Publiziert am: 18.02.2022

Radikalisierung und Regulierung

Südamerika – Lateinamerikanische Länder werden oft als zukunftsträchtig dargestellt. Junge Bevölkerungen, grosse Märkte, Bodenschätze und Platz. Was ist aber, wenn es vor lauter Zukunft keine Gegenwart gibt?

In den 1970er-Jahren galt Südamerika als nächster Zukunftsmarkt. Dann kam die Hyperinflation. Ende der 1990er- und Anfangs 2000er-Jahre wurden Brasilien und Argentinien als die nächste Erfolgsgeschichte portiert. Dann kam die Linke an die Macht. Noch vor wenigen Jahren sprach man von einem Boom in Peru und Kolumbien. Der ist ausgeblieben.

Am Potenzial fehlt es nicht

Südamerika hat viel Potenzial. Aber es scheint dieses nicht umsetzen zu können. Die Gründe dazu sind vielfältig. Sicher spielt die Politik dieser Länder eine Rolle. Denn Regierungen radikalisieren sich in ideologischen Träumereien. Venezuela hat sich selbst abgebaut. Die linken Chavez-Maduro Regierungen haben aus einem Land mit bescheidenem Wohlstand ein Armenhaus gemacht. Bolivien hat die gleiche Entwicklung durchgemacht. Argentinien, einst die achtgrösste Volkswirtschaft der Welt, ist von der linkspopulistischen Kirchner-Regierung an die Wand gefahren worden.

Reformfeindlich

Als in Argentinien Präsident Mauricio Macri versuchte, die Wirtschaft zu liberalisieren, wurde er abgewählt. Die vorsichtige Öffnung und Stabilisierung Brasiliens unter Fernando Henrique Cardoso wurde von den darauffolgenden Regierungen – links und rechts – rückgängig gemacht. Und selbst Chile, einst ein wirtschaftlich entwickeltes Land, wurde wieder durch und durch reguliert. Das bedeutet, es ist auch ärmer geworden.

Als im Jahr 2021 der bekennende Kommunist Gabriel Boric zum Präsidenten Chiles gewählt wurde, ging ein Ruck durch die Presse. Einige feierten ihn als Heilsbringer für die soziale Gerechtigkeit. Andere sahen die Gefahr eines neuen Chavez. In Wirklichkeit ist Boric ein typischer lateinamerikanischer Politiker. Sein Leistungsausweis ist inexistent, er versteift sich in hochideologischen Positionen, und die Wirtschaft will er regulieren und abschotten.

Linke und Rechte sind gleich

Der Punkt ist: Sein Kontrahent, Jose Antonio Kast, war genau gleich. Keine Leistungen, dafür viel Ideologie und ein isolationistisch-populistisches Wirtschaftsprogramm. Der in Europa als rechts betitelte Präsident Brasiliens, Jair Bolsonaro, tickt gleich. Nationalismus und Isolationismus prägen seine Agenda.

Eine sich immer weiter radikalisierende Politik und die ideologische Verpflichtung zu Nationalismus und Isolationismus sind ganz sicher Erklärungen für das Ausbleiben der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung Lateinamerikas. In allen Ländern des Kontinents fehlt es an liberalen Konzepten. Sie würden den Menschen Freiheit geben, Risiken und Chancen mit Anreizen versehen und vor allem Deregulieren.

Fehlen liberaler Konzepte

Zum Beispiel: Als die Regierung Macri die Gründung von KMU in Argentinien erleichtern wollte, flogen die Fetzen. Niemand darf dort eine Firma gründen ohne vorherige Genehmigung des Bundesstaates und der Nationalstaaten. Das Einholen dieser Erlaubnis kann bis zu einem Jahr dauern. Die Bewilligungsämter haben gegen die Liberalisierung Position bezogen, weil die meinten, es sei ein zu grosses Risiko, wenn jeder «einfach so» einem Geschäftsmodell nachgehe. In Wirklichkeit ging es um den Erhalt von Jobs und Macht.

Noch ein Beispiel: Brasilien kennt Ausfuhrzölle, etwa auf Lebensmittel oder Öl. Das Land verteuert die eigenen Exporte, damit sie im Weltmarkt weniger wettbewerbsfähig werden. Warum? Weil die von rechts und links getragene Ideologie vorgibt, brasilianische Produkte zuerst der eigenen Bevölkerung zugänglich zu machen. Mit Ökonomie hat das nichts zu tun.

Und die Schweiz?

Die Schweiz hat trotzdem Interesse an einem Freihandelsabkommen mit dem Mercosur, der Freihandelszone von Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay. Denn einige Schweizer Unternehmen – auch KMU – können trotz aller Widrigkeiten in diesen Märkten navigieren. In diesen Ländern lebt eine grosse Gemeinschaft von Auslandschweizern, was den Marktzugang potenziell erleichtert.

«Heilsbringer oderneuer Chavez? Chilesneuer PräsidentGabriel Boric ist ein typischer lateinamerikanischer Politiker. Sein Leistungsausweisist inexistent.»

Und es könnte ja sein – das wäre mindestens zu hoffen –, dass es diesen Ländern eines Tages gelingt, sich mit freiheitlicheren Konzepten zu liberalisieren. Dann sähe ihre Zukunft wirklich gut aus. Und dann hätte die Schweiz die Nase vorn.

Henrique Schneider,

Stv. Direktor sgv

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