Publiziert am: 19.11.2021

Nicht mal analog gut

FAIR IST ANDERS – Die Post kauft rundum Betriebe zu – und vernachlässigt gleichzeitig ihr Kerngeschäft. Ein Parade­beispiel, weshalb die neu auf Bundesebene angelangte Aktion «Fair ist anders» dringend nötig ist.

Unternehmen, welche ganz oder teilweise im Besitz der öffentlichen Hand sind, werden mit Firmenzukäufen und neuen Dienstleistungen immer häufiger zu direkten Konkurrenten von privaten Unternehmen und Gewerbebetrieben. Dabei nützen sie ihre Monopolstellung und ihre Kapitalkraft zum Nachteil der privaten Betriebe aus. Dagegen wehrt sich die Aktion «Der Staat als Konkurrenz – Fair ist anders». Ursprünglich vom kantonalen Gewerbeverband Berner KMU initiiert, ist «Fair ist anders» nun auf Bundesebene angelangt. In der Herbstsession wurde eine breit abgestützte Parlamentarische Gruppe gegründet, die dafür sorgen soll, «dass sich die nationale Politik endlich ernsthaft mit der Problematik beschäftigt». (vgl. Seite 2).

Abbauen – und aufkaufen

Dass Korrekturen dringend nötig sind, zeigt das Beispiel der Post auf. Der «Gelbe Riese» hat in den ersten neun Monaten dieses Jahres einen Gewinn von 370 Millionen erwirtschaftet und baut weiter Filialen ab. Und er kauft rundum KMU auf. So dieser Tage auch die Dialog Verwaltungs-Data AG im luzernischen Bald-egg. Man wolle «öffentliche Verwaltungen und Gemeinden bei der Digitalisierung verstärkt unterstützen», begründet die Post den Zukauf.

Das Kerngeschäft nicht im Griff

Aus Kundensicht täte die Post allerdings gut daran, erst ihre eigenen, digitalen und analogen Probleme im Kerngeschäft – der Zustellung von Postsendungen – in den Griff zu bekommen. Dass sie dies nicht tut, zeigte sich dem Autor dieser Zeilen in den vergangenen Tagen. Erste Mails und Telefonate von Externen – Krankenkasse, Provider und Handwerksbetriebe – liessen nichts Gutes erahnen. Mit dem Vermerk «Empfänger nicht ermittelbar» gingen Postsendungen, darunter auch Rechnungen über grössere Beträge, zurück an die jeweiligen Absender. Dies, obwohl die Adresse seit Jahrzehnten unverändert ist – und ohne jegliche Nachfrage oder auch nur einen Hinweis seitens der Post. Gleich zweimal retourniert wurde die bezahlte Anwohnerparkkarte – 40 Franken Busse das unerfreuliche Resultat. Getoppt nur von der 3. Steuerrate 2020; sie wurde ohne jeden Vermerk an den Absender retourniert...

Probleme mit der Digitalisierung

Eine Nachfrage bei der Post ergab: Die Empfängeradresse wurde schlicht und ergreifend gelöscht. Grund: Ein Post-internes IT-Problem, das laut Aussagen der Schalterbeamten «bei vielen anderen Empfängern auch» zu grossem Ärger geführt habe. Und bei den Absendern zu ungewohnt vielen, teuren Retouren.

Die Post wächst und wächst, sie wildert dank ihrer Finanzkraft immer weiter, während sie das Kerngeschäft vernachlässigt. Höchste Zeit, dass die Politik hier – und bei anderen staatsnahen Unternehmen – endlich genauer hinschaut.

Gerhard Enggist

www.fair-anders.ch

Interview: Seite 2

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