Publiziert am: 19.06.2020

Pop-up-Käsereien retten Alpmilch

INNOVATION – Das Alpenland Schweiz bietet ideale Voraussetzungen zur Produktion von hochwertigem Käse. Die Geschwister Aileen und Lloyd Zumstein fanden es schade, dass auf manchen Alpen hochwertige Milch nicht verwertet werden kann. Mobile Käsereien könnten dies künftig verhindern.

Die Alp Meeren im Kanton Glarus, idyllisch oberhalb des Walensees gelegen, verfügt über drei Stafel. Der oberste, Bärenboden genannt, liegt auf 1800 Metern über Meer und ist ausschliesslich zu Fuss erreichbar. Das saftige Gras und die wohlriechenden Kräuter in dieser luftigen Höhe bieten eine ideale Futtergrundlage für Milchkühe. Die beiden Älpler, der Forstwart Daniel Menzi und der Forstwart und Käser Patrick Peer, haben bisher einen kleineren Teil dieser wertvollen Milch an die Alpschweine verfüttert und einen noch kleineren Teil davon selber konsumiert. Den grössten Teil der schmackhaften Alpenmilch mussten sie jedoch wegschütten, denn es war schlichtweg unmöglich, jeden Tag Milch in grösseren Mengen zu Fuss oder per Maulesel zum tiefer gelegenen Stafel zu transportieren. «Eine Kollegin, die in der Nähe der Alp Meeren ein Maiensäss hat, hat mir und meinem Bruder davon berichtet», sagt Aileen Zumstein.

Von der Idee zum Start-up-Unternehmen

Sie und ihr Bruder Lloyd Zumstein sind käsebegeisterte Städter. «Wir hatten schon als Kinder einen engen Bezug zur Alpen- und Bergwelt. Deshalb haben wir uns über diese verpasste Chance Gedanken gemacht», sagt Aileen. Wertvolle Milch einfach wegwerfen? Das geht doch einfach nicht. Einer der beiden Älpler von der Alp Meeren, Patrick Peer, hatte bereits die Idee zu einer mobilen Käserei geäussert. Diese könnte genau dort zum Einsatz kommen, wo sie auch gebraucht wird. «Wir sahen sofort einen Nutzen für die Älpler», sagt Aileen Zumstein.

Von Juli bis September 2019 gingen sie und ihr Bruder mit einer ersten mobilen Käserei in eine Testphase. Nachdem sich gezeigt hatte, dass die Käseproduktion, die Abnahme des Alpkäses sowie erste Partnerschaften mit Käseabnehmern und -verkäufern erfolgreich waren, gründeten sie im November 2019 gemeinsam das Start-up-Unter­nehmen Monalp AG.

Vom Prototyp zum Hightechmodell

Die Grundform der ersten mobilen Käserei war schnell gefunden: ein Container, wie man ihn von grossen Baustellen oder als Schiffscontainer kennt. Älpler Patrick Peer stand bei diesem Entwurf als Berater zur Verfügung. «Gegen den Prototyp ist unsere zweite mobile Käserei ein richtiges Porsche-Modell», sagt die junge Unternehmerin. Der zweite Container wird diesen Sommer erstmals auf der Alp Nünenen im bernischen Gantrischgebiet zum Einsatz kommen. Dieser Hightechcontainer ist grösser und breiter, zudem gibt es neu mehr Fenster und höhere Decken. Die zweite mobile Käserei hat zusätzlich zum Produktionsraum einen separaten Hygieneraum.

«Wichtig ist für uns vor allem, dass beide Käsereien den hygienischen Vorschriften für die Käseproduktion entsprechen», erklärt Zumstein. Dies gilt nach wie vor auch für den ersten Container, der auf die kommende Saison hin eine neue Decke erhalten hat. Gerne würden sie und ihr Bruder insgesamt vier solche Container zum Einsatz bringen – aktuell sind es erst zwei. Die Container werden erst bei einer allfälligen Nachfrage produziert, nicht auf Vorrat. Die Produktion einer Pop-up-Käserei nimmt auch nur gerade sechs Wochen in Anspruch.

Die Milchmenge ist entscheidend

Die Gründe, weshalb eine mobile Käserei zum Einsatz kommt, können unterschiedlich sein: Es kann sein, dass durch die schwierige Lage der Alp die Milch nicht regelmässig ins Tal gebracht werden kann, wie dies bei der Alp Meeren der Fall ist, oder es gibt zwar bereits eine bestehende Käserei auf der Alp, doch ist deren Infrastruktur stark veraltet und entspricht nicht mehr den heutigen hygienischen Standards. «Doch die wichtigste Grundvoraussetzung ist der Wille der Älpler, aus der Milch, die auf der Alp jeden Tag anfällt, ein hochwertiges Produkt zu schaffen», sagt Aileen. Dies war bei Patrick und Daniel auf der Alp Meeren auch der Fall. Die beiden freuen sich sehr darüber, dass sie die anfallende Milch zu einem hochwertigen Produkt weiterverarbeiten können. «Wir käsen zwar schon seit vielen Jahren, aber das erste Mal auf der Alp Meeren und in der mobilen Käserei. Und es hat sich gelohnt. Die letzte Alp­saison verlief zu unserer vollsten Zufriedenheit. Die Käserei funktioniert einwandfrei, und der Alpkäse entspricht unseren hohen Erwartungen. Genau eine solche mobile Lösung dient uns hier oben.»

Die Voraussetzungen für den möglichen Betrieb eines Käsereicontainers an sich sind gering: Es braucht Strom, Wasser und Erfahrung mit der Produktion von Käse. Vor allem aber ist eine ausreichende Milchmenge wichtig. «Pro Tag sollten schon zwischen 400 bis 800 Liter zusammenkommen, sonst rentiert das Ganze einfach nicht», sagt Zumstein. Es sei dabei durchaus möglich, dass sich zwei oder mehrere Alpen dafür zusammentun.

Aileen und Lloyd Zumstein haben sich entschieden, für ihre Käsereicontainer keine Miete zu verlangen. Heisst, dass sich die Idee für die beiden Jungunternehmer nur dann lohnen kann, wenn die Container rund ums Jahr im Einsatz sind. «Im Falle der Alp Nünenen haben wir diesen Idealfall: Im Sommer ist der Container auf der Alp im Einsatz, im Winter im Tal, im nahe gelegenen Heitenried», sagt Aileen.

«Ich bin schon sehr gespannt, wie zufrieden Älplerin Sarah Gross mit der mobilen Käserei auf der Alp Nünenen sein wird», sagt Aileen. Sarah habe schon 25 Jahre Alp- und Käsereierfahrung, aber bisher noch keine mit einer mobilen Käserei.

Aileen Zumstein ist froh über die gute Zusammenarbeit mit den beiden beteiligten Alpgenossenschaften und hofft auf weitere ähnliche fruchtbare und langjährige Partnerschaften.

Alpromantik trotz Container

«Wir möchten in enger Zusammenarbeit mit Alpgenossenschaften den Schweizer Käsemarkt aufmischen», erklärt Aileen Zumstein ihre Grundidee. Denn in der Schweiz werden nur gerade drei Prozent des Käses wirklich noch auf der Alp erzeugt. Auf den beiden Alpen Meeren und Nünenen wird dies künftig der Fall sein. Wenn auch durch die beiden eher funktionellen Container etwas Alpromantik verloren geht. Doch die beiden Jungunternehmer achten bei der Anlieferung der Container darauf, dass sich diese möglichst gut in die Landschaft einfügen, und wählen einen Ort, wo sie nicht allzu sehr auffallen. So ist trotz moderner Technik weiterhin Alpromantik angesagt.

«WIR MÖCHTEN DEN SCHWEIZER KÄSEMARKT AUFMISCHEN.»

Unlängst begann die Produktion in dem brandneuen Käsereicontainer, der per LKW auf die Alp Nünenen gebracht wurde. Ende Juni startet die Milchverarbeitung auf Alp Meeren. Wie schon in der letzten Saison werden die beiden Älpler einen Teil des Alpkäses selber behalten und weiterverkaufen. Den Rest können sie «zu einem fairen Preis» an die Monalp AG verkaufen, also an Aileen und Lloyd Zumstein. Diese vermarkten Alpkäse, der zuerst noch in einer Sandsteinkeller in Burgdorf nachreifen darf, über den Grosshandel, kleinere Läden sowie einen Onlineshop: www.deinalpkaese.ch. lid

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