Publiziert am: 23.04.2021

Optimismus herrscht vor

BREXIT-FOLGEN – Am 12. April 2021 hielt die Wirtschaftskommission des Nationalrates eine Anhörung. «Ökonomische Folgen des Brexit» war das Thema. Die Diskussion um den Brexit unterschätzt die positiven Zeichen.

Anhörungen unterstehen dem Kommissionsgeheimnis. Doch allein, dass es zu diesem Thema eine Anhörung gegeben hat, zeigt auf, wie aktuell das Thema ist. In dieser Aktualität gehen die Zeichen für wirtschaftlichen Optimismus unter. Dabei sind sie alles andere als unbedeutend. Das britische Pfund feiert ein Comeback, und die Stimmungslage der britischen Manager ist positiv.

Beide Indikatoren sind wichtig, weil sie sogenannt vorauseilend sind. Sie zeigen also Erwartungen auf, sie betreffen die Zukunft. Sowohl das steigende Pfund als auch die verbesserte Stimmungslage deuten also auf eine gute Entwicklung der Wirtschaft hin.

Pfund im 5-Jahres-Hoch

Noch im Jahr 2017 vermeldete man voller Angst ein 7-Jahres-Tief des Pfunds. Der Wechselkurs des Sterling stürzte im Verglich zu allen Währungen ab. Eine Zeit lang befand er sich sogar auf etwa 1,12 Franken je Pfund. Mittlerweile hat er sich auf 1,27 erholt. Erbsenzählerei? Mitnichten. Das ist ein Anstieg von über 13 Prozent!

In zumindest einer Theorie der Volkswirtschaftslehre ist die Entwicklung des Wechselkurses eine Annäherung an die Entwicklung der Wertschöpfung. Steigender Wechselkurs deutet also auf eine steigende Wertschöpfung hin.

Schaut man in die wirtschaftspolitischen Ansätze der aktuellen Regierung, ist diese Annahme begründet. Nach dem Brexit will der Premierminister ein Infrastruktur-Ankurbelungsprogramm und die Vitali­sierung des Binnenmarktes durch ­Abbau von Regulierungen starten. ­Kritisch sollte man aber anmerken: Die Aussenwirtschaft scheint in diesem Programm nur eine untergeordnete Rolle zu spielen.

Manager optimistisch

Die Stimmung ist ein anderer Indikator zur Zukunft. Sie zeigt, was die Manager für das nächste Quartal erwarten. Die neuesten Zahlen zeigen: Sie erwarten sogar eine Hochkonjunktur. KMU und Grossunternehmen sagen voraus, dass Ersparnisse im Wert von 192 Milliarden Pfund (243 Milliarden Franken) im Jahr 2021 freigesetzt werden. Der Stimmungsbarometer des britischen KMU-Verbands sagt sogar eine Gewinnzunahme um 21 Prozent voraus.

Kritisch sollte man hier aber ­anmerken: Wirtschaftswachstum hängt nur in der kurzen Frist von Konsumausgaben ab. Langfristig sind Investitionen viel wichtiger. Gerade diese scheinen sich aber nicht zu steigern. Auch kritisch: Exportfirmen sehen sich im Abwärtstrend.

Fahrplan für die Schweiz

Was macht nun die Schweiz mit dem Brexit? Im Rahmen seiner «Mind the gap»-Strategie hat der Bundesrat den Warenhandel mit dem Vereinigten Königreich weitgehend regeln können. Die grosse Baustelle ist hier noch die Ursprungskumulation mit EU-Gütern. Das ist in Verhandlung.

Aktuell befindet sich ein Dienstleistungsabkommen in der Vernehmlassung. Auch dieses würde eine Normalisierung bedeuten. Die Baustelle ist hier die Anerkennung der Äquivalenz der Schweizer Berufsbildung.

So oder so: «Mind the gap» ist nur eine vorübergehende Strategie. Die Schweiz braucht den vollständigen Marktzugang zu ihrem fünftgrössten Handelspartner. Und diesbezüglich herrscht nicht allzu viel Optimismus.

Henrique Schneider,

Stv. Direktor sgv

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