Publiziert am: 18.03.2016

Offensichtlicher Mangel an Strategie

Stabilisierungsprogramm 2017–2019 – Der Zustand der Bundesfinanzen verschlechtert sich. Deshalb braucht es mehr ­Ambitionen – und eine Vision, wie der Haushalt auf lange Sicht im Gleichgewicht gehalten werden kann.

Ziel des Bundesgesetzes über das Stabilisierungsprogramm 2017–2019 ist es, dafür zu sorgen, dass die Vorgaben der Schuldenbremse in den kommenden Jahren eingehalten werden. Die starke Aufwertung des Schweizer Frankens nach der Aufhebung der Wechselkursuntergrenze gegenüber dem Euro durch die Schweizerischen Nationalbank SNB hat zu einer Verschlechterung der Bundesfinanzen geführt. Das wird im Vernehmlassungsbericht denn auch als einer der Hauptgründe für das neue Sparpaket angeführt.

«DIE EINHALTUNG DER SCHULDENBREMSE IST LANGFRISTIG NICHT 
GEWÄHRLEISTET.»

Das Programm sieht ab 2017 bis 2019 eine jährliche Ausgabenreduktion zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Franken vor. Um das zu erreichen, werden 25 Massnahmen vorgeschlagen, die sämtliche Aufgabenbereiche des Bundes betreffen und eine Änderung von zwölf bestehenden Bundesgesetzen sowie die Aufhebung eines dreizehnten notwendig machen.

Mehr als legitim

Der Sparzwang ist mehr als legitim. Der Zustand der Bundesfinanzen verschlechtert sich, und die Auswirkungen des starken Frankens haben die Dinge auch nicht besser gemacht. Das heisst, dass die vom ­Parlament bereits 2015 (mittels ­Konsolidierungs- und Aufgabenüberprüfungspaket 2014 sowie mittels Budget 2016) vorgenommenen Budgeterleichterungen zusammen mit dem Stabilisierungsprogramm 2017–2019 nicht ausreichen werden, um die Bundesfinanzen wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Unter diesen Voraussetzungen ist die Einhaltung der Mechanismen der Schuldenbremse langfristig nicht gewährleistet.

Es fehlt die Vision

Das Stabilisierungsprogramm müsste also ambitionierter sein und Massnahmen für substanzielle Ausgabenreduktionen in prioritären Bereichen enthalten, phasengleich mit den künftigen Herausforderungen der Bundesfinanzen. Die Budgetkürzungen des Programms sind insgesamt aber eher bescheiden und auf alle Aufgabenbereiche verteilt. Damit drängt sich die Frage auf, ob der Bundesrat überhaupt eine reelle strategische Vision hat. Das scheint nicht der Fall zu sein. Die Tatsachen, dass das Giesskannenprinzip angewendet wird und dass substanzielle Kürzungen in Bereichen stattfinden, die der Bundesrat selber als prioritär eingestuft hat – wie die Bildung und die Forschung –, und dass schliesslich «weniger prioritär» eingeordnete Sektoren wie die Kultur fast nicht beschnitten werden, sind Indizien für einen gewissen Gesamtstrategiemangel.

Die Astrengungen verdoppeln

Um die Vorgaben der Schuldenbremse auf Dauer zu erfüllen, müsste der Bundesrat in naher Zukunft eine vorsichtigere Finanzpolitik verfolgen und viel gewichtigere Kürzungen vornehmen. Er müsste also seine Anstrengungen verdoppeln, um sich ­einen ausreichenden Handlungs­spielraum zu verschaffen. Wenn die Sparbemühungen bezüglich der budgetieren Ausgaben heute eine Milliarde Franken jährlich anstreben, müssten Anstrengungen in der Grös­senordnung von zwei Milliarden Franken pro Jahr unternommen werden, und dies auf Basis einer umfassenderen und überlegteren Strategie. Es gibt genügend Länder, die die Schweiz um die Lage ihrer öffentlichen Finanzen beneiden und selber seit mehreren Jahren alarmierende Defizite präsentieren. Könnte die Schweiz daraus nicht einige Lehren ziehen und etwas vorsichtiger sein?

Keine Mehrbelastungen

Im Vernehmlassungsbericht steht zu lesen, der Bundesrat werde sich insbesondere bei der Reform der Altersvorsorge 2020 dafür einsetzen, dass Lösungen gefunden werden, die den Bundeshaushalt weniger belasten als der Beschluss des Ständerates. Auch bei der Vorlage zur Schaffung des Nationalstrassen- und Agglomera­tionsverkehrsfonds (NAF) will sich der Bundesrat dafür einsetzen, dass für den Bund keine Mehrbelastungen entstehen, die über seinen eigenen Vorschlag in der Botschaft hinausgehen. Gelingt dies nicht, so wird das Stabilisierungsprogramm 2017–2019 durch ein weiteres Entlastungsprogramm mit Wirkung ab 2018 ergänzt werden müssen.

Keine fundierten Überlegungen

Sollten die strukturellen Defizite im Frühjahr 2016 weiter bestehen oder noch steigen, verfügen der Bundesrat und das Parlament über mehrere Mittel, um das zu korrigieren. Doch diese Massnahmen – sofern sie denn vom Parlament gutgeheissen werden – genügen nicht für eine Verbesserung der Lage und haben den Hauptnachteil, die Probleme aufzuschieben (verschobene Realisierung von Projekten, verschobene Kredite usw.). Diese Massnahmen sind nur Aufschub- oder Notfallmassnahmen und nicht wirklich fundierte Überlegungen, die der Bundesrat zwingend hätte vornehmen müssen.

Mehr Verantwortungs­bewusstsein

Um in Zukunft zu vermeiden, dass sich das Parlament vor komplexe Situationen gestellt sieht (Genehmigung von spezifischen Budgets und spezifischen Kürzungen ohne Ende) muss der Bundesrat unbedingt Verantwortungsbewusstsein entwickeln und in kürzester Frist eine Reform seiner Aufgaben einleiten, um danach in der Politik der öffentlichen Finanzen besser gewappnet zu sein und somit künftige Ausgabenreduktionen besser antizipieren zu können.

Alexa Krattinger,
Ressortleiterin sgv

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