Publiziert am: 21.01.2022

«Noch grössere Abhängigkeit»

MEDIENGESETZ – Alt Nationalrat Peter Weigelt (FDP/SG) ist zurück: Er habe sich seit jeher für unabhängige Medien, Meinungsfreiheit und Medienvielfalt eingesetzt. «Mit dem Medien-Subventionsgesetz ist all dies infrage gestellt, ich kann nicht nur die Faust im Sack machen.»

Schweizerische Gewerbezeitung: Sie sagen von sich, dass Sie sehr gut loslassen können. Trotzdem kehren Sie als Präsident des Abstimmungskomitees «Staatsmedien NEIN» noch einmal in die Politik zurück. Was ist Ihre Motivation?

Peter Weigelt: Das Massnahmenpaket zugunsten der Medien ist so ungeheuerlich, dass ich nochmals auf die politische Bühne steigen muss. Als engagierter Medienpolitiker, Präsident der FDP-Medienkommission, Sprecher der RTVG-Revision im Nationalrat oder als Mitglied der Verfassungskommission habe ich mich immer für unabhängige Medien, für Meinungsfreiheit und Medienvielfalt eingesetzt. Da mit dem neuen Medien-Subventionsgesetz all dies infrage gestellt ist, konnte und kann ich nicht einfach zurücklehnen und nur die Faust im Sack machen.

Was hätte eine Annahme des Mediengesetzes mit Unterstützungsbeiträgen von jährlich 180 Millionen Franken konkret zur Folge?

Zuerst möchte ich hier eine grundsätzliche Vorbemerkung machen: Es ist falsch, wenn der Staat private Unternehmen mit Steuergeldern unterstützt, direkt oder indirekt. Die Folgen sind immer Abhängigkeit, Wettbewerbsverzerrung und fehlende Innovationen.

Zu Ihrer Frage: Gemäss Mediengesetz würden rund 70 Prozent der neuen Subventionen in die Taschen der vier grossen Medienkonzerne fliessen. Damit würden deren Medienmonopole zementiert, zulasten der wenigen noch unabhängigen kleinen und mittleren Verlage. Zudem würden immer höhere Mediensubventionen zu grösserer Abhängigkeit führen und die Rolle der Medien als 4. Gewalt im Staat zunehmend infrage stellen.

Ephraim Kishon sagte einmal: «Medien sind bellende Wachhunde der Demokratie.» Diese vermeintlichen Wachhunde mutieren immer mehr zu Schosshündchen an der Leine des Bundesrats und der Politik.

«Fake News», «Lügenpresse», journalistischer Einheitsbrei: Um das Vertrauen in die Medienbranche war es auch schon besser bestellt. Ist da eine Reform nicht angezeigt? Es müsste doch im Interesse aller sein, dass die Bürger einer direkten Demokratie verlässlich informiert werden?

Ich denke, dass uns gerade die vergangenen Monate gezeigt haben, wie unkritisch unsere Zeitungen geworden sind. Verlautbarungs-Journalismus dominiert insbesondere die nationale Berichterstattung. Das aufgetauchte Geheimvideo, in dem Marc Walder als CEO von Ringier zugibt, seine Redaktionen auf Regierungskurs gezwungen zu haben, sagt alles!

Eine medienpolitische Reform ist sicher angezeigt. Aber diese darf nicht wie das vorliegende Medien-­Subventionsgesetz bestehende Monopole zementieren und überholte Vertriebsstrukturen belohnen. In einer Zeit, in der nur noch 17 Prozent der Bevölkerung bereit sind, für News zu bezahlen, ist die Ausgrenzung von Gratiszeitungen und -onlineplattformen schlicht inakzeptabel. Das Nutzer- und Leseverhalten der jungen Generation orientiert sich nicht an abonnierten Zeitungen. Aber gerade die Einbindung der kommenden Generation in die politische Willensbildung und Mitwirkung muss eine primäre Zielsetzung einer zukunftsweisenden Reform sein.

Die indirekte Presseförderung, also die Übernahme eines Teils der Zustellungskosten durch den Bund, existiert bereits seit 1849. Führten die Staatsgelder tatsächlich zu Abhängigkeiten bei den Medien, müssten diese doch längst bestehen?

Zunächst einmal: Glaubwürdigkeit ist das Kapital der Medien. Schon allein der Anschein der Befangenheit und Staatsdienerei ist Gift für die Medien.

Zu Ihrer eigentlichen Frage: Aktuell werden 30 Millionen Franken für die indirekte Medienförderung eingesetzt, primär für die Kleinen und Mittleren. Neu sollen es 90 Millionen sein. Dazu kommen noch 30 Millionen Subventionen für Online-medien, zusätzliche 28 Millionen Subventionen für Lokalradios und Regional-TV sowie weitere 25 Millionen für Massnahmen für alle Medien. Zusammen mit dem bestehenden Gebührensplitting von 81 Millionen und dem Sondersatz bei der Mehrwertsteuer von 130 Millionen ergibt dies jährlich rund 400 Millionen an Staatsgeldern, die in die Medien fliessen. Diese Summe mit der historischen Praxis von 30 Millionen zu vergleichen, ist doch recht abenteuerlich.

Die NZZ bringt es auf den Punkt: «Niemand wird ein Parlament in einer Analyse in Grund und Boden schreiben, wenn er vom Goodwill eben jenes Parlaments abhängig ist.»

Sie bezweifeln, dass die im Gesetz verankerte Befristung auf sieben Jahre für Vergünstigungen bei der Zustellung und der Mittel für die Onlinemedien eingehalten wird. Weshalb?

Wie bereits erwähnt, können einmal eingeführte Subventionen kaum mehr abgeschafft werden. Denn sie werden zu einer festen Ertrags- oder Kostenminderungs-Position. Wenn diese wegfällt, funktionieren die entsprechenden Geschäftsmodelle nicht mehr.

Nehmen wir das Beispiel eines Onlineportals, das 60 Prozent seines Abo-Umsatzes vom Staat durch direkte Subventionen abgegolten bekommt. Wenn nach sieben Jahren dann plötzlich dieser gute Drittel an Einnahmen wegbricht, dann müssten gleichzeitig auch die Kosten um einen Drittel gekürzt werden. Das ist völlig unrealistisch, genauso wie die Vorstellung, dass die Politik dann all die subventionierten Onlineplattformen Konkurs gehen lassen würde. Direkte Subventionen sind immer für die Ewigkeit.

Immer weniger Menschen sind dazu bereit, für Medieninhalte zu bezahlen. Die einstigen Inserateeinnahmen fliessen zu den gros-sen Internetplattformen ins Ausland. Was kann das Mediengesetz daran ändern?

Richtig ist, dass in der Schweiz gemäss der neusten Umfrage nur 17 Prozent der Bevölkerung bereit sind, für News zu bezahlen. Daran wird auch ein Ja zum Mediengesetz nichts ändern, die Weichen sind auf kostenfreien Newskonsum gestellt.

Falsch hingegen ist, dass einstige Inserateeinnahmen zu grossen Plattformen ins Ausland abfliessen. Das auch, aber vor allem fliessen diese in die Onlinemarktplätze von TX Group und Ringier. Über Jahrzehnte waren die Einnahmen aus Stelleninseraten, Immobilien- und Wohnungsinseraten oder aus dem Automarkt wichtige Ertragsquellen der Tageszeitungen. Die Zürcher Medienkonzerne lagerten diese Erträge in eigenständige Onlinemarktplätze wie Homegate, Ricardo oder Scout24 aus und bluteten damit die eigenen wie auch andere regionale und lokale Zeitungen aus.

Ende August 2021 haben Ringier und TX Group ihre Onlinemarkt-plätze in ein neues, gemeinsames Digitalunternehmen eingebracht. Der Wert des neuen Unternehmens wurde mit 2,7 Milliarden Franken bewertet. Insgesamt spülte diese Transaktion allein der TX Group (Tagesanzeiger) 270 Millionen Franken in die Kassen, die Hälfte davon in bar.

Das Mediengesetz stärkt nun sogar die Stellung der Zürcher Monopolisten zulasten aller anderen Medien in der Schweiz und verhindert so gerade im Onlinemarkt das Entstehen neuer regionaler und innovativer Marktplätze.

«Wer Subventionen sät, erntet Regulierungen.»

Die Fronten beim Mediengesetz verlaufen relativ klar zwischen links und rechts. Linke Parlamentarier sind dafür, bürgerliche tendenziell dagegen: Welche Auswirkungen erwarten Sie vor diesem Hintergrund für die Abstimmung vom 13. Februar?

Ich stimme zu, dass vordergründig eine Links-Rechts-Positionierung besteht. In der Praxis erlebe ich aber viele aus dem linken Lager, die mir gegenüber klar zum Ausdruck bringen, dass sie nicht bereit sind, den Zürcher Medienmillionären Hunderte Millionen Steuerfranken zuzuschanzen. Andererseits gibt es im rechten Lager Personen, die glauben, unsere Demokratie sei in Gefahr, wenn die Medien nicht vom Staat gerettet würden.

Persönlich bin ich guten Mutes, dass wir mit unserem NEIN gewinnen. Denn das Schweizer Stimmvolk hat ein feines Gespür, wenn eine Vorlage überladen ist, wenn Steuergelder ungerecht verteilt werden und wenn unehrlich argumentiert wird. Dieses politische Empfinden lässt sich auch von einer millionenschweren Verleger-Kampagne nicht täuschen. Vor allem aber wissen wir alle, dass, wer Subventionen sät, Regulierung erntet. Wer kann das glaubwürdiger bestätigen als Bauernpräsident Markus Ritter, der zum staatlichen Einfluss auf subventionierte Medien sagt: «Wer dies nicht glaubt, kann die heutige Situation der Schweizer Landwirtschaft anschauen.»

Interview: Adrian Uhlmann

www.medien-massnahmenpaket-nein.ch

ZUR PERSON

Peter Weigelt, St. Gallen, ist Präsident des Referendumskomitees «NEIN zu staatlich finanzierten Medien». Er war von 1995 bis 2006 für die FDP im Nationalrat und damals Kommissionssprecher zum revidierten Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) und zum revidierten Fernmeldegesetz (FMG) sowie Präsident der FDP-Medienkommission, zudem war er Mitglied in der Gewerbekammer des sgv.

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