Publiziert am: 18.11.2022

Prädikat: «Nicht schlecht»

CO2-GESETZ – Die Schweiz braucht ein neues CO2-Gesetz. Die Vorlage ist nun im Parlament. Sie ist nicht schlecht, denn sie setzt viele Anliegen des Gewer­be­verbands um. Korrektur­be­darf besteht dennoch.

Die Schweiz hat das Übereinkommen von Paris am 6. Oktober 2017 ratifiziert. Sie ist damit ein Reduktionsziel von minus 50 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 eingegangen, unter teilweiser Verwendung von ausländischen Emissionsreduktionen. Bis 2050 hat die Schweiz zudem ein indikatives Gesamtreduktionsziel von minus 70 bis 85 Prozent gegenüber 1990 unter teilweiser Verwendung von ausländischen Emissionsreduktionen angekündigt.

Beurteilung durch den sgv

Mit dem revidierten CO2-Gesetz sollen die Treibhausgasemissionen der Schweiz bis 2030 gegenüber 1990 halbiert werden. Es knüpft an das geltende CO2-Gesetz an, welches das Parlament bis 2024 verlängert hat, und umfasst die Massnahmen für die Zeit von 2025 bis 2030. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv unterstützt die Verminderungsziele: Gegenüber 1990 müssen die Treibhausgasemissionen der Schweiz bis 2030 halbiert werden und im Durchschnitt der Jahre 2021–2030 um 35 Prozent sinken. Der sgv lehnt aber eine Aufteilung der Ziele in In- und Auslandsziele ab. Die Schweiz muss für internationale Kooperationsmechanismen gemäss dem Übereinkommen von Paris offenbleiben. Mindest-Inlandanteile kommen einer Abschottung gleich. Die Klimaaktion hat sich primär nach ihrem Nutzen und ihren Kosten zu richten und nicht nach geografischen Kriterien.

Ebenso lehnt der sgv das implizite «Netto-Null»-Ziel ab. Ein solches Ziel, ob implizit oder explizit, ist nach der Massgabe der heutigen Verantwortung unverhältnismässig. Es ist weder ein Teil des Klimaübereinkommens von Paris noch der selbstständigen Verpflichtung der Schweiz gegenüber den anderen Parteien des Übereinkommens.

Der sgv unterstützt hingegen die Weiterführung der Regelungen im Emissionshandel und die Öffnung der Energieeffizienzprogramme (Zielvereinbarungen) der Wirtschaft für alle Unternehmen: Die Möglichkeit zur Befreiung von der CO2-Abgabe ist nicht mehr auf bestimmte Wirtschaftszweige beschränkt, sondern steht allen Unternehmen offen.

Allerdings lehnt der sgv die im Gesetzesentwurf verankerte Abkehr von diesem System ab. Es ist beispielsweise nicht akzeptabel, dass die Verminderungsverpflichtungen der Unternehmen bis 2040 befristet werden und danach keine Befreiung mehr möglich sein soll. Ebenso inakzeptabel ist, dass Firmen drei Jahre nach Beginn einer Verminderungsverpflichtung einen Dekarbonisierungsplan einzureichen haben und diesen regelmässig aktualisieren müssen.

Teilzweckbindung erhöhen

Der sgv unterstützt mehrheitlich die Regelungen für den Gebäudesektor: Die CO2-Abgabe muss auf dem Maximalsatz von 120 Franken pro Tonne CO2 bleiben. Die Teilzweckbindung soll befristet bis 2030 erhöht werden, sodass bis zu 49 Prozent des Abgabeertrags für Verminderungsmassnahmen eingesetzt werden können. Die Erhöhung der Teilzweckbindung ist eine Voraussetzung, damit die Dynamik, die in den Kantonen aufgrund des bewährten Gebäudeprogramms entstand, nicht gebremst wird.

Der sgv verlangt aber, dass auch im CO2-Gesetz der steuerliche Abzug für Investitionen in die energetischen Gebäudesanierungen und Ersatzneubauten verankert wird. Dabei sollen diese Investitionen automatisch zu einer höheren Ausnützung des Grundstücks berechtigen. Weiter müssen die Bau- und Sanierungsnormen radikal vereinfacht werden. Der sgv lehnt die Möglichkeit der Einführung von neuen Meldepflichten sowie die Aufstockung des Technologiefonds ab.

Ja sagt der sgv zu den Vorgaben zu den Flottenzielen: Im Strassenverkehr werden die CO2-Flottenziele für Personenwagen und leichte Nutzfahrzeuge ab 2025 und 2030 in Anlehnung an die EU verschärft und neu auch für schwere Fahrzeuge eingeführt. Der sgv verlangt einen Schweiz-spezifischen Basisbetrag für die Flottenziele. Zudem sollen nicht nur elektrisch betriebene schwere Nutzfahrzeuge, sondern auch andere nicht fossil betriebene Nutzfahrzeuge bis 2030 von der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe befreit werden.

Möglichst viel Freiraum nötig

Bei der Pflicht der Treibstoffimporteure, die CO2-Emissionen aus dem Verkehr zu kompensieren, besteht Anpassungsbedarf: Der sgv begrüsst ihre Weiterführung. Er unterstützt auch die Festlegung des maximalen Anteils auf 90 Prozent, insofern als dass ein genauer Betrag mit der Branche abgemacht wird. Wichtig ist, dass den Tätigkeiten der Stiftungen Klik und Klimarappen möglichst weiter Freiraum gegeben wird. Dazu gehört ebenso der Aufbau eines weitspannenden Netzes bi- und multilateraler Kooperationsabkommen gemäss Artikel 6 des Übereinkommens von Paris.

Der sgv akzeptiert die Pflicht, 5 bis 10 Prozent der Emissionen aus dem Verkehr mit erneuerbaren Treibstoffen auszugleichen, dies unter der Bedingung, dass die Importeure die Wahl haben zwischen massenbilanzierten Gemischen ohne Steuererleichterungen oder segregierten erneuerbaren Treibstoffen, für die befristet bis 2030 weiterhin Steuererleichterungen gewährt werden. Der sgv weist aber darauf hin, dass die Kosten dieser Verpflichtung in der Vorlage nicht ausgewiesen sind.

Nein zu Massnahmen im Finanzsektor

Im Weiteren lehnt der sgv sämtliche Massnahmen im Finanzsektor ab. Diese Pflichten führen zu materiellen Regulierungen, die von der Finma erlassen werden und die Wirtschaft betreffen. Sie führen zur Einschränkung der Finanztransaktionen, namentlich der KMU-Kredite, und zu erhöhten Regulierungskosten. Fazit: Der Gesetzesentwurf ist nicht schlecht, denn er setzt viele Forderungen des sgv – sie bestehen seit 2010! – um. Doch es besteht noch Anpassungsbedarf. Der parlamentarische Prozess steht erst am Anfang.Henrique Schneider, stv. Direktor sgv

www.sgv-usam.ch

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