Publiziert am: 12.08.2022

Quo vadis, Sozialpartnerschaft?

SWISSSTAFFING – Das Erfolgsmodell «Arbeitsmarkt Schweiz» zeichnet sich aus durch ein liberales Regelwerk und «trotzdem» eine phänomenal tiefe Arbeitslosigkeit. Das Rezept dazu ist (oder war?) die Sozialpartnerschaft.

Die Sozialpartnerschaft krankt. Das das Rezept droht nicht mehr in die heutige Zeit zu passen. Noch immer gilt, dass dezentral entwickelte Lösungen besser passen, rascher beschlossen und flexibler angepasst werden können. Die Sozialpartnerschaft funktioniert(e) so gut, weil die Regeln von den direkt Betroffenen entwickelt werden. Die Repräsentanz auf Arbeitnehmerseite erodiert aber zusehends.

Die Arbeitnehmerschaft hat sich mit dem Strukturwandel über die letzten Jahrzehnte stark gewandelt. Den Gewerkschaften gelingt es je länger je weniger, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Die Mitgliederzahlen sinken, und die «neue Arbeitnehmerschaft» ist wenig interessiert, sich den Gewerkschaften anzuschliessen. Gewisse Gewerkschaften haben sich durchaus gewandelt – aber nicht, um die neue Arbeitnehmerschaft besser abzubilden, sondern in Richtung einer politischen Organisation, die sich mittels hoheitlicher Aufgaben wie dem Vollzug von Gesamtarbeitsverträgen und der Abwicklung von Arbeitslosenkassen finanziert.

Gefährliches Doppelspiel

Das ist insoweit gut, als es im System Schweiz den Ausgleich der Interessen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite braucht, und damit einen starken Ansprechpartner auf beiden Seiten. Aber es ist insoweit schlecht, wenig zielführend bis hin zu kontraproduktiv, als dass die «neue» Gewerkschaft zusehends ideologiegetrieben ist und sich von den Bedürfnissen der Arbeitnehmerschaft entkoppelt.

Harzen tut es ausserdem we-gen eines gefährlichen Doppel-spiels der Gewerkschaften: Seit einigen Jahren torpedieren sie die Sozialpartnerschaft mit Versuchen, den Arbeitsmarkt parallel zu den Gesamtarbeitsverträgen auch gesetzlich zu regeln. Ein Beispiel dafür sind kantonale Mindestlöhne.

Sozialpartnerschaft in der Temporärbranche: ein Paradebeispiel

Die Herausforderungen in der Sozialpartnerschaft zeigen sich in der Temporärbranche exemplarisch: Die Repräsentanz auf Arbeitnehmerseite ist hier besonders schwierig zu erreichen, da Temporärar-beitende hoch mobil sind. Die Gewerkschaften vertreten somit nicht die Interessen der flexibel Erwerbstätigen. Sie versuchen stattdessen mit Vorstössen auf Gesetzesstufe, die Temporärarbeit zu limitieren und damit eine vermeintliche Antwort zu liefern auf diffuse Ängste gegenüber der Flexibilisierung am Arbeitsmarkt.

Trotzdem ist es bislang gelun-gen, moderne und zukunftswei-sende Modelle im Gesamtarbeitsvertrag Personalverleih zu ent-wickeln, z.B. für die Vorsorge und Weiterbildung von Temporärarbeitenden.

Auch punkto Arbeitsbedingungen schneidet die Temporärbranche sehr gut ab: Temporärmitarbeitende verdienen gleich viel wie ihre direkt angestellten Kollegen. Im Vergleich zu direkt Beschäftigten mit befristetem Vertrag verdienen Temporärmitarbeitende sogar deutlich mehr. Temporärmitarbeitende müssen weniger Überstunden leisten als direkt Beschäftigte und werden häufiger finanziell entschädigt, falls sie doch Überstunden erbringen.

Dass die Gewerkschaften dennoch parallel zur Sozialpartnerschaft in der Temporärbranche versuchen, dieselbe einzuschränken, kann nur im Basisverlust begründet sein.

Modernisierung tut not

Die Gewerkschaften benötigen eine Modernisierungs-Kur und wieder eine bessere Verbindung zur Arbeitnehmerschaft. Nur so kann auch künftig ein Dialog zwischen Betroffenen geführt werden, der zu ausgewogenen, praxistauglichen und zukunftsorientierten Lösungen führt. Und das ist ausserordentlich wichtig für den Schweizer Arbeitsmarkt.

Myra Fischer-Rosinger, Direktorin swissstaffing

www.swissstaffing.ch

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