Publiziert am: 04.09.2020

«Niemand soll aussteigen»

NADINE CAPREZ – Kaderfrau, Mitglied der Geschäftsleitung zweier Firmen und Familienfrau: Nadine Caprez will die Diversität in der Wirtschaft fördern und sowohl Selbstständigen als auch berufstätigen Familien eine Chance geben. Deshalb befürwortet sie höhere Kinderabzüge klar.

Nadine Caprez hat einen beeindruckenden Werdegang als Unternehmerin, Start-up-Beraterin und Verwaltungsrätin hinter sich. Die Zürcherin ist eine Macherin, die gerne mutig ihre Komfortzone verlässt und neue Ideen entwickelt und realisiert – dies mit viel Herzblut. Zu Beginn ihrer Berufslaufbahn nach einem BWL-Studium rettete sie das elterliche Unternehmen mit 50 Mitarbeitern vor dem Konkurs. Diese Erfahrung habe sie geprägt: «Da habe ich als junge Absolventin der Universität begriffen, dass man vieles selbst bewegen kann. Damals habe ich realisiert, wo meine Stärken liegen und was ich mir zutrauen kann.» Mit dieser wertvollen Lebenserfahrung im Rucksack fackelte sie nicht lange, als ihr Mann und zwei Arbeitskollegen ihre Stellen verloren, und gründete zusammen mit ihnen die Firma Spline AG, die Technologien für Smart Homes entwickelt und ausführt.

Die innovative Firma im zürcherischen Thalwil ist seit 16 Jahren erfolgreich auf Kurs. «Wir beschäftigen 20 Mitarbeitende. Meine Bereiche sind die Finanzen und das Personalwesen», sagt Caprez. Doch nicht genug: Über die letzten zehn Jahre hat die engagierte KMU-Frau die Non-Profit-Organisation GO! Mikrokredite, die zur Hauptsache von der Stadt Zürich und dem Kanton Zürich finanziert wird, aufgebaut. Heute führt sie die Organisation in einer Co-Geschäftsführung. Hier kann sie all ihre Kenntnisse und Stärken als Unternehmerin einbringen und so andere KMU unterstützen. «Wir prüfen Geschäftsmodelle, entwickeln Strategien und besprechen Finanzierungen für Selbstständige und solche, die es werden wollen», erklärt Caprez. Sie hat sich ein breites Branchenwissen im Firmenauf- und -ausbau aufgebaut und verfügt über ein grosses Netzwerk in der Start-up-Szene sowie in der Finanzierung solcher. Ihr grosses Know-how kann sie auch in ihren Verwaltungsratsmandaten einbringen: «Ich berate Firmen in strategischen und unternehmerischen Belangen. Alle Mandate beinhalten fachliche wie strategische Schwerpunkte in den Bereichen Finanzierung, Liquidität, Strategie und operative Führung.» Dabei ist sie ist mit viel Leidenschaft am Werk. «Ich möchte im Moment gerne noch in ein bis zwei weiteren KMU als aktive Verwaltungsrätin tätig sein. Ich bin offen für Anfragen.»

Selbstständigen eine Chance bieten

Sehr am Herzen liegt ihr die Frauenförderung, wobei sie das Wort nicht gerne in den Mund nimmt. Sie spricht da lieber von Diversität, «denn die Vielfältigkeit der Wirtschaft und Gesellschaft soll gefördert werden». Gerne begleitet sie junge Unternehmerinnen in ihren geschäftlichen Ambitionen. Dabei greift sie auf die eigenen Erfahrungen zurück. Allerdings sei ihr Werdegang kein Rezept für andere Frauen, stellt sie fest. «Jede Frau muss selbst ihren Weg finden.»

Was sie persönlich betrifft, so ermöglichen ihr ihre Rollen als Mutter und Unternehmerin, ein vielfältiges Leben zu führen. Dabei genügt es nicht, gut organisiert zu sein. Noch viel wichtiger ist ein familienfreundlicher «Mindset». «Ich bin nicht allein, hinter mir steht ein ganzes Team von Menschen – von meinem Mann über den Vereinspräsidenten bei GO! Mikrokredite, die anderen GL-Mitglieder und Mitarbeiter der Spline AG bis hin zu meinen Eltern, Freunde etc. –, die mich in irgendeiner Weise unterstützen.» Jede Woche gestaltet sich anders: «Es bedingt eine hohe Flexibilität, die seit Corona bei der Arbeit noch unabdingbarer geworden ist.»

Familien eine Chance bieten

Die erfahrene Geschäftsfrau will anderen Chancen bieten. «Dank meiner Position bei GO! Mikrokredite kann ich über die Vergabe von Krediten bis zu 40 000 Franken an Unternehmerinnen und Unternehmer entscheiden.» Der Frauenanteil ist dabei bei den Selbstständigen mit über 50 Prozent sehr hoch. «Über 85 Prozent sind nach fünf Jahren noch immer auf Kurs», freut sich Caprez. Allerdings dürften sich Frauen mehr zutrauen und Firmen mehr Chancen bieten. «Wir haben viele gut ausgebildete Frauen am Start, und die Ausgangslage ist so gut wie nie.»

Als weiteres berufliches Standbein agiert die 44-Jährige als Beraterin und Sparringspartnerin von KMU. Sie begleitet zurzeit unter anderem Tadah, einen Co-Working-Space in Zürich mit Kinderbetreuung. Auch hier kann sie als dreifache Mutter mit ihrem grossen Erfahrungsschatz aus dem Vollen schöpfen und Familien Chancen bieten. Tadah bietet das, was in der heutigen Arbeitswelt überall gefragt ist – Flexibilität. «Damit erhalten Eltern die Möglichkeit, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen. Tadah ermöglicht professionelle Arbeitsplätze inklusive Kinderbetreuung unter demselben Dach, aber nicht im selben Raum», konkretisiert Caprez. «Das Angebot wird von unterschiedlichen Personen genutzt – von der selbstständigen Mutter, die Netzwerk und Raum braucht, über den angestellten Vater, der einen halben Tag konzentriert arbeiten, den Rest des Tages aber mit seinen Kindern verbringen möchte, bis hin zu Unternehmen, die ihren Mitarbeitern so Flexibilität bieten und schaffen.»

Ja zu höheren Kinderabzügen

Corona hat nochmals verdeutlicht, wie wichtig die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist. In diese Richtung zielen auch Bundesrat und ­Parlament, die bei der direkten ­Bundessteuer die Kinderabzüge erhöhen möchten. Als engagierte Unternehmerin und Familienfrau unterstützt Caprez diese Vorlage, die am 27. September an die Urne kommt.

«Ein deutliches Ja wäre ein klares und längst fälliges Signal in die richtige Richtung.»

Ihr Ja «zum Kinderabzug für mehr Steuergerechtigkeit und Frauenförderung» begründet sie damit, dass familienfreundliche Strukturen wichtiger denn je sind. «Wenn die Gesellschaft das benötigt – und das tut sie –, dann müssen wir möglichst familienfreundliche Strukturen schaffen.» Für die Mutter und KMU-Frau ist die Vorlage ein wichtiger Schritt in Richtung Vereinbarkeit von Beruf und Familie. «Ein deutliches Ja wäre ein klares und längst fälliges Signal in die richtige Richtung. Allerdings braucht es noch weitere solche Meilensteine», ist Caprez überzeugt. Aus eigener Erfahrung weiss sie, dass die Betreuungskosten hoch sind und nicht jede Familie sich diese leisten kann. Ein höherer steuerlicher Kinderabzug würde diesem Missstand entgegenwirken. «Niemand sollte aufgrund von hohen Kosten und fehlenden Betreuungseinrichtungen aus dem Erwerbsleben aussteigen», findet Nadine Caprez. «Das ist volkswirtschaftlich ein grosser Verlust.» Corinne Remund

www.nadinecaprez.ch

www.ja-fuer-familien.ch

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