das ursprüngliche Handwerk zu wenig praktiziert und entsprechend in der Ausbildung vermittelt werden kann. «Leider wird heute viel aus Zeit- undKostengründen maschinell (vor-)gefertigt.»

Auch das Entwickeln einer Idee, das Entwerfen eines Themas, geschieht bei Strub von Hand: «Zuerst mache ich Skizzen und dann setze ich sie in dreidimensionale Entwürfe um. Mein geübtes Auge und die sichere Hand sind dabei meine wichtigsten Werkzeuge.» Stein, Ton, Maurermörtel sowie Gips und Wachs sind diejenigen Materialien, die sie in der Regel verarbeitet. Das Studium der alten Meisterwerke, der Austausch mit anderen Bildhauern, Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen, aber auch Alltagssituationen liefern der engagierten Künstlerin immer wieder Ideen. An ihrem Beruf schätzt sie besonders, dass sie ein Produkt von A bis Z selbst herstellen kann. «Ich habe den ganzen Prozess in der Hand, von der Idee, Planung, Entwicklung über das Ausführen bis zum Aufstellen.» Wichtig dabei sei, beharrlich dranzubleiben, bis das Projekt für alle Beteiligten stimmig ist. Eine Spezialität von ihr sind schnelle Porträts. In nur einer Stunde formt Strub die individuellen Züge zu einer Person in Ton. «Mich reizt vor allem der Versuch, auf diese Weise den Ausdruck ihrer Persönlichkeit in die Form einzubinden.»

Mehr Akzeptanz für Beruf und Kunst

Das uralte Handwerk hat sowohl als Beruf wie auch als Kunst einen schweren Stand: «Wir Steinbildhauer werden oftmals nicht verstanden und Aussenstehende sehen nicht, was hinter unserem Beruf an Fertigkeit und Aufwand steckt.» Der Kleinstberuf basiert auf einer langen kunsthandwerklichen Tradition und ist ein wichtiger Kulturzeuge, der sorgfältig weitergepflegt werden muss. Auch in der Kunstszene hat die aufwendige und schwerwiegende Arbeit mit Stein keinen leichten Stand, da gemäss Strub die flexible und dynamische Popup-Ausstellungsmentalität nach einfacher handzuhabenden Materialien verlangt. Zeitgenössische Steinbildhauer wirken in diesem Kontext als träge und verstaubt. «Doch es findet ein Revival für den Stein statt», freut sich Strub. Die Bildhauerin hofft, dass damit ihr Handwerk endlich eine Imageaufbesserung und mehr Akzeptanz und Anerkennung erfährt, und sich künftig wieder mehr junge Leute für diesen wundervollen Beruf interessieren und ausbilden lassen. Corinne Remund

www.vsbs.ch

www.strubskulptur.ch

REFORM DER STEINBERUFE

«Ohne Nachwuchs stirbt unser Beruf aus»

Die sogenannten Steinberufe – Steinbildhauer, Steinmetz, Steinwerker und Marmorist – wurden kürzlich reformiert und unter dem Beruf Steinmetz mit den vier Fachrichtungen «Bildhauerei», «Bau und Renovation», «Industrie» sowie «Gestaltung/Industrie» zusammengefasst. Neuer Standort für die Schule und die ÜK ist Dagmersellen. Lucia Strub unterrichtet die angehenden Fachkräfte in den Überbetrieblichen Kursen Fachrichtung Bildhauerin. «Es macht mir grossen Spass, mein Erfahrungsschatz und meine Leidenschaft für dieses alte Handwerk weiterzugeben.» Auch in diesem kunsthandwerklichen Kleinstberuf herrscht grosser Fachkräftemangel. 3 bis 5 Steinbildhauer schliessen momentan im Schnitt ihre Ausbildung ab. Dabei hätte diese Ausbildung mit ihrer Brandbreite an fachlichen, aber auch methodischen und sozialen Kompetenzen viel Potenzial: Als Grundbildung ist sie gleichzeitig eine gute Lebensschule. Eine berufliche Weiterentwicklung beispielsweise als Produktedesigner oder via Berufsmatur an einer Hochschule der Künste ist möglich. Seit einiger Zeit wird auch eine Weiterbildung als «Handwerker in der Denkmalpflege» angeboten. Leider bleiben die wenigsten ausgebildeten Steinbildhauer auf ihrem Beruf. «Wir benötigen allerdings dringend Nachwuchs, sonst stirbt unser Beruf aus.» CR

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