Publiziert am: 07.10.2022

Nicht alle Eier in denselben Korb legen

BARGELD – Auch wenn Bargeld zunehmend aus dem (digitalisierten) Zahlungsverkehr verschwindet: «Cash» bleibt ein wichtiges Zahlungsmittel. Nicht zuletzt zum Schutz der Privatsphäre.

Die Diskussion darüber, ob eine bargeldlose Gesellschaft möglich – und falls ja, auch wünschenswert – ist, wurde durch die Covid-Krise noch zwingender. Sicher ist: Die digitale Transformation, die zur Dematerialisierung führt, wird auch das Zahlungssystem für alltägliche Transaktionen optimieren. Längst ist es möglich, mit der Karte zu bezahlen, heute auch mit dem Smartphone. Was also tun mit dem Bargeld? Was der eine bisher in seinen Wollstrümpfen oder die andere unter ihrer Matratze versteckt haben mag, wird auf den ersten Blick – scheinbar – überflüssig.

Sicherheit spricht fĂĽr cashless

Aus Sicherheitsgründen ist es ein echter Vorteil, wenn Zahlungsmittel digitalisiert werden. Zumal es bei einem Diebstahl der Geldbörse viel schwieriger ist, eine fremde Bankkarte zu missbrauchen als einen Geldschein, der einfach geklaut und im Zahlungskreislauf sofort wiederverwendet wird. In diesem Sinne gewinnt der lateinische Ausdruck «pecunia non olet», auf Deutsch «Geld stinkt nicht», wieder seine volle Bedeutung. Dieses Sprichwort passt gut zu Bargeld, das im täglichen Zahlungsverkehr noch recht gut fliesst. Letztendlich ist es fast unmöglich, einen Besitzer daran zu binden.

In den westlichen Nachbarländern ist das physische Geld noch weiter aus den Kreisläufen verschwunden. So sind mit dem Euro sogar grosse Scheine aus dem Umlauf verschwunden, weil der Verdacht auf Geldwäsche behauptet wird oder man Angst hat, mit einer unbrauchbaren Fälschung konfrontiert zu werden. Banknoten im Wert von über 50 Euro werden kaum noch verwendet.

Israel und Schweden gehen voran

Der Staat Israel hat sogar Massnahmen zur Einschränkung des Bargelds eingeführt. Diese Beschränkung beruht auf der Tatsache, dass Kriminelle Bargeld nutzen, um sich unauffällig zu finanzieren. Es ist nur ein kleiner Schritt, um zu argumentieren, dass, wenn der Bargeldumlauf eingeschränkt wird, auch die Finanzierung der Kriminalität eingeschränkt werde. Seit dem 1. August 2022 ist es strafbar, bei einer Zahlung mehr als 6.000 israelische Schekel (1.760 US-Dollar) an ein Unternehmen oder 15.000 Schekel (4.400 USD) an eine Privatperson in bar zu zahlen. Um diese Beschränkungen zu umgehen, werden Barzahlungen in Dollar getätigt.

Auch in Schweden schien die vollständige Digitalisierung des Geldes fast schon Realität zu sein. Dennoch vollzog die Politik im Jahr 2020 eine Kehrtwende. Kreditinstitute sind nun wieder verpflichtet, Dienstleistungen in bar anzubieten. Die Digitalisierung, die eine Dematerialisierung des Geldes hervorbringt, verhinderte die Wahl des Zahlungsmittels und schloss bestimmte Bevölkerungsgruppen – etwa ältere Menschen oder Reisende – aus. Ausserdem setzte dies ein flächendeckendes Telefonnetz voraus, was nicht überall der Fall war.

Was, wenn es nicht funktioniert?

Ein gewichtiges Argument gab den Ausschlag. Wenn ein Cyberangriff die Zahlungssysteme für digitales Geld lahmlegen sollte, wie sollten die Bürger dann noch grundlegende Zahlungen tätigen können? Die Antwort ist klar: mit Bargeld, womit denn sonst?

Bei den Zahlungsmethoden nutzen immer mehr Menschen das digitale Geld. Aber auch immer mehr Menschen beginnen, eine Ăśberwachung via die Zahlungsmethoden zu fĂĽrchten. Es ist im Extremfall zu befĂĽrchten, dass Methoden der sozialen Kontrolle, wie man sie heute in China sieht, dereinst auch in Europa Einzug halten werden.

Zum Schutz der Privatsphäre

Bargeld ist also weiterhin wichtig. Es ist letztlich eine Möglichkeit, nicht alle Eier in denselben Korb zu legen. Es ist ein Prinzip der Sicherheit, ein Mittel zur Integration – und nicht zuletzt eine Methode zum Schutz der Privatsphäre.

Mikael Huber,

Ressortleiter sgv

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