Publiziert am: 04.11.2022

Öl: Lebensversicherung der Wirtschaft

Energie – Flüssige, fossile Energieträger wie Benzin, Diesel, Heizöl oder Kerosin werden seit Jahren schlechtgeredet, ja geradezu dämonisiert. Im Rahmen der aktuellen Energiekrise kommt dem Energieträger Erdöl nun aber eine entscheidende Rolle zu – vor allem auch, weil er viele Vorteile bietet.

Herbst 2022, die Schweiz wappnet sich für die möglicherweise schlimmste Energiekrise seit Jahrzehnten. In den kommenden Monaten drohen uns gleichzeitig der Strom und das Gas auszugehen; temporäre Blackouts, ein grosser wirtschaftlicher Schaden und kalte Wohnungen wären die Folge. In dieser Situation kommt dem Mineralöl eine eminent wichtige Rolle zu – nicht nur als Back-up-Energieträger, sondern ganz generell als verlässliche und vergleichsweise günstige Energiequelle.

Während Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer mit Wärmepumpen oder Gasheizungen nicht sicher sein können, ob ihr Wohnzimmer in den nächsten Monaten warm bleibt, können Ölheizungsbesitzer dem Winter gelassen entgegenschauen. Autofahrerinnen und Autofahrer, die ein Elektromobil ihr Eigen nennen, wissen nicht, ob sie ihr Gefährt den ganzen Winter über uneingeschränkt aufladen können – wer ein Auto mit Verbrennungsmotor fährt, kann sich diese Sorgen sparen. Und Industriebetriebe, die für ihre Prozesswärme bislang auf Gas gesetzt haben, stellen nach und nach auf Öl um. Es zeigt sich einmal mehr: nimmt man nicht nur den CO2-Ausstoss als Bewertungskriterium, hat Erdöl zahlreiche unschlagbare Vorteile gegenüber allen anderen Energieformen.

Sichere VerfĂĽgbarkeit, flexible Transportwege

Beim Transport von Mineralölprodukten ist man nicht wie beim Gas oder beim Strom an fixe Leitungen gebunden, die sich, wie sich im Falle der Sabotageaktion an der Nord-Stream-Pipeline auf erschreckende Art und Weise gezeigt hat, im Krisenfall als äusserst anfällig erweisen. Im Gegensatz dazu basieren der Import und die Verteilung von Mineralölprodukten auf vielen verschiedenen Transportwegen. Die in die Schweiz eingeführten Mineralölprodukte erreichen uns zu je rund 30% via Schiff, Bahn und Pipeline und zu rund 10% auf der Strasse. Der schweizerische Mineralölhandel ist somit sehr flexibel bei der Beschaffung seiner Produkte, was die enorme Resilienz des Gesamtsystems ausmacht und Klumpenrisiken in Form von Abhängigkeit von einzelnen Anbietern verringert.

Langjährige, dezentrale Lagerung

Der zweite und wohl gewichtigste Vorteil des Öls ist seine stabile Lagerfähigkeit. Mineralölprodukte verbrauchen aufgrund ihrer hohen Energiedichte vergleichsweise wenig Platz und lassen sich – auch hier im Gegensatz zu Strom oder Gas – problemlos jahrelang lagern. Die Vorratshaltung verteilt sich dabei dezentral über das ganze Land: Besitzerinnen und Besitzer von Ölheizungen verfügen in aller Regel stets über einen ansehnlichen Heizölvorrat im Keller – Statistiken besagen, dass die Heizöltanks in Schweizer Liegenschaften zu jedem x-beliebigen Zeitpunkt zu rund 50% gefüllt sind – und wer einen halb vollen Tank im Keller hat, der muss sich für die nächsten Monate keine Sorgen machen.

Darüber hinaus verfügt der schweizerische Mineralölhandel über ein riesiges Netz an Tanklagern mit einem Volumen von mehr als 7 Millionen Kubikmetern. Ein grosser Teil dieser Lagerkapazitäten entfallen auf die sogenannten Pflichtlager: Die Mineralölbranche ist gesetzlich verpflichtet, zu jeder Zeit für mindestens 4,5 Monate Heizöl, Benzin und Diesel zu lagern. Nur der Bundesrat kann entscheiden, ob diese Lager angezapft werden oder nicht. Diese Pflichtlager sind nichts Geringeres als die «Lebensversicherung» der schweizerischen Energieversorgung: Selbst im absoluten Notfall, wenn alle Stricke reissen und vom Ausland gar kein Rohöl mehr in die Schweiz importiert werden kann, ist die Versorgung von Wirtschaft und Gesellschaft mit Mineralölprodukten gesichert.

«Mineralölprodukte verbrauchen aufgrund ihrer hohen Energiedichte wenig Platz und lassen sich – im Gegensatz zu Strom oder Gas – problemlos jahrelang lagern.»

Last but not least befeuert Heizöl auch Zehntausende von Notstromaggregaten in der ganzen Schweiz und dient damit der Industrie als zuverlässiges Back-up für flatterhafte erneuerbare Energie. Vom Bauernhof bis zur Intensivstation: Im ganzen Land verlassen sich Firmen, Organisationen, Private und Betreiber von kritischen Infrastrukturen auf Heizöl, damit im Falle eines Stromausfalls nicht die Lichter ausgehen.

70000 Liter Heizöl – pro Stunde

Das grösste «Notstromaggregat» des Landes dürfte diesen Winter aber noch einiges zu reden geben: Das vom Bundesrat als Notmassnahme zur Verhinderung eines Strom-Blackouts geplante Ölkraftwerk im aargauischen Birr wird 470 Millionen Franken kosten und 70 000 Liter Heizöl benötigen, um zuverlässig Strom zu produzieren – pro Stunde, wohlgemerkt, nicht etwa pro Tag. Solch enorme Mengen flüssiger Energie lassen sich nicht per Lastwagen transportieren, weshalb bei der Planung des Notfallkraftwerks eine direkte Bahnverbindung gleich miteinbezogen worden ist.

Es wäre einer breiten Öffentlichkeit noch vor einem Jahr unvorstellbar gewesen, dass dereinst ein mit verpöntem Öl betriebenes Kraftwerk die Stromversorgung der Schweiz vor dem Totalabsturz retten müsste. Weniger überraschend kommt die Entwicklung hingegen für die zahlreichen Energieexpertinnen und -experten, die seit Jahren vor dem Scheitern der Energiestrategie warnen: Es sei nicht möglich, die Stromversorgung eines Industrielandes wie der Schweiz ausschliesslich mit erneuerbaren Energien sicherzustellen, man käme um Grosskraftwerke nicht herum, die rund um die Uhr Bandenergie liefern, so das Mantra der Energiewendekritiker.

«Heizöl befeuert zehntausende von Notstromaggregaten in der ganzen Schweiz und dient damit der Industrie als zuverlässiges Back-up für flatterhafte erneuerbare Energie.»

Mit dem Beschluss des Bundesrats, ein ölbetriebenes Notkraftwerk in Betrieb zu nehmen, sehen sich diese Stimmen nun bestätigt. Die magistrale Verzweiflungstat zeigt vor allem eines: die viel gepriesene Energiestrategie 2050 von alt Bundesrätin Doris Leuthard ist gescheitert. Und eine weitere Erkenntnis: Das bereits vielfach totgesagte Erdöl ist in diesem Winter lebendiger denn je – und als Lebensversicherung der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft schlicht unverzichtbar.

Ueli Bamert, Avenergy Suisse

www.avenergy.ch

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