Publiziert am: 21.11.2014

Nun ist die Politik am Zug

ENERGIESTRATEGIE 2050 – Die Energiestrategie 2050 steht am Anfang des parlamentarischen Prozesses. In der Wintersession wird sie erstmals im Nationalrat diskutiert.

Was bringt die Energiestrategie 2050? Die Vorlage ist umfassend. Gleich neun Gesetze werden geändert: Von der direkten Bundessteuer bis zu den CO2-Regularien – die Vorlage hat Querschnittscharakter. Das Herz der Strategie bildet jedoch das Energiegesetz, das totalrevidiert wird.

«ENERGETISCHE SANIERUNGEN VON DEN STEUERN ABZIEHEN – DAS IST BAHNBRECHEND.»

Die Energiestrategie 2050 war als Antwort auf Zweierlei gedacht. Erstens auf die Neuorientierung der Schweizer Energiepolitik nach dem Unfall im japanischen Fukushima. Zweitens als Gegenvorschlag zur Atomausstiegs-Initiative. Doch das zweite soll nach der nationalrätlichen Kommission nicht geschehen. Sie will nämlich die Vorlage vom Gegenvorschlag trennen. Das heisst, die Volksinitiative bleibt ohne Gegenvorschlag, und die Strategie wird ohne Volksinitiative beraten und eventuell in Kraft treten.

Das Positive zuerst ...

Was ist von der Energiestrategie 2050 zu halten? Geradezu bahnbrechend ist ein Vorschlag der Kommission: Investitionen in die energetische Sanierung von Gebäuden und Ersatzneubauten sollen steuerlich absetzbar sein. Der Vorschlag will diese Absetzbarkeit über vier Jahre möglich machen, wenn eine gewisse Wirkungseffizienz erreicht wird. Diese steuerliche Absetzbarkeit soll im Übrigen sowohl für natürliche Personen als auch für Unternehmen gelten. Damit würde eine alte ordnungspolitische Forderung des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv erfüllt. Es wird ein Anreiz geschaffen, der keine zusätzlichen Subventionen enthält. Zudem wird die Wirkung und nicht die Massnahmen belohnt, was die Mitnahmeeffekte minimiert. Nun ist es wichtig, diesen Kommissionsbeschluss auch vom Plenum des Nationalrates verabschieden zu lassen.

Ebenfalls positiv zu werten sind gewisse Vereinfachungen im Bereich der Bewilligungsverfahren für Stromproduktionsanlagen. Die Einrichtung des «nationalen Interessens» kann vertrackte Verhandlungen bezüglich Bau von Anlagen und Netzen erleichtern.

... und dann das Negative

Doch nicht alles lief aus Sicht des sgv bisher gut. Die Abgabe auf den Strom für die Finanzierung der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) soll neu maximal 2,3 Rappen pro Kilowattstunde betragen. Das wäre ein Sprung von fast 110 Prozent im Vergleich zu heute. Auch werden die Subventionen der KEV auf grössere Wasserkraftwerke ausgedehnt. Das langwährende Anliegen des sgv, stromeffiziente Unternehmen zu befreien, ist nicht aufgenommen worden. Zudem soll die CO2-Abgabe von heute 60 auf neu 84 Franken pro Tonne steigen. Damit würde die Abgabe innerhalb von drei Jahren insgesamt um 133 Prozent steigen (vor einem Jahr betrug sie noch 36 Franken pro Tonne). Das ist unverhältnismässig. Positiv ist lediglich eine Minderheitsposition, welche Gebäude mit hoher Energieeffizienz von der Abgabe befreien möchte. Ein gutes Abschneiden beim Gebäudeenergieausweis soll zu einer Befreiung führen.

«DIE VERTEUERUNG DER CO2-ABGABE IST UNVERHÄLTNISMÄSSIG.»

Weiter wird ein kompliziertes Vorschriftenverfahren im Bereich der Bauten, Mobilität und Geräte eingeführt. Auch kommt die Vorlage ohne Technologieverbote – z. B. Elektroheizungen und bestimmte Fahrzeugtypen – nicht aus.

Weiterhin konstruktiv

In der kommenden Wintersession wird die Energiestrategie 2050 im Nationalrat beraten. Ob der Rat seiner Kommission folgt oder nicht, bleibt abzuwarten. Nach ihrer Behandlung im Nationalrat geht die Vorlage in den Ständerat. Auch dies wird Zeit beanspruchen.

Der sgv hat frühzeitig entschieden, an der Energiestrategie 2050 konstruktiv mitzuwirken. An dieser Position wird vorläufig festgehalten. Wenn die steuerlichen Massnahmen in der Vorlage bleiben, die KEV-Abgabe sowie die CO2-Abgabe auf ein erträgliches Mass reduziert werden und auf bürokratische Überregulierung verzichtet wird, steht der sgv weiterhin zur Energiestrategie 2050.

Henrique Schneider, Ressortleiter sgv

 

MUSTERENERGIEVORSCHRIFTEN

Ein problematischer Sololauf der Kantone

Zugegeben: Eine Pflicht zu energetischen Gebäudesanierungen und das Strafrecht passen nicht zueinander. Doch wenn es nach den neuen Musterenergievorschriften der Kantone (MuKEn) geht, gehören beide zusammen. Um es überspitzt zu formulieren: Ab in die Kiste, wer nicht saniert.

Natürlich wird es nicht so weit kommen. Aber umso weitreichender sind die neuen MuKEn. Während auf Bundesebene die Energiestrategie 2050 noch diskutiert wird, nehmen die ­MuKEn schon die Ergebnisse voraus. Noch hat das Parlament nicht einmal Ziele gesetzt, und schon sind die Kantone daran, etwas umzusetzen. Und dieses «etwas» ist ambitioniert. Das mag zwar im Ansatz gut sein, wirkt sich aber verheerend aus.

Falscher Denkansatz

Erstens laufen die MuKEn Gefahr, nicht kongruent mit der Energiestrategie des Bundes zu sein. Zweitens haben viele Verbände während der Vernehmlassung der kantonalen Vorschriften auf den fehlerhaften Denkansatz hingewiesen: Energetisch effizient sind die Wirkungen eines integrierten Plans und nicht die einzelnen Massnahmen, wie es die MuKEn uns vorspiegeln sollen. Problematisch wird es, wenn die Kantone sehr tief in die Eigentumsfreiheit eingreifen wollen. So ist zum Beispiel eine Sanierungspflicht vorgesehen. Kantone können also Gebäudeeigentümer verpflichten, gleich das gesamte Gebäude zu sanieren, wenn sie an der Heizung oder Technik punktuelle Anpassungen vornehmen. Zudem schaffen die Musterenergievorschriften auch ein eigenes Energiestrafrecht. Sogar strafrechtliche Bestimmungen sollen gelten. Das ist eindeutig des «Guten» zu viel.

Kanton fĂĽr Kanton

Natürlich sind die MuKEn erst Vorlagen. Den Kantonen steht es offen, die Vorschriften ins kantonale Recht zu überführen. Doch weil sie eben «nur» eine Vorlage sind, entziehen sie sich einer politischen Beurteilung. Wer die MuKEn bändigen will, muss also Kanton für Kanton politisch aktiv werden. Der Sololauf der Kantone schädigt nicht nur den Standort Schweiz. Er wirkt sich auch auf die Energiestrategie 2050 negativ aus. Je weiter die Kantone gehen, desto weniger akzeptiert wird die übergeordnete Strategie.Sc

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