Publiziert am: 20.03.2020

Nicht besonders teuer

VERSICHERUNGSRATGEBER – Was Grobfahrlässigkeit gemäss Rechtslehre bedeutet, ist klar. Nicht so allgemein kann die Kürzungspraxis der Versicherungen beurteilt werden. Deshalb möchte ein Unternehmer von unserem Experten wissen, ob er die Zusatzversicherung für einen Grobfahrlässigkeitsschutz überhaupt braucht.

S.L. aus B.: «Ich treffe mich jedes Jahr mit meinem Berater, um meinen Versicherungsschutz zu überprüfen. Dabei habe ich den laufenden Vertrag an neue Risikoverhältnisse angepasst und die Versicherungssummen korrigiert. Wir haben auch über Sorgfaltspflichten diskutiert und mein Versicherungsberater hat mir gegen eine Mehrprämie eine Zusatzversicherung für einen Grobfahrlässigkeitsschutz offeriert. Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich diesen Zusatz abschliesse. Mir wurde zugetragen, dass die Versicherungen oft kulant seien und schwere Sorgfaltspflichtverletzungen immer weniger ahnden. Was können Sie mir empfehlen?»

Sehr geehrter Herr L.: Alle Verträge enthalten einen mehr oder weniger umfangreichen Katalog von Sorgfaltspflichten. So auch die Versicherungsverträge mit ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB).

Der Versicherungsschutz ist keinesfalls ein Persilschein. Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) gewährt Versicherungen explizit das Recht, in Fällen von Grobfahrlässigkeit Leistungen zu kürzen. Eine entsprechende vertragsrechtliche Ahndung von Grobfahrlässigkeiten greift demnach auch in Betriebs- und Haftpflichtversicherungen. Je nach Fallkonstellation kann ein Schaden sogar vollumfänglich abgelehnt werden, wenn dem Verursacher ein vorsätzliches Fehlverhalten angelastet werden kann. Dazu kommt es zum Glück jedoch sehr selten. Aber die Versicherer sind gemäss Gesetz und AVB gehalten, die Leistung nach Massgabe des Verschuldens zu kürzen, wenn dem Versicherten eine grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann.

Unsere Gerichte bezeichnen ein entsprechendes Verhalten im Einzelfall dann als grobfahrlässig, wenn der Versicherungsnehmer oder Anspruchsberechtigte gemäss VVG Art. 14 die gebotene Sorgfaltspflicht, d.h. eine elementare Vorsichtspflicht,verletzt.

Beispiele von Grobfahrlässigkeit

Gemäss Lehre und Rechtsprechung gilt als grobfahrlässig, wenn eine Verhaltensweise ausser Acht gelassen wurde, die ein normal handelnder Versicherter beachtet hätte. Mit anderen Worten also bei einem Verstoss gegen Sorgfaltspflichten, der mit etwas gesundem Menschenverstand vermeidbar gewesen wäre.

Als Beispiel einer «krassen» Sorgfaltspflichtverletzung gälte, wenn Sie bemerken, dass Ihre Notstromversorgung nicht richtig funktioniert und Sie darauf verzichten, den Fehler zu beheben. Durch einen plötzlichen Stromausfall gehen dann wichtige Kunden- oder Rechnungsdaten verloren, die durch die Notstromversorgung erhalten geblieben wären. Da Sie mit einem solchen Schaden hätten rechnen müssen, haben Sie grobfahrlässig gehandelt.

Damit ein Schaden über die Betriebsversicherung als gedeckt gilt, muss deshalb ein Versicherter im Zweifelsfall nachweisen können, dass er im Moment der Schaden­verursachung alle gebotene Sorgfalt beachtet hat.

Grobfahrlässigkeit versichern

Der Zusatzschutz für einen Verzicht auf eine Leistungskürzung bei Vorliegen einer allfälligen Grobfahr­lässigkeit ist nicht besonders teuer. Mit diesem Zusatzschutz können Sie in jedem Fall einen vollen Schadenersatz beanspruchen.

Die Frage nach der Kürzungs­praxis der Versicherungen kann so allgemein nicht beurteilt werden – Kürzungen oder allenfalls Ablehnungen sind stets abhängig vom Sachverhalt.

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