Publiziert am: 24.01.2020

Ohne Mitarbeiter kein Know-how

HANS CHRISTEN AG – Die Zulieferin in der MEM-Branche hat seit über 70 Jahren einen Namen für höchste Präzision im Mikrobereich. Das KMU aus Herzogenbuchsee setzt dabei auf bestens ausgebildete Mitarbeiter, aktive Nachwuchsförderung, eine soziale Firmenkultur sowie höchste Agilität, um in einer zurzeit unsicheren Branche wettbewerbsfähig zu bleiben.

«Schuster bleib bei deinen Leisten» – seit ihrer Gründung befolgt die Hans Christen AG dieses Credo und hat es zu ihrem Erfolgsrezept gemacht. «Unsere Kernkompetenzen sind Getriebefertigungen und Zahnradherstellung. In diesem Bereich haben wir uns eine Nische geschaffen, denn es gibt nur ganz wenige Firmen, die in diesem Mikrobereich von 0,001 Millimeter arbeiten», erklärt Geschäftsführer Daniel Arn. Er führt das Unternehmen im bernischen Herzogenbuchsee bereits in der dritten Generation. Das KMU hat sich mit seiner Präzision im Mikrobereich auch international einen Namen gemacht.

Produziert werden kleine Meisterwerke in Metall, die sich perfekt einfügen und einwandfrei funktionieren, um das Grosse zum Laufen zu bringen. Dies sind Stirnräder, Schraubenräder, Zahnriemenscheiben, Kegelräder, Schnecken und Schneckenräder, Kettenräder, Zahnstangen und komplette Getriebe. «Unsere Spezialität sind flankengeschliffene Zahnräder von höchster Präzision. Das bedingt Professionalität auf allen Stufen und neuste Maschinen», betont Arn. Ob Zahnräder oder Rotationsteile, Prototypen oder komplette Baugruppen – produziert wird nach den individuellen Bedürfnissen der Kunden. Diese stammen mehrheitlich aus dem Maschinenbau (Textil- und Druckmaschinen, Pumpenhersteller) und der Automobilindustrie (Protypen). «Wir haben grosse Erfahrung in der Herstellung ganzer Baugruppen nach Serie.

«Eine Verlagerung ins Ausland ist für uns keine Option, aber wir sind hier in der Schweiz auf gute Rahmenbedingungen angewiesen.»

Ebenso ist die Bearbeitung hochwertiger Materialien eine unserer Stärken», sagt Arn. Abgerundet werden die Dienstleistungen des MEM- Unternehmens durch Bohr-, Fräs-, Dreh- und Schleifarbeiten auf CNC-Maschinen für einzelne Komponenten sowie aller Arten von Wärme- und Oberflächenbehandlungen.

Soziale Firmenkult ist unabdingbar

Bei der Produktion haben messbare Qualität wie auch Termintreue, Zuverlässigkeit absolute Priorität. «Nur so können wir als Zulieferer und Lohnfertiger in der Maschinenindustrie wettbewerbsfähig bleiben und uns in unserer Branche abheben», sagt Arn. Zehn Prozent der Produkte werden nach Deutschland, Österreich und Frankreich exportiert, 90 Prozent gehen indirekt in den Export. Das Unternehmen pflegt eine enge und gute Zusammenarbeit mit anderen mechanischen Betrieben, die im Zuliefererbusiness arbeiten. «Hier im Oberaargau ist eine reiche Maschinenindustrie angesiedelt. Dieser Standort mitten im Maschinenbau-Mekka ist deshalb optimal für uns, so haben wir kurze Wege und sind sehr flexibel – eine Bedingung, um marktfähig zu bleiben.» Um den hohen Qualitätsansprüchen im Hightech-Bereich ­gerecht zu werden, sind nicht nur modernste computergesteuerte Messmaschinen, die permanent kontrollieren, was produziert wird, sondern auch bestens ausgebildete Mitarbeiter notwendig. «Unsere Mitarbeiter sind die Träger unseres Know-how und deshalb die wichtigste Komponente im Betrieb. Sie werden bei uns oft speziell ausgebildet und bleiben lange im Betrieb», sagt Arn. Deshalb ist eine soziale Firmenkultur unabdingbar, die auch der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, modernen Teilzeitmodellen sowie weiteren Bedürfnissen der ­40 Mitarbeitenden Rechnung trägt. Unter Nachhaltigkeit versteht Arn aber auch umweltfreundliche Massnahen wie LED-Beleuchtung in der gesamten Produktion oder Strom aus 100 Prozent erneuerbarer Energie.

Nachteile im EU-Raum

Der Produktionsstandort Schweiz hat eine grosse Bedeutung für den Zulieferer. «Eine Verlagerung ins Ausland ist für uns keine Option, aber wir sind hier in der Schweiz auf gute Rahmenbedingungen angewiesen.» In diesem Zusammenhang macht Arn die Deindustrialisierung Sorge: «Wir haben bald nur noch Dienstleister – ein fragwürdiger Trend, wenn man bedenkt, dass klassisch produzierende Betriebe eine hohe Wertschöpfung bringen.» Deshalb wünscht er sich eine wirtschaftsfreundliche Politik, die sich zum Industriestandort Schweiz bekennt. «Es ist für uns mit einem ­grossen Aufwand verbunden, im EU- Raum Geschäfte zu tätigen, beispielsweise Stahl einzukaufen oder ein Ersatzteil zu beziehen. Unser System ist so programmiert, dass dieser Handel über die Schweiz läuft, was zu unserem finanziellen Nachteil ist.» Eine grosse Herausforderung sind auch die zunehmend unsinnigen bürokratischen Regulierungen. «Wir spüren diese in jedem Bereich. Es werden immer mehr Vorschriften, die uns Zeit und Geld kosten.»

Die wirtschaftliche Situation in der heterogenen MEM-Branche ist zurzeit nicht besonders rosig. Der Brexit, das Verhältnis China–USA und andere internationale Ereignisse führen zu einer allgemeinen Unsicherheit. «Wir spüren das natürlich sofort.

«Wir müssen noch flexibler werden.»

Dies hat zur Folge, dass unsere Kunden, speziell in der Automobilindustrie, mit ihren Investitionen ­zurückhaltender sind», so Arn. «Seit dem letzten Frühling und Sommer sind unsere Aufträge stagniert oder rückläufig, was wir finanziell mit Frühpensionierungen ausgleichen konnten.» Ein zuverlässiger Indikator, woran sich der Vizepräsident von Swisssmechanic gerne orientiert, ist der bis jetzt stabile Einkäufer-Index, der ein wenig Licht am Ende des Tunnels erahnen lässt. Für die Zukunft ist Arn zuversichtlich: «Alles wird komplexer. Damit wir unseren Nischenplatz erfolgreich sichern können, benötigen wir gutes fundiertes Berufs-Kow-how und wir müssen noch flexibler werden. Konkret bedeutet dies, dass wir innerhalb der Produktion und Fertigung den Automatisierungsgrad erhöhen müssen, auch bei kleineren Stückzahlen.»

Corinne Remund

www.christenag.com

Berufsbildung in der MEM-Branche

«Ohne Nachwuchs läuft nichts»

Der Nachwuchs hat in der MEM-Branche einen hohen Stellenwert. Auch in der Hans Christen AG in Herzogenbuchsee ist es Tradition, Lernende auszubilden. «Vier junge Leute absolvieren pro Jahr bei uns ihre dreijährige Lehre als Produktionsmechaniker EFZ respektive ihre vierjährige Lehre als Polymechaniker EFZ», sagt Geschäftsführer Daniel Arn. Als Präsident des Vereins SwissSkills Bern liegt ihm persönlich der Nachwuchs besonders am Herzen: «Wir brauchen dringend gut qualifizierte Fachkräfte, nur so können wir wettbewerbsfähig bleiben. Und daher ist die Ausbildung von jungen, motivierten Berufsleuten zentral für uns. Ohne Nachwuchs läuft nichts.» Dabei verweist er auf den Fachkräftemangel, der auch in der MEM-Branche eine Herausforderung darstellt. Die Demografie der Schulabgänger im Kanton Bern hätte in den letzten Jahren die Lehrlingsrekrutierung noch zusätzlich erschwert. «Jetzt ist es besser, aber nach wie vor werden technische Berufe auf dem Lehrstellenmarkt nicht bevorzugt», weiss Arn. Es herrsche richtiggehend ein Verdrängungskampf unter den verschiedenen Berufsbildern. Gerade Berufe im MINT-Bereich (Informatik, Naturwissenschaften und Technik) hätten es schwer. Daher begrüsst er die sogenannte MINT-Offensive. Dabei will der Kanton Bern die Jugendlichen für technische Berufe sensibilisieren und mit diversen Projekten das Interesse der Schulabgänger für solche Themen wecken.

Intensives Berufsmarketing von SWISSMECHANIC

Auch Swissmechanic, der Arbeitgeberverband der KMU in der MEM-Branche (Maschinen, Elektro und Metall), investiert viel in das Berufsmarketing. Dazu hat Swissmechanik vor fünf Jahren in Münchenbuchsee das modernste ÜK-Zentrum der Schweiz erstellt. «Wir müssen unsere Berufsbilder noch mehr bewerben und glaubwürdig der Öffentlichkeit präsentieren», so Arn, der Präsident von Swissmechanik Bern-Bienne sowie Vizepräsident von Swissmechanik Schweiz ist. Eine ideale Plattform dafür ist der schweizweit einzigartige und grösste Berufsbildungs-Event SwissSkills Bern 2020, der vom 9. bis 13. September bereits zum dritten Mal über die Bühne geht. «Damit bekommen wir ein ideales Schaufenster. Wir führen dabei nicht nur unsere Berufs-Schweizer-Meisterschaften durch und präsentieren unsere Berufe wie auch Champions öffentlich, sondern können so auch unseren jungen Berufsleuten in einer top Umgebung die entsprechende Wertschätzung entgegenbringen.» CR

www.swissmechanic.ch

www.swiss-skills.ch

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